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Vorwort
ОглавлениеACH DRESDEN, MEIN DRESDEN!
Sobald ich von einer Reise zurückkehre und mein Blick über den Rand des Talkessels fällt, auf die vielen Kirchtürme, die wie aus einem Nest emporragen, entfährt mir dieser freudige Seufzer. Obwohl Dresden, von hier oben betrachtet, recht klein und vielleicht ein wenig provinziell wirkt – es ist mein Heimathafen, in den ich immer wieder gern zurückkomme.
Keinen einzigen Wolkenkratzer hat die Dresdner Skyline. Abgesehen von einigen Plattenbauten am Stadtrand wird das Stadtbild nicht von Hochhäusern bestimmt, sondern von Kirchtürmen aus allen Stilepochen – und von viel Grün. Seit 300 Jahren sieht die barocke Silhouette am Elbufer gleich aus, der Canaletto-Blick wirkt wie ein Schnappschuss aus den Alten Meistern. Die Dresdner haben es sich „gemiedlich“ gemacht in der auch etwas vergangenheitsverliebten Kulisse der Altstadt – und betrachten alles, was neu ist, erst einmal skeptisch.
Klar ist Berlin verrückter, Hamburg kosmopolitischer und München mondäner. Aber so museal und spießig, wie die Altstadt erscheint, ist Dresden als Ganzes mitnichten. Hier hat sich so ziemlich alles verändert, seit wir uns aus dem „Tal der Ahnungslosen“ in den Westen aufgemacht haben.
Auf Fotos aus meiner Kindheit erkenne ich die Stadt kaum wieder. Das Viertel, in dem ich aufgewachsen bin, gab es noch gar nicht, als ich geboren wurde. Wo ich zur Grundschule ging, steht heute ein Supermarkt. Die kinderfreundliche, bunte Neustadt, in der ich heute lebe, war vor der Wende ein abbruchreifes, rußgeschwärztes Gebiet – und danach Tummelplatz für Punks und Nazis.
Die strahlend schöne Frauenkirche, die unsere Silhouette bestimmt, kannte ich nur als unkrautüberwucherten Trümmerhaufen – der zwischen den vielen anderen Ruinen im Stadtzentrum kaum auffiel. In der Elbe baden? Undenkbar noch vor 20 Jahren, alltäglicher Sommer- (und Winter-!) Spaß heutzutage. Und der gelblich-braune Smogdeckel, der im Winter auf dem Elbtalkessel lag, ist abgezogen.
Dresden hat sich echt gemausert in den letzten 30 Jahren. Das hat sich herumgesprochen. Während die einen die Stadt verlassen, um in der Ferne ihr Glück zu suchen, kommen viele andere extra hierher und bringen viel frischen Wind mit. Der weht in der Multi-kulti-Neustadt zwischen Graffitis, Galerien und veganen Cafés, aber auch auf den neuen begrünten Promenaden in der City und zwischen den Glasfassaden von „Silicon Saxony“. Hightech Heaven, grüne Oase oder schmuckes Barockstädtchen – wie die Zukunft aussehen soll, da sind sich die Dresdner nicht einig. Es wird erbittert gestritten, und nicht selten stehen wir uns unversöhnlich gegenüber - wie man an der Waldschlösschenbrücke sieht. Aber wir finden auch zueinander, etwa am 13. Februar, wenn alle zusammen eine Menschenkette um unsere Innenstadt bilden.
In der neu herausgeputzten Altstadt dürfen wir uns zwischen den Touristen als Weltstädter fühlen. Ringsherum aber, in Pieschen, Loschwitz oder Leuben, sind wir Dresdner unter uns. Da sitzt man gemeinsam in den Biergärten und sonnt sich an der Kiesgrube, dreht im Großen Garten seine Runden und genießt beim Bäcker eine Eierschecke. Besucher, die wir eindeutig an ihrem Hochdeutsch erkennen, sind willkommen, sich dazuzusetzen – wir Dresdner sind ein freundliches Volk und stolz auf unsere schöne Heimat. Ob Sie alles verstehen, was wir Ihnen über sie erzählen, steht auf einem anderen Blatt!
Jenny Menzel