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Von freien und unfreien Künstlern: Vaganten, Musikanten, Komödianten

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»Wie, Herr Landgraf? Sie rümpfen die Nase ob deutscher Bühne? Sie sollen eine Lektion zum Umlernenkriegen!«

(Friedrich Ludwig Schröder in den Mund gelegt von Hilde Knobloch in: »Der Feuergeist«, Graz 1941)

»... wenn wir Deutsche ... im Ernst anfangen würden, deutsch zu reden, deutsch zu handeln, deutsch zu denken und gar deutsch zu singen ...«

(Wolfgang Amadé Mozart in einem Brief an seinen Vater)

Mozart und Schröder erlebten in ihren jungen Jahren Musik, Theater, Ballett noch als exklusives höfisches Vergnügen, welches sie bedienen (oder von Ferne wahrnehmen) mussten. Sie machten die Erfahrung, dass Darsteller, Sänger, Tänzer und Musiker vom Wohlwollen, der Lust und Laune der Könige und Fürsten lebten, die sich eigene Hoftheater und die dazugehörigen Künstler »leisteten«. Berufsziel aller junger Künstler war damals ein festes höfisches Engagement mit regelmäßigen Einkünften.

Bürgerliche und öffentliche Opernhäuser waren im deutschsprachigen Raum die große Ausnahme (Hamburg). Zur Jahrhundertwende vom 17. zum 18. gab es hierzulande neben ungezählten »Hoftheatern« lediglich drei »öffentliche und populäre«, das heißt städtisch oder privatwirtschaftlich finanzierte, Opernhäuser, die für jedermann zugänglich waren.

Das autonome Sprechtheater war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht in Sicht- und Hörweite. Immerhin hat der junge Theologiestudent Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) schon 1747 ein Stück für die Wanderbühne der »Neuberin« (Friederike Caroline Neuber, 1697–1760) geschrieben. Der »Literaturpapst der Aufklärung«, Johann Christoph Gottsched (1700–1766), steht mit den Genannten Mitte des 18. Jahrhunderts für die ersten im Volke wahrnehmbaren »theatralischen« Bemühungen außerhalb der höfischen Szene. Gegen Ende des Jahrhunderts gab es dann schon mehr als 80 feste Theater. Welch rasante Entwicklung!


»The laughing Audience«, Stich von William Hogarth

Zu den »Vaganten« (von lat. »Umherziehende«) hatte man im deutschen Mittelalter auch gelehrte Bohèmians, Dichter, Schauspieler, Minnesänger und Troubadoure gezählt. Als »Konkurrenz« zu höfischer Musik, Sprache und Thematik bot das umherziehende »fahrende Volk« leichte weltliche Stoffe und volkstümliche Musik für alle. Ein mühsames Geschäft.

Das hatte sich in den deutschen Landen bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts nicht wesentlich geändert. Musiker zogen tingelnd umher, Wanderbühnen brachten vor allem anspruchslose »Haupt- und Staatsaktionen« (wie Gottsched das nannte) auf die Bühne vor den Toren der Stadt, Räuberdramen und klamaukartige Lustspielchen. Der »Hanswurst« gehörte ebenso zwingend dazu, die Zuschauer bei Laune zu halten, wie Akrobaten und Possenreißer.

Schauspieler hielt man für Vagabunden. Sie mussten ein sozial ungesichertes und meist auch karges Leben führen. »Musikanten und Comödianten – eins ist Pack wie das andere« (zeitgenössisches Vorurteil, zitiert nach Hermann Schwedes, Bonn, 1993).

Das deutsche Theater hat keine Ahnenreihe wie das italienische, das französische oder etwa das englische (Shakespeare), vom griechischen Theater der Antike ganz zu schweigen. Aber das ist eine eigene Geschichte. Ein eigenständiges deutsches Theater steht zeitlich in der europäischen Kulturgeschichte weit hinten. Man bedenke, dass Gotthold Ephraim Lessing noch 1768 den, wie er sagte »gutherzigen Einfall« aufgeben musste, »den Deutschen ein Nationaltheater zu verschaffen«. Er scheiterte auch, weil »wir Deutsche noch keine Nation sind«.

Wie konnte sich unter diesen Umständen dennoch eine »deutsche« Kulturszene entwickeln? Bezeichnend ist, dass Lessing überhaupt der Erste war, der ein »deutsches Drama« auf die Bühne gebracht hat (1755), bei dem ein bürgerlicher Mensch im Mittelpunkt des Geschehens steht. Schiller hatte seine Gedanken zum Theater als »moralischer Anstalt« für das Volk, das heißt: für alle, zu diesem Zeitpunkt noch nicht formuliert.


»Die Komödianten sind da (1770)«, Druckgrafik, 1897

Zur europäischen Theatergeschichte gehört, dass die deutschen Wanderbühnen noch die italienische »commedia dell’arte« ins 18. Jahrhundert hinein transportiert haben. Sie hatten freilich auch schon englische Dramen im Gepäck.

Eigenmächtig ließen sie solche Stücke zur Freude des Publikums happy enden. Und wenn dann immer noch niemand gelacht hatte, kamen die Komiker mit Seil- und Grotesk-Tanz.

So eine Wanderbühne war vor allem eine »Schaubühne«. Das Auge sollte unterhalten werden, Verstehen war meist weniger wichtig.

Zwar haben einige der Wanderbühnen versucht, auch Inhalte zu vermitteln doch: »Marktwaren sind Spektakelopern, Schauspiele halb zum Lachen, halb zum Weinen, zwischendurch mal ein Shakespeare-Stück, alte Lustspiele. Alle anderen Waren werden nicht gekauft.« (Friedrich Ludwig Schröder)

Die Geburt des seriösen Sprechtheaters hatte unter dem Einfluss des Genies Shakespeare schon über hundert Jahre vor Schröder in England stattgefunden, wenn auch Schröder als der erste und prägende Shakespeare-Interpret in den deutschen Landen gilt. Die englische Vorgabe, Theater zu denken und dramaturgisch zu gestalten, blieb für die deutschen Adepten und Interpreten noch lange Zeit Beispiel und Richtschnur. Etwas Eigenes zu schaffen, war die große Herausforderung.

In diese Herausforderung wuchs eine neue Generation hinein. Gesellschaftlich, aber auch literarisch, kompositorisch und interpretatorisch.

Schröders Geist und Mozarts Noten

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