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Abschied von der Mutter

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Ich trat ins Haus, ging durch die Küche und stieg die Treppe hinauf.

So kam ich in meine Schlafkammer, ohne der Mutter zu begegnen. Sie war wohl im Wohnzimmer beschäftigt.

Schnell brachte ich mein Bett in Ordnung. Wie oft, kam mir der Gedanke, werde ich das noch hier zu Hause tun?

Mein Bett sollte ja schon heute an Bord des dänischen Schiffes gebracht werden.

Als ich fast fertig war, hörte ich jemand die Treppe heraufkommen. Ich lauschte. Es waren die Tritte meiner Mutter.

Sie kam an die Tür und klopfte an.

Ich öffnete. Die gute Mutter trat herein.

Ich war nicht wenig überrascht. In den Händen trug sie ein Kaffeebrett, auf dem eine unserer schönsten Tassen, gefüllt mit dampfendem Kaffee, stand; daneben ein Teller mit Butterbrot und leckerem Kuchen, den sie selbst gebakken hatte.

Aber was in aller Welt sollte das bedeuten!

Ich wurde ganz verlegen und beschämt.

Nie zuvor hatte die Mutter mir solche Aufmerksamkeit geschenkt. Sie war überhaupt nicht gewohnt, ihre Kinder zu verzärteln oder zu verwöhnen. Und nun kam sie mit all den schönen Sachen selbst zu mir herauf.

Was mochte sie dabei bezwecken?

Sie sagte kein Wort, sah mich aber lächelnd an und stellte das Brett auf einen kleinen Tisch neben dem Bett.

Ich war ganz gerührt. Ich faßte ihre Hand, drückte sie warm, führte sie an meine Lippen und küßte sie.

Aussprechen konnte ich nur: »Liebe Mutter!«

»Trink nun deinen Kaffee, Nonni, und komm dann zu mir herab, ich habe etwas Wichtiges mit dir zu reden.«

Dann drückte sie mir die Hand, nickte lächelnd und verließ meine Kammer.

Ich nahm die Tasse in die Hand. Mit großen goldenen Buchstaben standen darauf die zwei dänischen Wörter: Til Moder (Für die Mutter).

Diese Tasse hatte ich vor einigen Jahren der Mutter als Sommergabe geschenkt.

Auf Island ist es nämlich Sitte, am ersten Sommertag sich gegenseitig Geschenke zu geben, und so hatte ich meiner Mutter vor zwei Jahren am ersten Tag des Sommers diese Tasse geschenkt.

Das hatte sich so zugetragen:

Während der Wintermonate war in mir der Wunsch wach geworden, Vater und Mutter etwas Schönes als Sommergabe zu schenken. Weil ich aber kein Geld besaß, wußte ich nicht, wie ich mein Vorhaben ausführen könnte.

Eines Tages nun hatte ich einen glücklichen Einfall.

Mehrere Monate hindurch gab es zu Mittag eine isländische Delikatesse, Käfa genannt. Sie gab es anstelle der Butter.

Wir hatten damals zu Hause einen Knecht, alttestamentlichen Namens Hosias. Wir beide verstanden uns sehr gut. Hosias war nun ein großer Liebhaber von Käfa.

Als ich eines Tages beim Mittagessen bemerkte, daß er im Handumdrehen mit seiner Portion fertig war, gab ich ihm die Hälfte der meinigen.

Er freute sich darüber, mir aber kam ein Gedanke, und ich sagte ihm, daß ich mit ihm allein sprechen möchte.

Wir gingen in die Scheune neben dem Kuhstall, und da fand nun folgende Unterhaltung statt:

»Sag mal, Hosias, du ißt gern Käfa, nicht wahr?«

»Ja, Nonni, und wie!«

»Nun gut. Dann laß dir einen Vorschlag machen. Wenn es dir recht ist, will ich dir jeden Tag meine Portion Käfa überlassen.«

»Ist’s möglich? Willst du das wirklich, Nonni?«

»Ja, Hosias. Nur mußt du dann auch etwas für mich tun.«

»Und das wäre?«

»Du mußt mir meine Käfa mit Geld bezahlen.«

»Wieviel willst du denn dafür haben?«

»Wieviel willst du geben?« fragte ich.

»Sagen wir mal, für jede Portion einen Schilling?«

»Gut«, sagte ich, »einverstanden.«

Damit war der Handel abgeschlossen.

Ich aß nun jeden Tag das Brot trocken und gab Hosias meine Käfa, er bezahlte mir jedesmal einen Schilling.

So ging es ein paar Monate lang.

Schließlich hatte ich so viel Geld, daß ich glaubte, es sei genug. Von da an aß ich wieder meine Käfa, und Hosias behielt seinen Schilling.

Eines Tages ging ich nun mit meinem Gelde zu Herrn Möller, einem dänischen Kaufmann in der Stadt, und verlangte zwei schöne Sommergaben, eine für Vater und eine für Mutter. Herr Möller fragte: »Wieviel dürfen sie kosten?«

»So viel«, sagte ich und legte alle meine Schillinge vor ihn hin.

Der Kaufmann zeigte mir mehrere hübsche Sachen, darunter zwei große, schöne Kaffeetassen mit vergoldetem Rand. Sie kamen aus Dänemark. Auf der einen stand mit goldenen Buchstaben: Til Fader, auf der anderen: Til Moder.

Sie gefielen mir so gut, daß ich sie gleich mitnahm.

Einige Tage hielt ich die kostbaren Geschenke sorgfältig verborgen. Am Sommertag überreichte ich sie dann feierlich Vater und Mutter.

Das alles kam mir wieder in Erinnerung, als ich die Tasse betrachtete, in der die Mutter mir eben den Kaffee gebracht hatte. Wie lieb und aufmerksam das doch war von ihr!

Dafür schmeckte mir aber auch heute das Frühstück besonders gut.

Als ich fertig war, ging ich zur Mutter hinab. Sie saß im Wohnzimmer und ließ mich neben sich Platz nehmen.

»Mein lieber Nonni, du kannst dir wohl denken, welchen Schmerz eine Mutter fühlt beim Abschied eines ihrer Kinder. Wenn ich dich trotzdem fortreisen lasse, so tue ich es nur deshalb, weil ich überzeugt bin, daß es zu deinem Besten ist.

Ich möchte dir einiges sagen, was mir sehr am Herzen liegt.

Sei immer ehrlich und aufrichtig. Ich kann mich, Gott sei Dank, nicht erinnern, daß du jemals vor mir gelogen hast. Nun bitte ich dich, mein Kind, bleibe dabei, sei wahrheitsliebend und lüge niemals, auch nicht, um einer Strafe oder Beschämung zu entgehen. Das mußt du mir von ganzem Herzen versprechen.«

»Liebe Mutter, ja, ich verspreche es dir. Ich werde nie die Unwahrheit sagen. Du kannst dich drauf verlassen, Mutter.«

»Glaubst du auch imstande zu sein, alle deine guten Vorsätze zu halten?«

»Ja, Mutter, das glaube ich ganz bestimmt. Ich werde sie alle halten, mein ganzes Leben lang.«

Diese Worte sprach ich mit Nachdruck und Kraft. In meiner kindlichen Unerfahrenheit fühlte ich mich so sicher!

Die Mutter lächelte, sah mich voller Liebe an und erwiderte:

»Was du da sagst, ist gewiß ehrlich gemeint. Aber glaube mir, es wird nicht so leicht sein, wie du jetzt meinst. Du wirst Schwierigkeiten begegnen, von denen du keine Ahnung hast. Durch eigene Kraft kannst du dein Versprechen nicht halten.

Daher achte darauf, was ich dir jetzt sage; es ist das Allerwichtigste. – Ich will dir ein Mittel angeben, das dir ganz sicher hilft, trotz deiner Schwachheit und Unerfahrenheit die Vorsätze zu halten. – Und was für ein Mittel ist das? Kannst du es erraten?«

Da ich nicht antworten konnte, sprach sie weiter:

»Es besteht darin, daß du keinen Tag vorübergehen läßt, ohne dich mit deinem Herzen, deiner Seele, deinen Gedanken an Gott zu wenden und ihn zu bitten, er möge dir beistehen.«

Sie faßte meine Hände, sah mir in die Augen und sagte:

»Versprichst du deiner Mutter, daß du dich an Gott halten und jeden Tag zu ihm beten willst?«

Mit voller Bestimmtheit antwortete ich:

»Ja, Mutter, das verspreche ich dir von ganzem Herzen.«

Die Mutter stand auf, drückte nochmals meine Hände und sagte:

»Sei guten Mutes, mein lieber Nonni. Du brauchst dich nicht zu fürchten. Gott wird mit dir sein.«

Es waren einige Tage vergangen, seitdem Kapitän Foß mich als Passagier auf seinem Schiff angenommen hatte. Bereits war nach dem Wunsch des Kapitäns mein Bett in seine Kajüte gebracht und von meiner Mutter selbst zurechtgemacht worden.

Von unserer Seite aus war alles fertig zur Reise.

Von Manni und Bogga, die jetzt verreist waren, hatte ich einige Tage vorher Abschied genommen.

Ich war nun allein mit meiner Mutter zu Hause. Mit unbeschreiblicher Spannung wartete ich auf die Ankunft des Boten.

Endlich an einem Nachmittag kam er.

Es war der Schiffskoch, der nicht viel älter war als ich.

Ich ging ihm entgegen, öffnete die Tür und ließ ihn eintreten.

Die Mütze in der Hand, grüßte er und sagte, noch bei der Tür stehend, zu meiner Mutter:

»Kapitän Foß läßt Ihnen melden, Ihr Sohn möchte an Bord kommen, wenn möglich, jetzt gleich.«

Bei dieser Meldung fühlte ich, wie meine Brust sich zusammenschnürte.

Doch ließ ich mir nichts anmerken, sondern fragte den Jungen ruhig:

»Wann fahren wir ab?«

»Noch heute nachmittag«, lautete die Antwort. »Sobald du an Bord kommst, lichten wir die Anker und segeln ab nach Dänemark.«

Ich schaute die Mutter an. Unsere Blicke begegneten sich, doch nur eine Sekunde. Gott allein weiß, was ich in diesem Augenblick litt.

Aber auch die Mutter beherrschte sich und redete den kleine Boten freundlich an:

»Ich glaube, wir haben Gegenwind. Will der Kapitän nicht warten, bis der Wind günstiger ist?«

»Nein«, antwortete der Junge. »Er meint durch Kreuzen aus dem Fjord hinauszukommen. Deshalb will er lieber sofort abfahren.«

»Gut«, sagte die Mutter, »Nonni wird gleich bereit sein. Aber erst setze dich an den Tisch; ich will dir eine Tasse Kaffee bringen.«

Schnell holte ich einen Stuhl. Der Junge setzte sich bescheiden auf die Kante und hielt die Mütze in der geschwärzten Hand.

Der arme Junge! Er sah so freundlich aus, aber so vernachlässigt und schwarz von Ruß und Rauch; sein abgetragenes Hemd war noch schwärzer als Gesicht und Hände.

Ich bekam Mitleid mit meinem künftigen Reisekameraden; denn ich hatte den Eindruck, daß er ein hartes Leben habe.

Er war ja noch so jung und allein und verlassen zwischen den Matrosen – und so weit fort von seiner Mutter.

Der letzte Gedanke ging mir am meisten zu Herzen. Ich ging nahe an ihn heran und fragte leise:

»Wo wohnt deine Mutter?«

Verwundert über diese Frage, schaute er mich groß an und antwortete langsam und bedächtig:

»Meine Mutter wohnt in Rönne auf der Insel Bornholm.«

Zugleich traten Tränen in seine Augen und liefen die rußigen Wangen herab.

Tröstend sagte ich:

»Aber jetzt fährst du ja heim zu ihr.«

»Ja«, antwortete er zögernd. »Aber das ist eine weite und gefährliche Reise. Das habe ich erfahren. Beinah hätten wir auf der Fahrt hierher Schiffbruch erlitten. Auch fürchte ich immer, ich komme nicht wieder zu meiner Mutter zurück.«

»Davor sei doch nicht bange«, tröstete ich ihn. »Du wirst sie schon wiedersehen. Ich dagegen werde die meine nicht wiedersehen!«

Als ich dies aussprach, wurde mir nun ganz weich ums Herz. Ich versuchte meine Tränen vor dem fremden Jungen zu verbergen; aber es gelang mir nicht.

Er bemerkte es und fragte:

»Wirst du denn nicht von deiner Reise zurückkommen?«

»Ich glaube nicht«, sagte ich, »ich reise so weit fort.«

»Fährst du denn nicht nach Kopenhagen?«

»Ja, aber nur vorläufig. Von da geht es weiter nach Süden durch ganz Frankreich zu einer Stadt, die Avignon heißt.«

»So weit? Dann verstehe ich, daß du traurig bist. Es ist wirklich kein Spaß, seine Mutter zu verlassen, zumal wenn man noch so jung ist wie wir beide. Ich wünschte, ich wäre nie von zu Hause fortgegangen.«

Bei diesen Worten sah er mich traurig an.

Da ging die Tür auf. Meine Mutter trat herein und brachte Kaffee und Kuchen für uns beide.

Wir setzten uns an den Tisch. Aber sonderbar: während ich sonst Mutters Kuchen, den es freilich nur selten gab, sehr gern aß, konnte ich jetzt kaum ein Stückchen hinunterbringen; jeder Bissen blieb mir im Halse stecken.

Ich tat, was ich konnte, damit wenigstens der kleine dänische Gast tüchtig zugreife. Die Mutter hatte uns ja so gute Sachen zum Abschied vorgesetzt.

Aber der Kleine war sehr bescheiden. Da er sah, daß ich so wenig aß, glaubte er meinem Beispiel folgen zu müssen. Wir waren deshalb schnell fertig.

Meine letzte Mahlzeit im Hause meiner Mutter!

Der kleine Bornholmer stand auf und sagte zunächst der Mutter den gewöhnlichen dänischen Dank: Tak for Mad; dann gab er mir die Hand: »Auf Wiedersehen an Bord!«

Beim Abschied sagte die Mutter: »Gruß an Herrn Kapitän Foß; melde ihm, wir würden gleich kommen.«

Als der Junge fort war, ermahnte sie mich:

»Nonni, sei auf der ganzen Reise gut zu dem Jungen!«

»Das würde ich sein, Mutter, auch wenn du es mir nicht gesagt hättest. Ich habe ihn schon liebgewonnen.«

Darauf lief ich zum Nachbarshaus, um meinen Freund Stebbi zu holen. Es war nämlich vorher abgemacht, daß er uns zum Schiff hinausrudern sollte. Stebbi kam sofort, und wir beide brachten meinen Koffer zum Strand.

Unterdessen machte die Mutter sich fertig, und einige Augenblicke später saß ich neben ihr in dem kleinen Boot.

Stebbi stieß vom Land ab und ruderte hinaus zur » Valdemar von Rönne«. Als wir eine ziemliche Strecke vom Land entfernt waren, zog meine Mutter ein kleines, zusammengefaltetes Papier hervor und reichte es mir mit den Worten:

»Hier hast du, lieber Nonni, eine Erinnerung an mich. Ich hoffe, daß es dir noch lange ein Andenken sein wird.«

Ich öffnete das Papier und überflog es. Es enthielt einige wenige Ratschläge, von der Hand meiner Mutter geschrieben.

Dann faltete ich es wieder zusammen und steckte es in meine Brusttasche.

Jetzt konnte ich meine Tränen nicht länger zurückhalten. Ich umarmte meine Mutter und schluchzte:

»Mutter, ich verspreche dir nochmals, daß ich diese Ermahnungen beachten werde. – Liebe, liebe Mutter, ja, ich werde mich an sie halten.«

Mehr konnte ich nicht sagen.

Die Mutter weinte nicht. Doch drückte sie mich fest an ihr Herz.

Wir waren indessen bis nahe an das Schiff gekommen. Stebbi ruderte bis hart an die pechige Wand, und bald standen wir auf dem Deck.

Der kleine Koch kam gleich zu uns herangelaufen, machte eine Verbeugung vor der Mutter und gab mir freundschaftlich die Hand, die er soeben mit dem Küchentuch abgetrocknet hatte.

Dann half er Stebbi, meinen Koffer aus dem Boot zu holen.

Mittlerweile kam auch der Kapitän, grüßte freundlich und bat uns, in die Kajüte hinabzusteigen.

Wir folgten ihm in den »Salon« des Schiffes, wo ich während der Reise mit dem Kapitän und dem Steuermann zusammen wohnen sollte.

Ihre Kojen lagen sich längs der Schiffswände gegenüber; quer zwischen ihnen war mein Bett auf einer breiten, festen Bank eingerichtet. Es füllte den Raum zwischen den beiden Kojen ganz aus.

Mit dem Fuß konnte ich da klopfen, wo der Kopf des Kapitäns war, und mit den Händen konnte ich an die Füße des Steuermanns reichen.

Diese Anordnung gefiel mir sehr gut. Im Notfall konnte ich bei dem einen oder bei dem anderen Hilfe suchen.

Nachdem die Mutter nochmals die Kajüte und meine Lagerstätte besichtigt hatte, bat sie den Kapitän, zum Abschied noch einige Augenblicke mit mir allein zu sein.

»Selbstverständlich, nehmen Sie sich nur gut Zeit; Sie brauchen sich nicht zu beeilen«, sagte der Kapitän und verließ uns.

Der Abschied war kurz. Die Mutter umarmte und küßte mich. Dann sprach sie:

»Jetzt müssen wir scheiden, mein lieber Nonni. Es ist möglich, daß wir uns in diesem Leben nicht wiedersehen; aber ich hoffe, Gott wird uns einst im Himmel wieder vereinen.«

Wie es mir in diesem Augenblick ums Herz war, kann ich nicht mit Worten ausdrücken. Ich hatte meine Mutter so lieb. Ich konnte ihr nur durch Tränen antworten.

»Laß uns nun ein Ende machen«, sagte sie. »Lebe wohl, Kind! Ich übergebe dich dem Schutze Gottes. Er ist der Beschützer der Waisen; möge er dir Vater und Mutter sein.«

Das waren ihre letzten Worte. Wir stiegen aufs Verdeck.

Eilig nahm sie Abschied vom Kapitän und den umstehenden Matrosen und stieg ins Boot, das schnell davonfuhr.

Ich lehnte mich an den Schiffsrand und schaute dem Boot nach. Die Mutter wandte sich einige Male um und nickte liebevoll herüber. Ich winkte zurück.

Das Boot entfernte sich unter den Ruderschlägen Stebbis mehr und mehr, bis es zuletzt am Strand in der Nähe unseres Hauses verschwand.

Da legte sich unser Schiff auf die Seite und wandte die Spitze vom Land ab.

Ich hatte also den Weg zu meiner neuen Heimat angetreten.

Erneut überfiel mich wieder das frühere Gefühl! Ich kam mir vor wie ein Baum, der mit der Wurzel ausgerissen und in ein neues Erdreich gepflanzt wird.

Mein Vaterland, mein teures Island, meine Landsleute, das glückliche Leben, das ich bis jetzt in der Familie und mit meinen Freunden verlebt hatte, alles das sollte jetzt für mich nur noch eine liebe Erinnerung sein.

Von nun an sollte ich fremd unter fremden Menschen leben.

Wie blind und taub ging ich auf dem Schiff umher, ohne zu sehen, was ich sah, ohne zu hören, was ich hörte.

Die Leute sagten mir ab und zu ein freundliches Wort, einen kleinen Spaß.

»So, du kleiner Isländer, jetzt segeln wir hinaus. – Wir fahren nach Dänemark. – Werde nur nicht seekrank! – Jetzt sollst du ein echter Seemann werden. Gleich gibt’s eine Schaukelkur, eine ordentliche. Ob du die verträgst?«

Sie meinten es gut mit mir, diese freundlichen Dänen, die ersten Fremden, in deren Gesellschaft ich mein neues Leben begann. Aber es war mir nicht möglich, auf ihre Späße einzugehen. Ich antwortete, ohne recht zu wissen, was ich sagte, oder verzog nur die Miene zu einem gezwungenen Lächeln.

Schließlich wurde ich von dem Schmerz des Abschieds so überwältigt, daß ich mich nicht mehr beherrschen konnte.

Ich rannte in die Kajüte hinab, warf mich schluchzend auf mein Bett, das von der Mutter bereitet war, und verbarg mein Gesicht tief in das Kopfkissen.

Nonni - Erlebnisse eines jungen Isländers von ihm selbst erzählt

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