Читать книгу Die Stalkerin - Jens Brambusch - Страница 7
Kaş, 25. April, 20.30 Uhr (Apartment)
ОглавлениеEs ist anstrengender als gedacht. Der Schweiß tropft von der Stirn. Oder ist es bloß der Wasserdampf? Und diese blöde Kuh sträubt sich immer noch. Oder vielmehr das, was von ihr übrig geblieben ist. Selbst jetzt, wie sie hier liegt, in ihrem roten Saft, der langsam zu klumpen anfängt.
Was für eine Sauerei! Das Atmen hat mittlerweile den Takt der Säge übernommen. Schnell, hektisch, flach. Es ist mehr ein Hecheln. Die feinen Zähne der Metallsäge sind verklebt von geronnenem Blut, reiben nur noch auf dem stumpfen Mark. Dabei ist die Wirbelsäule nicht einmal zur Hälfte durchtrennt. „Scheiße!“ Eine Holzsäge wäre besser gewesen. Aber die gab es nicht auf dem Boot. „Scheiße!“ Und dann diese Sauerei. Wie kann ein einzelner Mensch nur so viel Dreck machen? Und wie die stinkt. Eklig. Abartig. Ja, genau, abartig. Das passt zu ihr. So war sie im Leben und natürlich ist sie so auch im Tod.
Das Zerlegen der Leiche dauert länger als geplant. Maximal eine Stunde war kalkuliert, eine halbe gehofft, anderthalb sind schon vergangen und immer noch wehrt sich der leblose Körper gegen sein Schicksal. „Die Fische werden Dich lieben. Immerhin die.“ Das leise Kichern wird von den feuchten Kacheln absorbiert.
Den Kopf abzutrennen war nach den anfänglichen Schwierigkeiten ein Kinderspiel. Nur der Skalp hätte etwas sauberer von der Schädeldecke gelöst werden können. Wie die Indianer das wohl immer so schön hinbekommen haben? Wahrscheinlich fehlt nur die Routine. Dafür saßen die Schneidezähne lockerer als gedacht. Bei den Backenzähnen war es einfacher, sie mit dem Wantenschneider zu zertrümmern, als sie zu ziehen. Der Wantenschneider? Oh Gott, wie blöd muss man eigentlich sein? Natürlich. Der muss doch auch die Wirbelsäule knacken können.
Zwanzig Minuten später ist alles eingetütet. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die Leichenteile, eingewickelt in die Malerplane, sehen aus wie frisch verpacktes Fleisch in der Kühltruhe. Ein Lächeln huscht über das Gesicht, dann schnippt ein Zeigefinger durch das Plastik gegen die rechte Brustwarze des Torsos. „Waren sicherlich auch schon mal fester.“ Dann kommen die Leichenreste in die grünen Segelsäcke. In dem kleineren, in dem mal das Großsegel verstaut war, stecken die Beine samt Becken, in dem größeren, einst bestimmt für die Genua, der Oberkörper samt Armen. Nur der Kopf passt in keinen der beiden Säcke mehr hinein. „Mist!“
Die abgetrennten Finger schwimmen in einem Einwegglas mit Formaldehyd, die blutigen Zähne und die Reste des Gebisses klappern in einem Gefrierbeutel mit Zippverschluss, der abgetrennte Kopf ruht in einer Einkaufstasche aus dem Supermarkt, gut verklebt mit Gaffer-Tape.
Wie praktisch diese Segelsäcke mit ihren Trageschlaufen doch sind, wie für den Leichentransport gemacht. Zum Balkon, der freie Sicht aufs Meer bietet und somit uneinsehbar ist von den benachbarten Grundstücken, sind es wenige Meter über den Flur und durch das Wohnzimmer. Die Leichenteile müssen wirklich gut verpackt sein. Die Segelsäcke ziehen keine Spuren über den Boden.
Der Blick wandert über das Meer. Es ist erst eine Stunde nach Sonnenuntergang, aber schon stockdunkel. „Das Schicksal meint es eben gut mit mir“, murmelt die Stimme. „Neumond. Wie perfekt!“
Die Seesäcke plumpsen kurz nacheinander dumpf auf den Sandhaufen unter dem Balkon, direkt neben den Leihwagen, dessen Kofferraum bereits mit Plane ausgelegt ist. Mühelos passen sie in den Wagen neben den Heckanker mit der zehn Meter langen Eisenkette und dem Seil. Das blutige Werkzeug, mittlerweile ebenfalls in Folie eingewickelt, passt auch noch rein. „Herrlich. Das läuft ja alles wie am Schnürchen.“
Zurück im Apartment wartet aber noch Arbeit. Das Badezimmer sieht aus, als wäre dort eine Ziege geschächtet worden. „Hahaha, guter Vergleich! Ist ja auch“. Aber wie praktisch diese türkischen Badezimmer gebaut sind. Bis unter die Decke gekachelt, in der Mitte des Raums ein Abfluss, der Duschschlauch lang genug, um den ganzen Raum von oben bis unten mit heißem Wasser abzuspülen. Der Massagestrahl geht wie ein Kärcher über die Kacheln, das Blut mischt sich mit Wasser und versickert gurgelnd im Abfluss. Nachdem der Raum auf den ersten Blick sauber wirkt, folgt Schritt zwei. Pfft, Pfft, Pfft. Mit der Sprühflasche lässt sich mühelos das Reinigungsmittel für den Fäkalientank, die beißende Chlorlösung, verteilen. Kurz einwirken lassen, absprühen, fertig. Dann kann es losgehen.
Nur noch kurz die Ferienwohnung aufräumen, damit es ja keine Beschwerden gibt, man will ja schließlich ein guter Gast sein, dann den gepackten Koffer nehmen, den Schlüssel auf den Wohnzimmertisch legen, Tür zuziehen und fertig. Dann steht dem neuen Leben endlich nichts mehr im Wege. Fast nichts.