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VORWORT
ОглавлениеDie ideale Form der musikalischen Biografie muss erst noch erdacht werden. Ein wesentlicher Bestandteil auf dem Weg dahin ist die hörbare Präsenz der Musik selbst. Das Notenbild ist kein Ersatz für Musik. Nur eine Minderheit von Musikliebhabern kann heutzutage eine Partitur lesen, noch weniger können diese in ihrem Kopf zum Klingen bringen, ohne ein Instrument (meist Klavier oder Gitarre) zu Hilfe zu nehmen. Insofern war die Erfindung der CD ein Glücksfall für den Musikschriftsteller. Wo über Kunst und Literatur Schreibende bereits seit Langem zitieren können, indem sie den Originaltext oder die bildliche Wiedergabe abdrucken, mussten über Musik Schreibende auf unzureichende verbale Umschreibungen zurückgreifen. Dann kam die CD hinzu, buchstäblich kompakt, die leicht in die Umschlagklappen passte und das Problem löste. Im vorliegenden Fall haben wir uns entschieden, nur vollständige Werke, Sätze oder in sich geschlossene Abschnitte aufzunehmen, sodass die CDs nicht nur in Verbindung mit dem Text gehört werden können, sondern auch rein zum Vergnügen. Text und Musik ergänzen sich hoffentlich gegenseitig, in welchem Verhältnis auch immer.
Dieses Buch richtet sich besonders an das breite Publikum und setzt beim Leser kein formales musikalisches Wissen voraus. Das Verhältnis von Biografie zu musikalischem Kommentar besteht in etwa 2 : 1 zugunsten der Ersteren. Fachtermini werden im Glossar erklärt. Die Musik wird nicht in einem getrennten Abschnitt behandelt, wie sonst in konventionellen Leben-und-Musik-Formaten üblich, sondern in einer Reihe von „Zwischenspielen“, die sich mit den biografischen Kapiteln abwechseln, sodass die Leser sich für eine ununterbrochene Geschichte entscheiden und später zu den ausdrücklich musikalischen Diskussionen zurückblättern können. Diese musikalischen Zwischenspiele sind in keinem Falle analytisch. Sie kommen einem nach Gattungen gegliederten Abriss von Mozarts riesigem Schaffen gleich und enthalten auch biografisches Material. Sie können in beliebiger Reihenfolge gelesen werden, jedoch wurden sie so eingeordnet, dass sie sich aus den erzählenden Kapiteln entwickeln, die ihnen vorangehen (und die selbst nicht ohne musikalischen Kommentar sind).
Um fantasievolle Inszenierungen, die so viele Biografien verschandeln, zu vermeiden, habe ich versucht, dem Buch die Unmittelbarkeit eines Romans zu verleihen, indem ich den Protagonisten wann immer möglich erlaube, die Geschichte mit eigenen Worten zu erzählen. Sie geben eine weitaus reichere und faszinierendere Schilderung der Charaktere und ihrer Zeit als jede subjektive „Interpretation“. Nichtsdestoweniger ist Interpretation unvermeidbar: Allein die Auswahl von Zitaten ist zwangsläufig ein Akt der Interpretation, bevor der Kommentar selbst beginnt. In einem passiven Sinne gilt das auch für die Reaktionen des Lesers. Es gibt in Biografien keine absoluten Wahrheiten über die sachliche Richtigkeit hinaus. Dieses Buch ist als nicht mehr als eine Einführung konzipiert, jedoch als Einführung zu einer endlosen Geschichte. Niemand kann alles sagen, was es über Mozart zu sagen gibt. Es sieht auch nicht so aus, dass seine Musik nach mehr als zwei Jahrhunderten seine Kraft zu bewegen, zu bezaubern, zu inspirieren, zu trösten je verlieren wird. Er ist ein Begleiter fürs Leben.