Читать книгу Lovely Hunter - Jessica Fuchs - Страница 4
Prolog
ОглавлениеAls Kayla endlich Feierabend hat und die Tür des Personaleinganges hinter sich ins Schloss zieht, ist es draußen schon fast dunkel.
Es dauert eine Weile, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben. Der Wind, der in sanften Brisen um die Ecken weht, ist kühler geworden. Bevor sie zu ihrem Wagen geht, stellt sie den kümmerlichen Kragen ihrer Sommerjacke auf, um ihr blankes Genick vor dem unangenehmen Wind zu schützen. Kayla fröstelt ein wenig, atmet einmal tief durch und geht starken Schrittes zum Parkplatz hinter dem Bankgebäude, auf dem sie am Morgen ihren Wagen geparkt hat. Dabei sträuben sich ihr die Nackenhaare bei jedem Schritt. Da sie an diesem Abend so ziemlich die Letzte ist, die das Gebäude verlässt, ist der Parkplatz fast leer. Nur noch ein paar Meter trennen sie von ihrem Geländewagen, als sie ihr Schlüsselbund aus der Jackentasche zieht und stehen bleibt. Ein eiskalter Schauer nach dem anderen jagt ihr den Rücken hinunter. War da etwas? Ein Schatten? Kayla spürt, dass etwas passieren, dass sie beobachtet wird. Jede Faser ihres Körpers ist zum Zerreißen angespannt, das Adrenalin schießt durch ihren Körper. Ihre Finger schließen sich wie von selbst fester um ihren Wagenschlüssel, der handlich in ihrer Faust verborgen liegt.
Auf einmal springt ein maskierter Mann hinter einer Limousine hervor, die direkt vor ihr parkt. In seiner Rechten blitzt im fahlen Mondlicht eine scharfe Klinge auf. Kayla reagiert reflexartig. Mit einem gezielten „Tornado-Kick“ befördert sie die Waffe auf die andere Seite des Parkplatzes. Für einen kurzen Moment blickt der Fremde sie irritiert an, während Kayla nicht mehr darüber nachdenkt, was sie da gerade tut. Wie in Trance bricht sie ihm schließlich mit einer einzigen, ruckartigen Bewegung das Genick bricht. Leblos sackt die unbekannte Person zusammen. So schnell wie der Angriff begonnen hat ist er auch schon vorbei und Kayla weicht atemlos, schockiert über ihre Tat, zurück. Sie kann noch nicht richtig realisieren, was sie soeben getan hat.
„Kayla, Kayla, Kayla. Wie ich sehe, haben Sie Ihre Lektionen noch nicht verlernt. Das freut mich“, sagt plötzlich hinter ihr eine männliche Stimme. Erschrocken wirbelt sie herum, bereit ihr Leben auf ein Neues zu verteidigen und erblickt, etwa zehn Meter von ihr entfernt, einen Mann, dem sie vor sehr langer Zeit schon einmal gegenübergestanden hat. Er ist groß, etwa einen Meter achtzig und besitzt breite Schultern. Mehr Details bleiben ihr verborgen, aber sie erkennt ihn trotzdem. Kayla steht da wie angewurzelt. Sie fühlt deutlich ihr Blut durch die Pulsadern rauschen und ihr Herz hämmert wie wild in ihrer Brust.
„Sam“, haucht sie ungläubig.
„
Es freut mich, dass Sie sich an mich erinnern“, entgegnet Sam. Ob er lächelt
oder sie todernst ansieht, vermag sie in der Dunkelheit nicht auszumachen. Er kommt mit ausgreifenden Schritten zu ihr herüber und sagt langsam: „Ich hoffe, Sie wissen, dass dieser Kerl hier Sie ernsthaft hätte verletzen können, wenn er nicht so unglaublich dämlich gewesen wäre. Aber deswegen bin ich nicht hier. Der Sir schickt mich. Ich soll mit Ihnen etwas Wichtiges besprechen.“ Mit diesen Worten deutet er auf ihren Wagen. Wiederwillig geht sie zu ihrem Wagen und schließt die Türen auf. Dabei zittern ihre Finger ein wenig.
Sam nimmt ohne Aufforderung auf dem Beifahrersitz Platz. Sie fühlt sich furchtbar, als sie den Zündschlüssel ins Schloss steckt und den Wagen an lässt, um diesen grausamen Ort endlich zu verlassen. Dabei wirft sie einen nervösen Blick in den Rückspiegel. Kalte Schweißperlen stehen auf ihrer Stirn.
„Machen Sie sich um den keine Gedanken. Fahren Sie stadtauswärts, Richtung Ventura“, sagt Sam nur, als er ihren Blick bemerkt.
„Okay“, antwortet Kayla nur, wirklich darum bemüht, gelassen zu klingen, und blickt konzentriert auf die Straße. Ihr Körper ist noch immer angespannt wie eine Bogensehne.
„Wir haben lange nichts von Ihnen gehört. Was haben Sie gemacht?“, fragt Sam mäßig interessiert.
„Gearbeitet. In der Bank“, antwortet Kayla rasch, den Blick stur auf die Straße gerichtet.
„So so, gearbeitet. Und, wie geht es Ihnen?“, fragt Sam weiter.
„Gut“, lügt Kayla. Ihr ist schlecht, sie möchte sich am liebsten sofort übergeben.
Viele Minuten des Schweigens vergehen. Nur ab und zu brummt Sam eine neue Anweisung, die den Wagen immer weiter ins nirgendwo bringen. Bis sie schließlich nach scheinbar endloser Fahrt an einem Punkt irgendwo zwischen den Orten Ojai und Lake Hughes erreichen.
„Was mache ich hier eigentlich?“, fragt sie sich, doch folgt brav Sams Anweisungen. Plötzlich zeichnet sich schemenhaft etwas in der Ferne, am Horizont ab. Kayla wirft Sam unsicher einen fragenden Blick zu. Er nickt bestätigend. Ein dicker Kloß schnürt ihr die Kehle zu, aber sie hält tapfer darauf zu. Dann tauchen in der Dunkelheit bewaffnete Männer auf, die wie Soldaten postiert stehen. Das Scheinwerferlicht gleitet nur kurz gespenstisch über ihre Körper. Kayla zuckt beim Anblick des ersten Wachpostens, dem mit seinem Nachtsichtgerät auch bei Dunkelheit nichts entgeht, ein wenig zusammen, hält den Wagen aber gerade.
„Nervös?“, fragt Sam. Daraufhin geht Kayla voll in die Eisen, da vor ihr auf einmal ein Mann im Scheinwerferlicht steht und ihr ein klares Handzeichen zum Anhalten gibt. Neben ihm stehen zwei weitere Männer mit Maschinengewehren im Anschlag, das Fahrzeug genau im Visier. Einen Moment starrt sie den Unbewaffneten völlig schockiert an, dann löst sievorsichtig ihre verkrampften Finger vom Lenkrad, lässt sich auf ihrem Sitz zurück in die Lehne fallen und schließt für einen Moment ihre Augen, um ihr rasendes Herz zu beruhigen. Ihre Nerven werden heute wohl auf eine harte Zerreißprobe gestellt. Doch als es plötzlich an ihrer Seitenscheibe klopft, fährt sie vor Schreck zusammen und murmelt kaum hörbar irgendwelche Verwünschungen vor sich hin. Sam, der sich das ganze Schauspiel gelassen mit angesehen hat, murmelt nur: „Lassen Sie jetzt bitte die Scheibe herunter.“
„Was? Die Scheibe?“, entgegnet Kayla, die etwas blass im Gesicht aussieht. Sam nickt und Kayla gehorcht. Mit zitternden Fingern drückt sie auf den Knopf, der die Scheiben mit einem unheimlichen Surren herabsenkt. Kaum ist das verdammte Glas verschwunden, leuchtet einer der Bewaffneten mit einer Taschenlampe erst in die Gesichter der Insassen, dann ins Wageninnere. Kayla kneift instinktiv die Augen zu.
„In Ordnung, weiterfahren“, schnauzt der Unbewaffnete schließlich. Das grelle Licht erlischt augenblicklich. Dankbar blinzelt Kayla in die Dunkelheit und lässt die Scheibe wieder herauffahren, bevor sie den Wagen, den sie vor Schreck abgewürgt hat, wieder anlässt und im Schneckentempo weiterfährt. Wer weiß, ob nicht noch jemand vorhat, aus heiterem Himmel vors Auto zu springen.
„Was mache ich hier eigentlich?“, fragt sie sich erneut und kann sich einfach nicht zum Widersprechen durchringen. Sam lotst sie zu einer Ansammlung von großen und kleineren Zelten, die den Eindruck einer notdürftig errichteten Militärbasis erwecken. Aber was soll das? Aus der Dunkelheit löst sich die Silhouette eines Mannes, der offensichtlich auf sie gewartet hat. Kayla bremst sanft und wartet angespannt ab. Sam steigt ohne ein Wort aus und marschiert energischen Schrittes auf den Mann zu. Der Lichtkegel einer Taschenlampe wird kurz auf ihn gerichtet und erlischt wieder. Die beiden Personen unterhalten sich kurz. Kayla beobachtet die beiden und wagt es kaum zu atmen.
Da sie nicht folgt, kommt Sam zu ihrem Wagen zurück, öffnet die Tür der Fahrerseite und sagt: „Kommen Sie bitte. Ich habe nicht ewig Zeit.“
Kayla schluckt schwer, als sie den Wagen an die Seite fährt, den Motor abstellt und wie in Zeitlupe fröstelnd aussteigt. Lauter Fragen sind bei ihr während der Fahrt entstanden. Nun hofft sie auf Antworten. Ihre Glieder sind schwer wie Blei und doch zwingt sie sie dazu, ihr zu gehorchen. Widerwillig schnaubend folgt sie Sam, der vorausgeht. Kayla spricht kein Wort, aus Angst etwas Falsches zu sagen. Gespenstisch fremd leuchten alle vier Lichter der Warnblinkanlage auf als, die Zentralverriegelung die Türen des Geländewagens über die Schulter hinweg, mit der Fernbedienung am Schlüsselbund, verschließt. Es ist furchtbar still um sie herum, still und einsam. Nur Fackeln, die in den staubigen Boden getrieben wurden, erhellen das Gelände ein wenig. Wären die Umstände ihres Aufenthaltes andere, so könnte durchaus Zeltlagerstimmung aufkommen. Darum gelingt es Kayla, etwas von ihrer Unsicherheit abzuschütteln und Sam bis zu einem der kleineren Zelte zu folgen. Nur diese Ungewissheit, was als Nächstes passieren wird, macht sie etwas nervös. Sie hasst diese Gefühle. Sie kommt sich so machtlos vor, so verletzlich.
Der Zelteingang wird von zwei bewaffneten Unbekannten flankiert. Sie nicken Sam kurz zu und lassen sie eintreten. Noch immer herrscht eisiges Schweigen, aber hier im Zelt ist es angenehmer als draußen. Auf einem großen Klapptisch steht ein aufgeklapptes Notebook, daneben dampft eine Tasse Kaffee aus einer Isolierkanne. Irgendwelche Papiere liegen scheinbar wahllos daneben sowie eine Landkarte. Vielleicht von diesem Gebiet, mutmaßt Kayla. Schwache Lampen sind ins Gerüst des Zeltes eingehängt und geben ein wohltuendes, irgendwie beruhigendes Licht ab. Sam lässt sich auf dem Klappstuhl hinter dem Notebook nieder und bittet Kayla mit einer bloßen Geste, auf einem der freien Plätze Platz zu nehmen. Sie zögert einen Augenblick, bevor sie sich langsam auf einen Stuhl ihm gegenübersetzt. Sam beachtet sie nicht weiter und scheint etwas am Notebook zu bearbeiten. Kayla wird langsam immer nervöser. Sein Gesicht ist völlig ausdruckslos, sodass sie keine Ahnung hat, was er von ihr will. Sie weiß bisher nur, dass er vom Sir geschickt wurde, wie damals, als sie sich das erste Mal begegnet sind und das ist schon sieben Jahre her, aber Kayla hat sich damals genauso schlecht gefühlt wie heute.
Leise gleitet das Zelt auf, eine Frau mittleren Alters betritt den Raum. Sie bringt wortlos frischen Kaffee und verschwindet wieder. Als sie weg ist, schaut Sam auf, schenkt Sam wortlos in eine Tasse ein, die er zu Kayla schiebt, ehe er zu sprechen beginnt: „Sie sehen verunsichert aus. Sie fragen sich bestimmt, wo Sie sind, was Sie hier sollen und was der Sir von Ihnen will. Zucker und Milch?“ Kayla nickt zögerlich.
„Nun ich sagte bereits, dass ich nur mit Ihnen reden soll. Sie erinnern sich sicher an unsere erste Begegnung in Deutschland? Sie sind da in eine ziemlich dumme Sache hineingeraten. Sie haben Menschen getötet und uns einige Unannehmlichkeiten bereitet. Ich hoffe, Sie wissen noch, was ich Ihnen dazu gesagt habe“, sagt Sam. Kayla nickt betreten, aber schweigt. Sie muss unweigerlich an den Toten auf dem Parkplatz der Bank zurückdenken und knetet nervös ihre Finger.
„Dieser Mann, der heute Abend auf dem Parkplatz gestorben ist, ist ein weiterer Mord, der nicht ungesühnt bleiben wird. Sie wissen, was ich sagen will“, fährt Sam fragend fort.
„Ja“, entgegnet sie nur, dabei bemüht sie sich, nicht auf ihre unruhigen Hände zu starren, auch wenn es ihr unendlich schwerfällt. Um davon abzulenken, nippt sie lieber an ihrem heißen Kaffee.
„Gut. Ich nehme an, Sie wissen auch, worauf ich hinaus will?“, fragt Sam weiter.
„Ich denke schon, aber ich habe mich damals doch nur darauf eingelassen, um mich verteidigen zu können, nicht um … um nicht selber getötet zu werden“, entgegnet Kayla sorgenvoll.
„Können Sie sich vorstellen, dass es ein Fehler gewesen sein könnte, bei uns mit einer Ausbildung überhaupt zu beginnen?“, wirft Sam ein.
„Ja, das ist es gewesen“, antwortet Kayla fast ein wenig trotzig. Ihr kommt das alles gerade sehr irreal vor.
„Wie können Sie sich da so sicher sein? Hätten Sie sich damals nicht so entschieden, dann würden Sie jetzt nicht mehr leben. Denken sie besser noch einmal darüber nach, dann wird Ihnen die Entscheidung auch diesmal leicht fallen. Wir können Ihnen helfen. Wir wollen doch nicht Ihr hübsches Köpfchen riskieren, oder?“, fragt Sam. Kayla schluckt wieder schwer und der Kloß in ihrem Hals schnürt ihr die Kehle noch etwas fester zu. Schweigen tritt ein. Sam greift zu seiner Tasse und nimmt einen Schluck, bevor er sie behutsam wieder absetzt.
„Also gut. Ich nehme Ihr Angebot an“, entgegnet Kayla dünn nach ein paar Minuten Bedenkzeit, aus Angst, dass sich die Hetzjagd von damals wiederholt.
Sam meint zufrieden: „Gut. Ich habe nicht daran gezweifelt, dass Sie sich richtig entscheiden. Damit gehören Sie nun offiziell als Anwärterin zur professionellen Auftragskillerin zu den „Canadian Hunter“. Der Sir wird sich über Ihre Entscheidung freuen.“