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7 Neue Synagoge und Stolpersteine
ОглавлениеDRESDENS DUNKLE VERGANGENHEIT
Als 2001 in Dresden die Neue Synagoge eingeweiht wurde, überraschte das viele. Die einen standen verblüfft vor dem sandsteinfarbenen Kasten, der zwar im Material, aber nicht in der Form zur angrenzenden barocken Altstadt passte. Die anderen merkten erst bei dieser Gelegenheit, dass Dresden eine jüdische Gemeinde hat – beziehungsweise wieder hat.
Im ganzen Stadtgebiet stößt man auf die Messingsteine von Gunter Demnig, die der Künstler seit 2009 herstellt und verteilt. Wie normale Pflastersteine sind sie in den Boden eingelassen, meist vor Hauseingängen.
Stolpern kann man über sie kaum, trotzdem bringen sie zum Innehalten; und das ist ihre Funktion: Jeder Stein markiert den letzten gemeldeten Wohnort eines jüdischen Dresdners oder einer Dresdnerin. Auch Künstler und Politikerinnen, körperlich und geistig Behinderte und Zeugen Jehovas sind dabei, die politisch verfolgt und ermordet wurden.
Eingestanzt sind Name und Geburtsdatum, dann folgt das Datum, an dem diese Menschen aus ihrem Heim vertrieben wurden: abgeschoben nach Polen oder deportiert in KZs, hingerichtet oder schlicht ermordet. Nur auf wenigen steht „Flucht nach Australien“ oder „KZ überlebt“. Am traurigsten sind die mit den Namen von Kindern – etwa von Jutta und Tana Schneck, die 1942 im Alter von zwei und fünf Jahren zusammen mit ihrer Mutter nach Auschwitz deportiert und vergast wurden.
Viele Dresdner schauten damals weg – oder unterstützten die Nazis. Die waren in Dresden gründlich und feierten 1942, die Stadt wäre nun „judenrein“. Das stimmte nicht ganz; noch bis 1943 lebten etwa 300 jüdische Frauen und Männer im „Judenlager“ auf dem Hellerberg als Zwangsarbeiter in einer Rüstungsfabrik des Kameraherstellers Zeiss Ikon. Sie alle wurden im März 1943 nach Auschwitz gebracht. Ironischerweise verhinderte die Bombennacht vom 13. Februar 1945 die Deportation der letzten Juden aus Dresden; damals lebten noch 41 in der Stadt, die meisten in „Mischehe“ mit Deutschen oder deren Kinder.
Seit dem Beginn des Projekts „Es waren unsere Nachbarn“ hat Demnitz fast 70.000 Steine in über 1200 Orten in Deutschland und in 24 Ländern Europas verlegt. Die Stolpersteine gelten damit als das größte dezentrale Kunstwerk der Welt.
Im Gegensatz dazu fokussiert die architektonisch auffällige Neue Synagoge am Rathenauplatz die Aufmerksamkeit auf einen Punkt. Die jüdische Gemeinde der Stadt, schon immer klein und durch den Holocaust geschrumpft von etwa 5000 Gläubigen auf heute etwa 700, wurde kaum wahrgenommen – bis sie ihr neues Gotteshaus bekam. Das Architekturbüro Wandel + Lorch erhielt für diesen Entwurf den World Architecture Award.
Schauen Sie ruhig genau hin, wenn Sie an den Polizei-Mannschaftswagen vorbeispazieren, die zum Schutz der Gemeinde beschämenderweise wieder nötig sind: Der 24 Meter hohe, fensterlose Würfel soll an den ersten Tempel der Israeliten und die Klagemauer in Jerusalem erinnern. Seine Fassade besteht aus vielen Reihen von Bausteinen, die jeweils um sechs Zentimeter verdreht sind. So gelang ein Kompromiss mit den praktischen Gegebenheiten: Während die Grundfläche exakt in die nach Norden ausgerichteten Grenzen des Baulands passt, ist ihre Oberseite nach Osten ausgerichtet, wie es für Synagogen sein soll. Gegenüber liegt ein weiterer, nicht verdrehter Kasten, das Gemeindezentrum und das Arbeitszimmer des Rabbis, eines jungen Mannes aus New York, der zwischen Dresden und Basel pendelt.
Die Neue Synagoge wurde mit dem World Architecture Award prämiert
An die Alte Synagoge, erbaut 1840 von Gottfried Semper als größter Sakralbau Deutschlands, erinnert ein Gedenkstein in Blickweite der Neuen Synagoge. Genau 60 Jahre nach ihrer Sprengung erfolgte 1998 der erste Spatenstich für die Neue Synagoge, weitere drei Jahre später wurde sie als erste Synagoge in Ostdeutschland eingeweiht.
Der alte Davidstern, der über der Tür hängt, ist das einzige, was von der Alten Synagoge übrig blieb. Jetzt können die Juden in Dresden neue Geschichte schreiben. Seit 2020 ist Jüdische Religion Wahlpflichtfach an sächsischen Grundschulen. Und wer mag, kann dem Rabbi Weingarten auf YouTube und Instagram folgen.
Info
Lage:
Hasenberg 1, 01067 Dresden, am östlichen Ende der Brühlschen Terrasse
Anfahrt: Parken auf dem Parkplatz Schießgasse vor der Polizeidirektion; Straßenbahnlinie 3/7, Haltestelle Rathenauplatz/Synagoge
Öffnungszeiten: nur nach Anmeldung oder zu Gottesdiensten der Gemeinde
Führungen durch die Synagoge: Tel.: 0351 65 60 70
Website von Rabbi Weingarten: rabbiweingarten.com
HINWEISE:
•Die Stolpersteine findet man im ganzen Stadtgebiet von Dresden; eine Übersichtskarte gibt es unter stolpersteine-dresden.de oder auf dem Themenstadtplan der Stadt unter dresden.de.
•Die Infotafel für das Judenlager am Hellerberg, das nördlich des St. Pauli Friedhofs lag, steht am südlichen Ende des Hammerwegs.
•Die Rüstungsfabrik, in der die letzten Juden in Dresden bis 1943 arbeiten mussten, steht an der Riesaer Straße in Dresden-Pieschen und wird heute nach Sanierung teilweise als Kulturfabrik „Zentralwerk“ genutzt.