Читать книгу Soulmates: Ruf des Schicksals - J.L. Langley - Страница 7
Kapitel 1
Оглавление»Doktor Winston?«
Chay setzte gerade den letzten Stich bei Mrs. Prestons Katze Bitsy und sah erst zu seiner Sprechstundenhilfe auf, als er fertig war. »Ja, Cheryl?«
»Der Wildhüter ist hier. Er hat einen Wolf dabei und möchte mit Ihnen reden. Er sagt, es ist dringend.«
Was in aller Welt konnte Frank Red Hawk wollen? Für gewöhnlich lieferte er die verletzten Tiere nur hier ab und ging dann wieder. »Okay, ich bin gleich da.« Er bedachte Tina, seine Assistentin, mit einem Lächeln. »Kannst du das hier fertig machen?«
Tinas braune Augen zwinkerten ihn über den Mundschutz hinweg an. »Kein Problem, Boss.«
Chay ging nach draußen, konnte sich aber nicht verkneifen, über ihre Überschwänglichkeit zu schmunzeln. Tina liebte ihre Arbeit. Sie hätte die komplette Operation allein durchgeführt, wenn er sie gelassen hätte. Er wusch sich und ging dann zum Empfang.
Der Wildhüter tigerte unruhig auf der anderen Seite des Tresens auf und ab und nagte an seiner Unterlippe. Verdammt. Irgendetwas schien absolut nicht in Ordnung zu sein. Chay ging um den Tresen herum.
Frank stürmte regelrecht auf ihn zu. Er packte ihn bei den Schultern, beugte sich zu ihm vor und flüsterte, sodass nur Chay es hören konnte: »Chay, ich hab einen Wolf aufgelesen. Einer deiner Assistenten hat ihn in einen Raum gebracht. Aber ich muss mit dir reden.« Bedeutungsvoll hob er eine Augenbraue und sah sich um. Als sein Blick auf Cheryl traf, räusperte er sich. »Können wir in dein Büro gehen?«
»Na klar. Hier entlang.« Chay führte den älteren Mann in sein Büro und schloss die Tür hinter sich. Er durchquerte den Raum und setzte sich auf die Kante seines Mahagonischreibtisches. »Was ist los, Frank?«
»Der Wolf ist einer von uns, Chay. Ich war heute Morgen draußen, weil jemand Wilderer gemeldet hatte. Ich hab mehrere Patronenhülsen gefunden, bevor ich ein Winseln gehört habe. Da lag ein Wolf in der flachen Senke nördlich des Reviers von unserem Rudel. Also bin ich zurück und habe mein Betäubungsgewehr geholt. Ich habe abgedrückt, bevor mir klar wurde, dass es ein Werwolf ist. Aber die Sache ist die, Chay: Der Wolf gehört nicht zu unserem Rudel. Er ist weiß. Ich mein sein Fell… er hat weißes Fell und ist ziemlich klein… vielleicht ein Teenager.«
Mit Daumen und Zeigefinger zupfte Chay an seiner Unterlippe. »Warum haben die Wilderer ihn nicht mitgenommen?«
Frank zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Ich schätze, sie haben es mit der Angst zu tun bekommen.«
»In welcher Verfassung ist der Wolf?«
»Er hat eine Kopfverletzung, sieht aber nicht allzu ernst aus. Eine Kugel konnte ich nicht entdecken. War wohl nur ein Streifschuss. Du weißt selbst, wie übel die bluten können, aber es sieht nicht besonders tief aus. Der Schädel wurde mit ziemlicher Sicherheit nicht verletzt, aber der Blutverlust ist wahrscheinlich groß genug, um die Rückverwandlung ziemlich schwierig zu machen.«
Chay nickte. Das klang plausibel. Obwohl es auch an der Orientierungslosigkeit liegen könnte. Die Verwandlung zurück in Menschengestalt würde die Wunden schließen, aber ein Kopftreffer konnte das Bewusstsein trüben und man musste sich für die Rückverwandlung ziemlich konzentrieren.
Frank lehnte sich in dem großen Ledersessel vor Chays Schreibtisch zurück. Er krallte sich so fest ins Polster, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. »Ich mache mich gleich auf den Weg zur Reservatspolizei. Danach erstatte ich John Carter Bericht.«
Chay nickte. John Carter war der Alpha ihres Rudels. Von solchen Dingen musste er unterrichtet werden. »Ja, mach das. Ich hab ein ungutes Gefühl dabei. Wir können verdammt noch mal keine Wilderer in unserem Revier gebrauchen. Dass letzte Nacht Vollmond war, macht es umso beunruhigender.«
»Ja, das war auch mein Gedanke.«
»Gut. Ich sehe dann besser mal nach meinem neuen Patienten.« Chay stieß sich von der Tischkante ab und reichte dem Wildhüter die Hand.
Frank schüttelte sie. »Vielen Dank, Doc. Halt mich auf dem Laufenden, wie unser kleiner Patient sich macht.«
»Mach ich, Frank.« Chay öffnete die Tür und begleitete Frank in Richtung Ausgang. Am Empfang machte er Halt. »Cheryl, wo ist der Wolf, den der Wildhüter reingebracht hat?«
»Untersuchungsraum vier, Dr. Winston. Tommy hat ihm einen Maulkorb angelegt, aber er steht ziemlich neben sich. Ich bezweifle, dass er einen braucht.«
»Gut. Ich seh mal nach ihm.«
»Dr. Winston?«
Chay drehte sich um. »Ja?«
»Bob McIntyre hat angerufen und bittet Sie, ins Reservat rauszukommen, um seine neue Stute anzusehen. Er glaubt, sie könnte trächtig sein.«
Er nickte und warf einen Blick auf seine Uhr. Es war fast Mittag. Heute war sein kurzer Arbeitstag, also würde er um 12:30 Uhr Schluss machen. Er ließ seinen Blick durch den leeren Wartebereich schweifen, ehe er sich wieder an Cheryl wandte. »Haben wir heute noch Termine?«
Sie sah im aufgeschlagenen Kalender vor sich nach. »Nein. Wenn nicht noch jemand reinkommt, sind wir für heute fertig.«
»Okay. Dann dreh schon mal das Schild auf Geschlossen und ruf dann Bob an. Sag ihm, ich schaue auf dem Nachhauseweg bei ihm vorbei.«
»Jawohl, Sir.«
Chay verließ den Empfang. Da war noch ein Wolf, um den er sich kümmern musste.
Er bog gerade um die Ecke, als Tina aus dem OP kam. »Hey, Chay. Bitsy erholt sich gerade.«
Sie hob die Hand und Chay schlug ein. »Gut gemacht, Tina. Du kannst für heute Schluss machen. Aber ruf vorher bitte noch Mrs. Preston an und sag ihr, dass es Bitsy gut geht und sie morgen früh abgeholt werden kann.«
Tina zwinkerte und joggte zum Empfang hinüber. »Alles klar, Chay. Ich seh dich dann morgen.«
»Oh, und Tina?«
Sie wirbelte so schnell herum, dass ihr dunkler Pferdeschwanz ihr ins Gesicht schlug. Sie blinzelte und strich ihre Haare zurück. »Ja?«
»Vergiss bitte nicht, dass du heute die Fünf-Uhr- und die Mitternachts-Schicht hast, um nach den Tieren zu sehen.«
»Klar, ich werd da sein. Kommst du heute noch mal rein?«
»Ja, um halb vier und um acht. Immerhin hatten wir heute drei Operationen. Tommy bleibt die ganze Nacht über hier.«
»Okidoki. Bis dann, Chay.«
»Bis dann, Tina.« Er lächelte ihr hinterher, als sie sich zum Gehen umwandte. Dann setzte er seinen Weg zu Untersuchungsraum vier fort.
Plötzlich spürte er, wie seine Eckzähne in seinem Zahnfleisch zu drücken begannen und seine Fänge wuchsen.
Was zur Hölle…?
Je näher er dem Raum kam, desto merkwürdiger reagierte sein Körper. Ein Gefühl der Euphorie überkam ihn, wie Schmetterlinge im Bauch, aber doch nicht ganz. Es lag nicht an seinen Nerven. Blut schoss in seinen Penis und seine Sicht verschwamm, als er nach dem Türknauf griff. Er kniff die Augen zusammen, da er nur noch schwarz-weiß sah ‒ die Sicht seines Wolfes.
Für ein paar Augenblicke blieb er stehen, ignorierte das Gefühl in seinem Bauch, das beängstigend und verlockend zugleich war, und versuchte die seltsamen Reaktionen zu deuten. Seit er ein Welpe gewesen war, hatte er nicht mehr die Kontrolle über seine wölfischen Instinkte verloren. Dann traf es ihn wie ein Schlag.
Meine Gefährtin ist auf der anderen Seite dieser Tür.
Wie war das möglich? Noch nie hatte er von einem weiblichen Werwolf gehört. Dieses genetische Merkmal war ausschließlich bei Männern dominant. Frauen konnten zwar das Werwolf-Gen in sich tragen und weitergeben, aber sie verwandelten sich nicht in Wölfe. Könnte seine Gefährtin aufgrund eines Angriffs verwandelt worden sein? War das überhaupt möglich? Angriffe durch Werwölfe waren extrem selten. Noch nie hatte er gehört, dass eine Frau verwandelt worden war, aber nur, weil er noch nie davon gehört hatte, hieß das nicht, dass es unmöglich war.
Er schloss die Augen und lehnte die Stirn gegen das kühle Holz der Tür. Sein Herz klopfte voller Erwartung. Mit seinen dreißig Jahren war er hierfür mehr als bereit. Er hatte noch genug Zeit, herauszufinden, wie sie zum Wolf geworden war, nachdem er sie näher kennengelernt hatte. Im Augenblick jedoch kochte die Aufregung in ihm hoch. Endlich hatte er seine Gefährtin gefunden.
Er tat mehrere tiefe Atemzüge, um die Kontrolle über seinen Körper zurückzuerlangen. Nicht, dass es seine Gefährtin stören würde, falls sie wach war, aber wenn einer seiner Angestellten hereinkommen würde, hätte er ihnen den Schreck ihres Lebens verpasst. Nach einem kurzen Moment der Konzentration zogen sich seine Zähne zurück und als er die Augen öffnete, sah er wieder normal. Sein Schwanz jedoch war noch immer steinhart. Chay rückte seine Arbeitshose zurecht und versuchte, seine Erektion weniger offensichtlich aussehen zu lassen – jedoch ohne großen Erfolg. Unwillig, noch länger zu warten, öffnete er die Tür.
Der kleine, weiße Wolf war in eine dunkelblaue Decke gewickelt und lag mit dem Rücken zu ihm auf dem Untersuchungstisch. Das geronnene Blut wirkte obszön grell auf dem matten Fell. Dort, wo das Fell nicht mit Blut besudelt war, hatte es einen leicht goldenen Schimmer. Chay hätte wetten können, dass es sich als Mensch in platinblonde Locken verwandeln würde.
Irgendwie hatte er immer gewusst, dass seine Gefährtin keine Indianerin sein würde, obwohl seine Mutter ihm das immer hatte einreden wollen.
Aber er hatte sich schon immer von blondem Haar angezogen gefühlt, auch wenn seine Mutter nichts von Rassenvermischung hielt. Sie würde ausflippen, wenn er ihr diese Gefährtin vorstellte.
Chay grinste. Na ja, sie hatte in dieser Hinsicht absolut kein Mitspracherecht. Ein Wolf suchte sich seine Gefährtin nicht aus, sie war ihm vorherbestimmt. Es war Schicksal oder Gottes Wille oder was auch immer. Es war einfach so. Zum Glück war sein Vater nicht so vorurteilsbeladen.
Die dunklen Riemen des Maulkorbs hoben sich deutlich sichtbar vom hellen Fell ab und zogen Chays Aufmerksamkeit auf sich. Er knurrte über diese Entwürdigung und ging zum anderen Ende des Untersuchungstisches. Schnell löste er die Riemen und warf das Ding auf den Boden.
Mit den Fingern tastete er nach der Halsschlagader und suchte einen Puls. Das Herz schlug schneller, als es in menschlicher Form der Fall gewesen wäre, und langsamer als bei einem aufmerksamen, wachen Wolf, aber nicht langsam genug, um Grund zur Besorgnis zu geben.
Er fuhr mit der Hand durch das weiße Fell und genoss das weiche Gefühl, als er die Kopfwunde untersuchte. Frank hatte recht gehabt. Sie sah gar nicht so schlimm aus, aber Chay musste sie säubern, um sicherzugehen. Er wandte sich der Vitrine hinter ihm zu und holte Verbände und Desinfektionsmittel heraus, um die Wunde zu versorgen. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass es nur ein Streifschuss war, begann er, die Wunde zu verbinden.
Um ein Antibiotikum oder eine Tetanusspritze brauchte er sich nicht zu kümmern. Werwölfe bekamen keine Infektionen oder Viren. Seine Art hatte ein äußerst effektives Immunsystem.
Nachdem sie sich zurück in ihre menschliche Gestalt verwandelt hatte, würde die Kopfwunde komplett verheilen. Für gewöhnlich wäre das schon längst passiert, aber der Blutverlust hatte wohl die Immunreaktion seiner Gefährtin verlangsamt. Chay beugte sich vor und vergrub seine Nase für einige Sekunden in ihrem Nackenfell.
Der Geruch war würzig und… holzig? Nach Wald. Irgendwie moschusartig. Das war ja seltsam. Den meisten Frauen haftete ein süßer, blumiger Duft an. Trotzdem war das seltsame Aroma sehr angenehm. Berauschend. Sein Schwanz begann zu zucken, und ließ ihn leise aufstöhnen. Er stand da und ermahnte sich dazu, sich zu beherrschen. Zunächst musste er sich um seine Gefährtin kümmern. Später war noch genug Zeit für alles andere. Er trat einen Schritt zurück und grinste ein bisschen dümmlich.
»Okay, Little Bit, lass uns das hier loswerden.« Chay griff nach einem Zipfel der Decke und zog sie behutsam zurück.»Ich muss sichergehen, dass du keine weiteren Verletzungen hast.« Schließlich gelang es ihm, die Decke zu entwirren, und er zog sie gänzlich von dem reglosen Körper.
Er musterte den Körper seiner Gefährtin und fing bei ihrem Kopf an. Beim Anblick des platinfarbenen Fells musste er lächeln, ehe er seinen Blick über ihre schlanke Statur gleiten ließ.
»Ich wette, deine Augen sind…«
Er keuchte, taumelte nach hinten und schlug sich eine Hand vor den Mund. Nein, das konnte nicht wahr sein. Er sah Dinge… Dinge, die nicht da sein dürften.
Chay blinzelte und sah erneut hin. Nein, es war da. Es musste sich um einen Irrtum handeln. Sein Körper, seine Sinne, sie mussten sich getäuscht haben. Das war nicht seine Gefährtin. Es konnte nicht sein…
Er schloss die Augen und nahm einen tiefen Atemzug. Es konnte nicht wahr sein – war es aber. Er konnte nicht verleugnen, was er fühlte. Dieser Wolf war ihm vorherbestimmt. Aber wie konnte das sein? Das ergab keinen Sinn. Offenbar hatte er doch recht gehabt. Frauen waren keine Wölfe – und sein Gefährte war keine Frau.
***
Sein Kopf schmerzte. In Gedanken war Chay jedes mögliche Szenario durchgegangen, das ihm einfiel, um eine plausible Erklärung für die Reaktionen seines Körpers auf den weißen Wolf zu finden. Aber keine ergab mehr Sinn als die, dass es sich hierbei um seinen Gefährten handelte.
Noch rätselhafter als seine körperlichen Reaktionen war die Tatsache, dass er bei Weitem nicht so verstört war, wie er es hätte sein müssen. Irgendetwas an dem kleinen Wolf wirkte ungemein anziehend auf ihn. Und das bestärkte ihn mehr als alles andere darin, dass dies wirklich sein Gefährte war. Nie zuvor hatte er bei einem Mann eine solche Anziehung verspürt.
Sicher, er schaute ab und zu anderen Männern hinterher. Aber das tat doch jeder, oder? Eine attraktive Person war nun mal eine attraktive Person… richtig? Ja, er und sein Mitbewohner auf dem College hatten sich ein paar Mal gegenseitig einen runtergeholt. Aber das war doch nur harmlose Spielerei gewesen. Oder nicht?
Der Punkt war, dass kein anderer Mann ihn jemals so erregt hatte. Sein Schwanz war hart genug gewesen, um damit Glas zu schneiden, als er das erste Mal den Geruch des weißen Wolfs in die Nase bekommen hatte.
Nachdem alle anderen für heute Feierabend gemacht hatten, schloss er ab, zog sich um und ging sogar hinaus, um seinen Wagen vorzuheizen. Der Tag war etwas kühl für den Herbstanfang und er wollte nicht, dass der andere Mann fror. Und zu guter Letzt hatte er immer noch einen Ständer. Scheiße! Immerhin kaschierte seine Jeans das einigermaßen und sein Mantel reichte ihm fast bis zu den Knien.
Chay packte seine Tasche, die er mit zu Bob McIntyre nehmen wollte, und verfrachtete seinen Gefährten auf den Rücksitz seines Pickups. Er wickelte eine Decke um den schmalen Körper und schnallte ihn an. Dann strich er noch mal über das weiche Fell, bevor er die Tür schloss und sich hinter das Lenkrad schwang.
Als er auf der Straße war, kramte er sein Handy hervor und rief seinen Vater an.
Joe Winston nahm beim zweiten Klingeln ab. »Hallo, Sohnemann. Wie geht's?«
»Ich wünschte, du würdest das lassen. Das ist gruselig.«
»Was?« Die Stimme seines Vaters sprühte vor Erheiterung.
»Du weißt genau, was.«
Joe lachte. »Aber dafür ist die Nummernerkennung doch da. Damit ich weiß, wer anruft, bevor ich drangehe.«
Chay grinste. Sie hatten diese Unterhaltung schon ein Dutzend Mal geführt. »Ja, aber es ist trotzdem komisch. Was machst du gerade?«
»Fernsehen. Und was treibst du so?«
»Bin gerade zu Bob McIntyre unterwegs. Er meint, seine neue Stute sei vielleicht trächtig.«
»Aha. Bleibt es dabei, dass du Mittwochabend zum Essen vorbeikommst?«
»Ja, wahrscheinlich.« Die Frage war, ob er allein oder in Begleitung seines Gefährten kommen würde. Bei dem Gedanken zuckte Chay zusammen.
»Deine Mutter wäre enttäuscht, wenn du absagst.« Der Tonfall seines Vaters verriet ihm, dass er selbst es auch wäre.
Chay grinste. Es tat gut, geliebt zu werden, aber manchmal war es eine ganz schöne Bürde, ein Einzelkind zu sein. Er stellte den Rückspiegel so ein, dass er seinen Ge… den Wolf im Auge hatte. »Hör mal, Dad. Ich habe eine ziemlich wichtige Frage.«
»Okay, schieß los.«
»Woran merkt man, dass man seine Gefährtin gefunden hat?«
»Warum fragst du?«
»Komm schon, Dad. Beantworte einfach die Frage.«
Joe seufzte. »Chay, du wirst deine Gefährtin schon noch finden. Du bist noch jung. Ich habe deine Mutter auch erst mit zweiunddreißig kennengelernt.«
Zum Glück hatte sein Vater nicht mehr in die Frage hineininterpretiert. Er konnte es seinen Eltern nicht sagen. Noch nicht. Dummerweise war die Tatsache, dass sein Gefährte weiß war, seine geringste Sorge, wenn sie es herausfanden.
»Wenn du deine Gefährtin triffst, wirst du es spüren.«
Ja, so viel hatte er auch schon herausgefunden. »Aber wie spürt man es?«
»Es ist ein intensives Verlangen… irgendwie. Am Anfang wie ein Adrenalinrausch. Dein Körper reagiert, bevor du überhaupt realisierst, dass es deine Gefährtin ist. Ich weiß wirklich nicht, wie ich es dir beschreiben soll, Junge. Du wirst es einfach wissen.«
Chay seufzte. Das war das Problem an der Sache. Und sein Vater hatte recht, er wusste es. Es war nur… »Dad, war schon mal jemand verwirrt? Dass er geglaubt hat, seine Gefährtin gefunden zu haben, es dann aber doch nicht so war?«
»Nicht, dass ich wüsste. Das ist nichts, was man falsch verstehen oder mit irgendwas verwechseln kann. Es ist eine instinktive Reaktion.«
Er warf einen kurzen Blick über den Rückspiegel auf das bleiche Fellbündel auf dem Rücksitz.
»Ich wollte nur sichergehen, dass es nichts ist, was ich versehentlich übersehen könnte.«
»Du wirst es wissen.«
»Alles klar. Danke, Dad.« Chay atmete tief durch und zwang sich, ruhig zu bleiben. Er konnte nichts dagegen machen, falls sich niemand mit dem Gedanken anfreunden konnte. Es war ja nicht so, als ob er sich seinen Gefährten ausgesucht hätte. Das war etwas Gutes, nichts Schlechtes. Warum fühlte er sich dann, als ob es so ein großes Hindernis wäre?
»Du bist wahrscheinlich der einzige Junge auf der Welt, der sich eine Gefährtin wünscht, seit er vier ist. Du wirst sie finden. Versprochen.«
Ihn, nicht sie, verbesserte Chay in Gedanken. Er klemmte das Handy zwischen Schulter und Ohr ein und massierte seine Nasenwurzel.
Gott, warum musste das so kompliziert sein? Es gab zu viele Unbekannte. Was, wenn sein Gefährte aufwachte und nichts mit ihm zu tun haben wollte? Oder was, wenn er noch ein Teenager war, wie Frank angenommen hatte? Chay glaubte es zwar nicht, aber sein Gefährte war unglaublich klein. Wie würden seine Eltern es aufnehmen?
»Hör zu, Dad. Ich bin schon fast bei den McIntyres angekommen. Ich ruf dich später zurück.«
»Ist in Ordnung. Viel Glück, und sag Bescheid wegen Mittwoch.«
»Ja, mach ich. Bye, Dad.« Chay legte auf, als er in Bobs Einfahrt einbog. Er wollte schon den Motor abstellen, aber er wusste nicht, wie lange er bleiben würde. Würde es zu kalt werden?
Chay verdrehte über seine eigene Dummheit die Augen. Wie kalt konnte es in einem Fell schon werden? Nicht besonders. Er machte die Zündung aus, schnallte sich ab und drehte sich zur Seite. Einen Arm legte er auf der Rücklehne, das Kinn darauf abgestützt, und mit dem anderen streichelte er die Schulter des Wolfs.
»Was fang ich bloß mit dir an, Little Bit?«
Sein Gefährte war immer noch nicht bei Bewusstsein. Der Wolf hatte sich nicht von der Stelle bewegt, an der Chay ihn abgelegt hatte. Er sah so süß und friedlich aus… so unschuldig. Es war ein stattlicher Wolf. Eigentlich eher hübsch als stattlich. Nicht, dass er feminin aussah, aber seine Größe wirkte alles andere als männlich. In Menschengestalt würde sein Kopf womöglich nur bis zu Chays Kinn reichen. Chay strich mit den Fingern über die Schnauze und die geschlossenen Augen. Er könnte darauf wetten, dass sie die Farbe eines blassen Sommerhimmels hatten.
Bei dem Gedanken wurde Chays Schwanz noch härter. Er stöhnte auf und zog seine Hand zurück, um sich in eine angenehmere Position zu bringen. Er hätte Frank direkt nach der Behandlung anrufen sollen, damit er dieses kleine Häufchen abholen kommt. Dann hätte er so tun können, als wäre nichts gewesen. Auch jetzt sollte er den Mann am besten einfach fortschicken, sobald er wach war.
Aber Chay wusste, dass er das nicht tun würde. Er hatte beim besten Willen keine Vorstellung davon, was er mit einem männlichen Gefährten anfangen sollte. Aber das hielt ihn nicht davon ab, ihn bei sich haben zu wollen.
Ein Klopfen an seinem Fenster riss Chay aus seinen Gedanken. Er öffnete die Tür und griff nach seiner Tasche im Fußraum. »Hey, Bob.«
»Wie ich sehe, nimmst du dir Arbeit mit nach Hause.« Bob nickte mit seinem graumelierten Schopf in Richtung Rückbank.
Chay blickte zu seinem Gefährten und lächelte. »Japp, er kommt mit mir nach Hause. Ich habe ihn versorgt, bevor ich mich auf den Weg hierher gemacht habe. Hoffentlich wacht er irgendwann heute Nacht auf.« Er klopfte Bob auf die Schulter und entfernte sich mit ihm vom Wagen. »Dann lass uns mal die hübsche Lady ansehen und herausfinden, ob sie bald Mama wird.«