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5 Kulturpalast
ОглавлениеVersöhnung mit der DDR-Architektur
Lange stand der Kulturpalast verschämt an der Nordseite des Altmarkts und trennte das in neuem Glanz erstrahlende historische Zentrum um die Frauenkirche von der immer noch an die DDR-Ästhetik erinnernden Prager Straße. Sollte man ihn abreißen wie seinen Kollegen in Berlin?
1969, als der Großteil der Innenstadt noch in Trümmern lag, erbaute man den Kulturpalast als Vorzeigeprojekt des Sozialismus – genau in der Mitte der historischen Altstadt, aus modernem Beton, mit einer blitzenden Glasfront und einem Kupferdach in Form eines Napfkuchens.
Der größte Mehrzwecksaal der Stadt entwickelte sich zum neuen kulturellen Zentrum. Hier fanden Konzerte der Dresdner Philharmonie und der Sächsischen Staatskapelle statt, der Kreuzchor und das Moskauer Bolschoi-Theater gastierten, die „Brückenmännchen“-Musicals hatten Kultstatus und bei Dixieland-Festivals wippte ganz Dresden mit. Der Saal mit 2000 Plätzen, das höhenverstellbare Parkett, die drehbare Bühne und Luxusmaterialien wie Marmor und Granit zeigten den Dresdnern, dass es vorwärtsging im Sozialismus.
Nach langer Diskussion in den 1990ern entschlossen sich die Dresdner, zu ihrer jüngeren Geschichte zu stehen. Sie stellten den Kulturpalast unter Denkmalschutz und renovierten ihn gründlich. 2017 wurde er wiedereröffnet und feierte 2019 sein 50-jähriges Jubiläum.Und die Menschen waren begeistert. Der Kulturpalast ist als Heimat der Dresdner Philharmonie, des Kabaretts „Die Herkuleskeule“ und der Zentralbibliothek ein echtes Kulturzentrum und gleichzeitig ein architektonischer Gegensatz zum benachbarten Neobarockviertel. Er beherbergt einen der akustisch besten Konzertsäle der Welt, der auch architektonisch beeindruckt und von einer speziell entworfenen Orgel gekrönt wird.
Das 30 Meter lange Wandbild „Der Weg der Roten Fahne“ durfte nach langer Diskussion über seinen künstlerischen Wert an der Westfassade bleiben. Das detaillierte Bild auf 466 Betonkacheln (der rote Stern besteht dagegen aus Glas) zeigt die Geschichte der Menschheit im Verständnis des Marxismus. Die fahnenschwingende Frau in der Bildmitte erinnert an die Dame, die das französische Volk zur Revolution führen sollte – mit Absicht!
Spannend sind auch die drei Eingangstüren des Kulturpalasts. Ähnlich wie Kirchenportale bestehen sie aus Bronzereliefs, die die Geschichte der Stadt zeigen. Der Künstler Gerd Jaeger hat sich bei den Türen nicht an den Kalender gehalten, weshalb man beim Betrachten etwas verwirrt ist: Die erste Tür zeigt das Mittelalter und beginnt ganz links unten, als Dresden 1206 erstmals urkundlich erwähnt wurde, bis zum Dreißigjährigen Krieg, als 1632 die Pest kam. Die zweite Tür von links zeigt die Geschichte Dresdens im 19. und frühen 20. Jahrhundert, während die mittlere Tür den Sozialismus zeigt. Auf der rechten Seite geht es wieder rückwärts, in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts und das Barockzeitalter. Eine Tür für das 21. Jahrhundert fehlt noch.
Erstrahlt neu in alter Optik: der Kulturpalast
Nun wird es aber Zeit, hineinzugehen; auch ohne Ticket für eine der vielen Veranstaltungen. Das beste am Kulturpalast ist nämlich der Blick hinaus auf den Altmarkt, Dresdens ältesten Platz. Besucher der Zentralbibliothek genießen ihn aus einem der kugelrunden „Sonic Chairs“ an den Fensterfronten des Lesesaals. Diese Kuschelsessel sind gleichzeitig akustische Inseln, die man ans Smartphone anschließen und zum Musikhören nutzen kann.
Aber auch im Foyer kann man bei einem Kaffee oder einem Glas Sekt aus dem Bistro den Blick durch die Glasfront auf den Altmarkt richten. Tagsüber herrscht dort buntes Treiben – bei einem der Frühlings- oder Herbstmärkte, beim jährlichen Striezelmarkt (der seit 1434 hier stattfindet) oder einer anderen Großveranstaltung.
Sollte das Pflaster einmal leer sein, wirkt der Altmarkt, hinter dem der 92 Meter hohe Turm der Kreuzkirche und der Rathausturm aufragen, noch eindrucksvoller. Schwer vorstellbar, dass hier 1945, nach dem Bombardement der Alliierten am 13. Februar, zwischen den Trümmern Tausende geborgene Leichen lagen. Eine in der ursprünglichen Pflasterung erhaltene Stelle markiert den Punkt, wo die Opfer der Bombennacht in den darauffolgenden Tagen verbrannt wurden. Das Mahnmal ist so unauffällig, dass die meisten Besucher achtlos darüber hinweglaufen – Ergebnis einer hitzigen Debatte darüber, wie groß eine Gedenkstätte an die Kriegsopfer in Dresden sein darf, das sich seit Jahren mit Vereinnahmungsversuchen von rechts herumschlägt.
Info
Lage:
Schlossstraße 2, 01067 Dresden, Besuchereingang Wilsdruffer Straße (Front)
Anfahrt: Parken in der Tiefgarage unter dem Altmarkt, im Haus am Zwinger, im Contipark an der Semperoper oder im Q-Park Frauenkirche; Straßenbahnlinie 1/2/4, Haltestelle Altmarkt
Eintritt: tagsüber und abends ins Gebäude und in die Zentralbibliothek frei
Aktivitäten:
•Ticketservice: Tel.: 0351 4866-866,
ticket@dresdnerphilharmonie.de
•Bistro: im 1. Stock, geöffnet tagsüber und bei Veranstaltungen
•Zentralbibliothek: im 1. und 2. Stock, Montag bis Samstag 10 bis 19 Uhr, bibo-dresden.de
Website: kulturpalast-dresden.de