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Kindheit in »aufgeklärten« Zeiten: Kind sein und Mensch werden

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»Die Ideale der Aufklärung, welche sich in dieser Zeit europaweit ausbreiteten, entsprachen in vieler Hinsicht jenen der Freimaurer … Die Logen boten einen Freiraum, in dem ohne Eingreifen von Kirche und Obrigkeit Meinungen geäußert und Ideale diskutiert werden konnten.«

(Susanne B. Keller: »Königliche Kunst – Freimaurerei in Hamburg seit 1737«)

»Aus seinem Interesse an der allgemeinen Erziehung zu Vernunft und Tugend heraus ordnete (er) dem Schauspiel die pädagogische Funktion zu, aufklärerische Grundsätze zu vermitteln; der Schauspieler sollte nicht mehr nur der Volksbelustigung dienen, sondern wie der Dichter auch Lehrer des Volkes sein.«

(Christian Hannen über Johann Christoph Gottsched, 1700–1766, in: »Zeigtest uns die Warheit von Kunst erreichet«, Münster 2004)

Die hehren Gedanken der Aufklärung im 18. Jahrhundert waren noch nicht so stark, dass sie etwa auf Eltern einwirken konnten, ihre Kinder zu Vernunft, Toleranz oder zum eigenen selbstbewussten Denken zu erziehen. Das sollte dauern (und dauert immer noch).

Die Aufklärung fühlte sich zwar revolutionär an, war aber evolutionär ausgelegt (deswegen bleibt sie wohl auch zeitlos aktuell).

Bei der Kindererziehung stand noch lange Zeit althergebrachte Ordnung und Disziplin im Vordergrund. Unter Erziehung verstand man im 18. Jahrhundert Belehrung, unterstützt durch Züchtigung und Strafe. Kinderspiel mit Gleichaltrigen war keineswegs so unbeschwert, wie es heute denkbar ist. Über kindgerechte Freizeit wissen wir kaum etwas. Kindersterblichkeit war tragischerweise noch weit verbreitet. Auch von Mozarts sechs Kindern überlebten nur zwei das Säuglingsalter.

Erst allmählich wurde im 18. Jahrhundert so etwas wie eine Schulbildung möglich. Kinderarbeit war üblich und im Verständnis der Zeit auch für viele Eltern in Landwirtschaft und Handwerk existenznotwendig.

Die Erziehung in den oberen Ständen lief »auf eine Abrichtung zu gewissen äußeren Formen hinaus. Der gemeine Mann hatte nicht mehr zu lernen als Gehorsam« (Max von Boehn: »Menschen und Moden im 18. Jahrhundert«, 1909). Auch »Bildung« war meist ein Produkt des Gehorsams. Die Gesellschaft entließ die jungen Leute in einem Alter ins Leben, in dem sie nach heutiger Auffassung noch Kinder waren.

Beim Adel wie beim Bürgertum dominierte der Vater als Entscheider, »Gebieter« und Oberhaupt der Familie. Kinder wurden im 18. Jahrhundert schon in ihren ersten Lebensjahren zum Herrscher, zum Offizier, zum Handwerker oder zum Bauern »bestimmt« und entsprechend »erzogen«. Etwaige Begabungen oder Neigungen blieben meist unberücksichtigt.

Aber wie war das eigentlich bei Künstlern? Bei einer Berufsgruppe, die im hohen Maße von Begabung abhängig ist, die es aber als Profession ohne höfische oder kirchliche Arbeitgeber noch gar nicht gab?

Mozart und Schröder sind direkt ins Künstlertum hineingeboren und hineingewachsen. Der eine als »Wunderkind«, der andere als wilder Spross von Komödianten. Dass aus beiden prägende historische Persönlichkeiten werden konnten, gehört zu den Phänomenen einer Zeitepoche, in der Kunst und Kultur erst noch laufen lernen mussten.

Schröders Geist und Mozarts Noten

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