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4. Kapitel: Was ist eigentlich Liebe?
Оглавление„Liebe hat mit dem Göttlichen zu tun, sie verheißt
Unendlichkeit, Ewigkeit – das Größere und ganz
andere gegenüber dem Alltag unseres Daseins.“
(Papst Benedikt XVI. in seiner Enzyklika von 2006)
Das Ethos der Liebe, also unsere moralische Haltung gegenüber einem Begriff, der den meisten Menschen sehr viel bedeutet, hat in den vergangenen Jahrzehnten Veränderungen erfahren. Sicherlich wird die Liebe nach wie vor als eine intensive gefühlsmäßige Zuwendung empfunden. Vor allem gegenüber einem anderen Menschen, aber auch gegenüber der Natur, zum Geld und zu bestimmten Ideen wie der Freiheit sowie zu den verschiedenen Religionen und zu Gott.
„Leben ist das Gegenteil von lieben“, hat Albert Camus geschrieben, Nobelpreisträger für Literatur und einer der bedeutendsten philosophischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Daran ist viel Wahres, wenn wir uns mit der Gestaltung unseres Lebens und den zahllosen Klippen, die es zu überwinden gilt, befassen, und dann an die Liebe denken, die einfach plötzlich da sein kann. Doch wir sollten auch wissen, dass die Beschäftigung mit unserem Selbstbild viel mit unserer Selbstliebe zu tun hat, die seit Aristoteles, also seit über 2.300 Jahren, die Voraussetzung ist, einen Anderen zu lieben. Und die nicht verwechselt werden sollte, mit der Selbstsucht, also dem Egoismus. An dieser Erkenntnis hat sich seither nichts geändert, sie ist so lebendig wie eh und je.
Als Erotik bezeichnen wir alle körperlichen und seelisch-geistigen Erscheinungsformen der Liebe. Wobei für unser heutiges Verständnis von Erotik durchaus die Philosophie Platons eine Rolle spielt, der davon ausgeht, dass der einst gottähnliche, doppelgeschlechtliche Mensch von Zeus in zwei Hälften geteilt wurde, die sich miteinander vereinigen wollen, um die ur-sprüngliche Ganzheit und Vollkommenheit wieder herzustellen. Der gesamte erotische Bildungsprozess entwickelt sich vom schönen Leib über die Liebe zur schönen Seele hin zum Schönen selbst, das zugleich das Wahre und das Gute ist. Die christliche Vorstellung von der Gottes-liebe, die Geschlechtsliebe als Hindernis auf dem Weg zum Heil ansah und die Nachfahrin Evas, die Frau, dafür als Sünderin auserkor, zeigt den engen Zusammenhang von Mythos und Religion sowie erotischer und religiöser Ekstase in vielen Kulturen.
Welche Arten von Liebe unterscheiden wir?
In der Hauptsache kann man drei Arten von Liebe unterscheiden: Diejenige, die einen sinnlich-erotischen Hintergrund hat, also die romantische Liebe, die sich Paare am Anfang ihrer Beziehung für die Ewigkeit vorstellen. Wobei die Ewigkeit heute im Schnitt zwischen drei und vier Jahren dauert, was Psychologen damit begründen, dass dies der Zeitraum ist, in dem Kinder flügge werden. Schwangerschaft und die drei Jahre bis zum Kindergartenalter eingerechnet, kommt das ja ungefähr hin. Dann haben wir die Liebe aus Sympathie und Verantwortung, wie sie Eltern für ihre Kinder empfinden, aber auch Freunde füreinander und sogar manche Chefs für ihre Mitarbeiter. Und dann noch die Liebe für etwas Höheres als wir es sind, die Natur oder ihren Schöpfer. Aus der Sicht der Gläubigen kann das auch der Verkünder einer Offenbarung oder sein irdischer Stellvertreter sein.
Als Gegenteil von Liebe wird oft Hass genannt. Beiden Gefühlen ist eine Affektambivalenz eigen, sie können schnell umkippen. Man spricht ja auch von Hassliebe. Doch in Wahrheit heißt das Gegenteil von Liebe nicht Hass, sondern Desinteresse und Gleichgültigkeit. Man kann auch umgekehrt sagen, Hass wird durch Langeweile und Leere erzeugt. In diesem Zu-sammenhang ist ganz interessant, dass nach neueren Forschungen mittels der Kernspintomografie unser Gehirn den Trennungsschmerz in denselben Arealen wie den Liebesrausch verarbeitet. Dabei werden ebenfalls die Hormone Dopamin und Noradrenalin freigesetzt, nur mehr davon. Wer verlassen oder verschmäht wird, kann sogar Suchtsymptome zeigen. Bis hin zu Realitätsverlust und Gewalt gegen sich oder andere. Eifersuchtstaten, die aus Angst vor der Gefährdung einer Beziehung verübt werden, füllen fast täglich die Zeitungsspalten.
Die romantische Liebe
Die romantische Liebe wird auch die erotische Liebe genannt, also die Liebe zum Sexualpartner. Es ist jedoch zweierlei: In der romantischen Liebe wird die Wirklichkeit idealisiert, sie ist gefühlsbetont, schwärmerisch, fantastisch, geheimnisvoll. Während die erotische Liebe sich wie gesagt, lediglich auf die Geschlechtsliebe und die damit verbundenen Vorstellungen und Handlungen bezieht. Nun spielt die Erotik ja heute nicht nur in Filmen, in der Kunst und Literatur eine große Rolle, sondern auch in sämtlichen Medien und im Alltag der Menschen. Sie hat dadurch fast so etwas wie Wettbewerbscharakter bekommen, nicht nur in sublimierter Form in der Mode, wo ja die gekonnte Verhüllung insbesondere weiblicher Reize schon immer eine Rolle spielte, sondern überhaupt als allgegenwärtige Stilisierung der Sexualität. Dabei ist, wenn nicht alles täuscht, die Liebe ein wenig mehr auf der Strecke geblieben, als die allgemeine Wahrnehmung erkennen lässt.
Vielleicht ist es zu differenziert gedacht, aber wenn das Wort „LOVE“ millionenfach auf T-Shirts und Sweatshirts steht, ist das kein Anzeichen für eine humanitäre Revolution, sondern eher für eine Inflation. Und wenn sogar eine Fernseh-Serie „Verbotene Liebe“ heißt, könnte man sich direkt fragen, ob es überhaupt Verbote in der Liebe gibt oder geben sollte? Und wenn JA, müsste es dann nicht logischerweise auch „Erlaubte Liebe“ geben? Sind wir dann nicht schnell beim Thema Zwangs-Ehen und der Ermordung junger Frauen, die sich weigern, solche einzugehen. MAKE LOVE NOT WAR – wir sehen schon, wenn wir etwas genauer hinschauen, welche Brisanz in dem Wort, das Liebe bedeutet, steckt. Es empfiehlt sich, es nicht nur einfach so unüberlegt dahin zu sagen und in seiner Bedeutung einzuschränken und zu beschädigen.
Übrigens ist die Liebe erst vor gut 100 Jahren „romantisiert“ worden. Ein kurzer Augenblick in der langen Geschichte der Menschheit, dem wir uns offenbar noch nicht anpassen konnten, wenn man an die verfehlten Erwartungen denkt. Ketzerisch könnte man sagen, es war ein Sieg der Hoffnung über die Erfahrung der Vorfahren. Jedenfalls scheint die Liebe, was ihre Intensivität und Dauer angeht, eher einem Feuer zu entsprechen als der Sonne. Honoré de Balzac hat einen Roman mit dem Titel „Verlorene Illusionen“ geschrieben und zahlreiche Schriftstellerinnen und Schriftsteller haben sich des Themas der unglücklichen Liebe angenommen. Oft mit autobiografischen Zügen. Wahrscheinlich ist das Scheitern des Strebens nach Liebe und sozialem Aufstieg das Romanthema überhaupt.
Elternliebe
Neulich habe ich ein zynisches Bonmot von jemand gelesen, dessen Namen ich vermutlich zu Recht vergessen habe und das sinngemäß lautete: „Eltern zerstören deine erste Lebenshälfte, Kinder deine zweite.“ Und ich habe mich gefragt, was die Quintessenz ist? Die „quinta essentia“ wie es lateinisch heißt, der „fünfte Stoff“ und zwar deshalb, weil Platon und Aristoteles den vier Elementen den „Äther“ hinzugefügt haben, und damit den Himmel als fünftes und zugleich unsichtbares Element in seiner Bedeutung zum ersten machten. Sollen wir jetzt unsere Eltern unmittelbar nach der Geburt verlassen und uns sofort sterilisieren lassen?
Von berühmten Leuten lesen wir manchmal in ihren Biografien, dass sie eine repressive Kindheit ohne Elternliebe verlebten und trotzdem zu großen Taten fähig waren, möglicher-weise auch gerade deswegen eine Überkompensation hinbekamen. Nun, davon können wir meistens selbst nicht berichten. Unsere Verwandten ersten Grades, insbesondere unsere Mütter, haben sich liebevoll und zuverlässig um uns gekümmert. Jedenfalls ist das, ohne es für die Kleinkindphase zu erinnern, unser gewünschter Eindruck.
Die Beziehung zwischen dem Kind und seinen Eltern festigt sich vermutlich bereits zwischen dem 4. - 6. Lebensmonat. An der Verhaltensforschung orientierte Ansätze wie die Bindungstheorie gehen davon aus, dass es sich bei der Bindung an die Eltern um ein lebensnotwendiges System handelt. Das Streben des Säuglings nach Bindung an seine Bezugsperson und umgekehrt, ist danach für die Ausbildung des kindlichen Erkundungs- und Lernverhaltens unverzichtbar. Offenbar ist ganz entscheidend für die Entwicklung des Kindes, ob Eltern seine Signale richtig deuten können und darauf angemessen zeitlich und inhaltlich mit gleichbleibendem Verhalten reagieren können. Die für die Entstehung des Selbstkonzepts wichtigen Erfahrungs- und Reaktionsmuster hängen entscheidend davon ab, in wie weit das Kind die Beziehung zu seinen Eltern von Anfang an mitgestalten kann.
Wenn das stimmt, und es gibt eigentlich wissenschaftlich keine Zweifel, denn wir können so zu sagen als Gegenprobe die Deprivation (lat. Beraubung) von Säuglingen, die in Heimen aufwachsen und oft vielfache Störungen aufweisen, heranziehen, dann ergeben sich daraus weit reichende Konsequenzen. Es ist die Frage, ob noch gedacht und propagiert werden sollte, dass die leiblichen Mütter und Väter problemlos durch andere Personen ersetzt werden kön-nen. Denn es könnte durchaus passieren, der Verdacht ist ja aufgrund der bekannten Studien über die Schulleistungen gar nicht so abwegig, dass eine Verbesserung der Lehrinhalte und der Vermittlung wegen der vorhergehenden Versäumnisse der Eltern buchstäblich ins Leere greift. Einfach weil ein wachsender Teil der Kinder den Qualitätsgrad, den Elternliebe brau-cht, um positive Bindungseffekte als Grundlage zu erzielen, schlichtweg entbehren muss. Und diese Tatsache in ihrer Konsequenz nur Experten bewusst ist, die im Konzert der Meinungsmacher keine Stimme haben.
Die Liebe zu etwas Höherem
Ich hatte es schon angedeutet, unter etwas Höherem als wir selbst sind, verstehen wir die Na-tur und deren Schöpfer sowie auch die Verkünder einer Offenbarung. Der Mensch gibt sein Leben ganz gerne in die Hände höherer Mächte, denn es entlastet ihn auch von eigener Verantwortung. Aus der Caritas, der alles umgreifenden Liebe Gottes, erwächst die Gottesliebe und daraus die menschliche Nächstenliebe. So weit jedenfalls die theologische Theorie.
Nun können wir alle am Zeitgeschehen erkennen, dass die Religionen die größte Explosions-Kraft der Kultur sind. Etymologisch ist nicht geklärt, ob das lateinische „religio“ nun von „relegere“ (sorgsam beachten) kommt oder von „relegare“ (verbinden). Mit anderen Worten, ob die Beachtung alles dessen, was zum Kult der Götter gehört, unter Religion zu verstehen ist, oder die Verbindung der Seele mit Gott. Der in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts stattfindende Dreißigjährige Krieg war die Austragung konfessioneller Konflikte in Europa. Sich heute zu wundern, dass eine Auseinandersetzung der Kulturen existiert und mittels gegenseitiger Anschuldigungen und Gewalt geführt wird, erscheint schon deshalb naiv zu sein, weil wir seit langem wissen, dass nur die vermeintliche oder tatsächliche Verletzung von Gefühlen die Massen in Bewegung zu bringen vermag. Im Griechenland der Antike war ein Demagoge noch ein Volksführer, in unserer Zeit ist er ein Volksverführer.
Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst, es wird durchaus regelrecht zugestanden, dass es eine Selbstliebe gibt, denn sonst könnte man nach psychologischem Verständnis auch nicht andere lieben, wird allerdings leider nicht wirklich religionsübergreifend interpretiert und gelebt. Vielleicht ginge es ein wenig zu weit, die Akzeptanz religiöser Dogmen grundsätzlich als wissenschaftsfeindlich zu bewerten, aber es lässt sich kaum übersehen, dass es mit der gerne gepredigten Toleranz zwischen den Anhängern mancher Glaubensrichtungen nicht eben sehr weit her ist. Der Anspruch absoluter Gültigkeit und Wahrheit fordert geradezu Widerspruch heraus.
Es gibt viele Beispiele und eines von diesen ist mit dem aus dem Griechischen stammenden Begriff „Ökumene“ verbunden, der gläubige Christen in aller Welt umtreibt und hoffen lässt.
Ökumene, was so viel wie die bewohnte (Erde) bedeutet, bezog sich früher auf das christliche Missionsfeld und heute auf die Gesamtheit des Christentums und nicht etwa auf andere Reli-gionen. Es gibt zwar einen ökumenischen Rat der Kirchen, dem 342 Mitgliedskirchen an-gehören, aber die katholische Kirche ist nur als Beobachterin vertreten. Die dort gefassten Beschlüsse sind ohnehin lediglich Empfehlungen und so ist man sich untereinander auch nicht sicher, ob sich die Ökumene schon im Übergang oder noch in Gegensätzen befindet. Jedenfalls will der Papst sein Petrusamt, also seinen Anspruch auf die höchste apostolische Amtsgewalt in der Ökumene nicht aufgeben, was naturgemäß dem Gedanken der Einheit der Kirchen diametral widerspricht und in weite Ferne rückt.
Wenn es um den Machterhalt und Machtausübung geht, ist es mit der Liebe unter den Menschen offenbar nicht so weit her. Wir finden fundamentalistische Geisteshaltungen und Strömungen grundsätzlich in allen Weltreligionen und ebenso in säkularen Ideologien und Bewegungen. Insofern brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn die uns gelehrten und vorgelebten Weltanschauungen, die teilweise aus dem Festhalten an starren Grundsätzen und Pola-risierungen ihren Wahrheitsanspruch beziehen, unser eigenes Weltbild nachhaltig prägen. Mit zunehmender Bildung und dem Zugang zu den Informationen aus verschiedenen Perspektiven erkennen wir allerdings, dass die Globalisierung keineswegs gleichermaßen für den gesamten Globus gilt, sondern riesige, rasant wachsende Wohlstandslöcher produziert und damit den Fundamentalisten zwangsläufig Raum bietet, Hass und Gewalt statt Liebe zu predigen und die Massen zu mobilisieren.
Auf diese Weise ist die Idee von einer friedlichen Welt vorerst gescheitert und sie kann auch nicht gewaltsam wieder hergestellt werden, weil ein Krieg gegen den Glauben nicht gewon-nen werden kann. Wenn der Mensch glaubt, ungerecht behandelt worden zu sein, wenn er sich gekränkt und gedemütigt fühlt, in seiner Ehre und Menschenwürde verletzt, dann wird er nicht zur Liebe und Offenheit fähig sein. Es sei denn, er wäre Masochist, aber das ist nur eine kleine Minderheit. Was bei den Völkern schon nicht gelingt, muss in Partnerschaften erst recht misslingen. Und, wie wir wissen und ständig erleben, tut es das auch.
Worauf kommt es in der Liebe an?
Wenn über den Unterschied zwischen Frauen und Männern geredet wird und nicht der offen-sichtliche biologische Unterschied gemeint ist, der ja fälschlicherweise von den Feministinnen als klein beschrieben wurde, weil sie ausschließlich den Penis samt Hoden, also im wahrsten Sinne des Wortes Äußerlichkeiten in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung rückten, können wir außer auf weitere körperliche Unterschiede auf Differenzen beim Denken und der Psyche kommen. Frauen leben im Durchschnitt sechs Jahre länger als Männer. Dies gilt jedoch nicht für Nonnen und Mönche, die erstens älter werden als der Bevölkerungsdurchschnitt und zweitens nicht die Differenz an erreichten Lebensjahren aufweisen. Woran es liegt, ist nicht bekannt, vermutlich spielt das relativ stressfreie Klosterleben in der Gemeinschaft mit Arbeit bis ins hohe Alter eine Rolle. Wie auch immer, zunächst einmal lohnt es sich, zu beleuchten, worauf es bei der Liebe ankommt.
Bekanntlich ist in der Psychologie die Statistik wichtig, denn wir können nur dann sinnvolle Aussagen über das Abnormale treffen, wenn wir das Normale kennen. In diesem Zusammenhang ist sicherlich interessant und überraschend für viele, dass die Zärtlichkeit und nicht die Sexualität bei der Bewertung der Liebe an erster Stelle steht, sowohl bei Frauen wie auch bei Männern. Wenn auch bei Frauen etwas ausgeprägter. Zärtlichkeit vermittelt das Gefühl, geborgen zu sein sowie verstanden und geliebt zu werden.
An zweiter Stelle bei der Bewertung der Liebe steht das Verständnis. Es ist als Kriterium ebenfalls etwas stärker bei Frauen ausgeprägt als bei Männern, denn Frauen wollen einfach mal über Sachen reden, während Männer dies so gut wie immer mit Lösungen verbinden wollen. Beiden Geschlechtern daraus einen Vorwurf zu machen, wäre absurd, denn hierbei handelt es sich um das ererbte Verhalten der Vorfahren. Mit Verständnis ist das gegenseitige Verstehen gemeint, aber auch der Grad der Toleranz. Modern ausgedrückt, ist es die Qualität der Kommunikation. Man hat gleiche oder ähnliche Ansichten bei den wichtigsten Themen, jedenfalls kann man sich in der Diskussion ohne Streit annähern. Eine Einigung ist meistens möglich, die abweichende Meinung des anderen wird in Einzelfällen toleriert. In der großen Linie, wie die Partnerschaft verlaufen sollte, ist man grundsätzlich konform.
Den drittwichtigsten Aspekt bei der Bewertung der Liebe, das Vertrauen, halten Männer leicht für wichtiger als Frauen. Der Unterschied ist nicht signifikant und deshalb halte ich eine Interpretation für schwierig und für entbehrlich. Doch weil das Vertrauen auch in vielen anderen Lebensbereichen eine sehr starke Rolle spielt, möchte ich auch an dieser Stelle nochmals darauf hinweisen, dass es nur relativ langsam erworben werden kann, aber blitzschnell verspielt ist. Viele Frauen begegnen fremden Männern spürbar mit Misstrauen, draußen mehr als drinnen, in der Dunkelheit mehr als am Tag. Ursache dieser Phobie sind einerseits archaische Ängste, die tief im kollektiven Unbewussten vergraben sind und andererseits Medienberichte von Gewaltverbrechen durch Männer an Frauen, die keineswegs verharmlost werden sollen, aber doch in der Wahrscheinlichkeit tatsächlich zum Opfer zu werden, relativ stark überschätzt sind.
Zärtlichkeit, Verständnis und Vertrauen sind alles Kriterien, die der Kommunikation dienen. Sie unterstützen meine These, dass alle unsere Probleme letztlich Kommunikationsprobleme sind, nachhaltig. Es findet ein Austausch statt, eine gegenseitige Basis wird aufgebaut und gepflegt. Die Qualität dieser Kommunikation ist unglaublich wichtig für die Beziehung, also für das Erleben des Gefühlslebens. Kurz für die Liebe. Das Gegenteil von Aggression, das Auslösen positiver Emotionen steht im Mittelpunkt dessen, was sich die Mehrheit wünscht.
An der vierten Stelle steht dann die Treue. Damit ist die ausschließliche Hinwendung zu einem Partner gemeint, die nicht durch eine gleiche Beziehung zu einem Dritten verletzt wird.
Man kann also schon auch zu weiteren Personen ein Vertrauensverhältnis haben, ohne dass ein selbstbewusstes Ich eifersüchtig werden müsste. Wahrscheinlich wissen viele junge Menschen heute nicht, dass der von ihnen manchmal als altmodisch angesehene Wert „Treue“ nicht nur auf das intime sexuelle Verhältnis bezogen ist, sondern auch die Beständigkeit gegenüber Idee und Dingen sowie die Haltung sich selbst gegenüber beschreibt.
Durch Untreue wird immer das Vertrauensverhältnis zumindest vorübergehend empfindlich gestört und Unsicherheit verbreitet. Es ist einfach nicht in unserem genetischen Programm, das auf Reproduktion eingestellt ist, vorgesehen, Treuelosigkeit ohne weiteres zu begrüßen und zu tolerieren. Deshalb ist die Vermutung wahrscheinlich eher richtig als falsch, dass Menschen, die Swinger-Clubs aufsuchen und an Sexorgien Gefallen finden, psychische Störungen haben. Die Fotografie und der Film haben diese fiktive Welt permanenter Geilheit erst geschaffen. Wer sich dessen nicht bewusst ist, wird diese Erkenntnis nicht reflektieren und oftmals die Ansprüche und Wünsche an sich selbst und andere überhöhen. Mit der Folge, dass sie sich nicht annähernd erfüllen lassen. Frustration durch versagte Befriedigung kann aggressive wie auch depressive Reaktionen auslösen, die in ihrer Intensität umgekehrt proportional sein können.
Als weitere Begriffe, auf die es bei der Liebe maßgeblich ankommt, gelten den Deutschen Übereinstimmung, Humor, Erotik und Geduld. Es mag überraschen, dass die Erotik den vorletzten Platz einnimmt, denn in der medialen Darstellung hat der Sex ja eine überragende Position. Der Grund liegt vor allem darin, dass die bunten Bilder einen gewissen Reiz auf den Betrachter ausüben und sich nackte Busen, Po’s und Waschbrettbäuche ganz einfach zeigen lassen. Menschen sind nun mal an Menschen interessiert, wenn es um ihre eigene Liebe geht, aber nicht unbedingt an der ständigen Ausübung sexueller Handlungen. Das Bild, das schöne junge Leute in der Werbung vermitteln korrespondiert wenig mit der Wirklichkeit.
Außerdem fällt auf, dass Übereinstimmung als wichtig angesehen wird, also sich Gegensätze in der Liebe eher nicht anziehen, sondern sich gleich und gleich gerne gesellen. Aufgrund der Informationsflut und Meinungsvielfalt tut es offenbar der Liebe gut, wenn sich nicht über alles gestritten werden muss. Allerdings wurde durch neuere Forschung herausgefunden, dass sich Partner zwar grundsätzlich riechen können müssen, aber gerade denjenigen als Lebensgefährten wählen, der einen anderen Duft ausströmt als sie selbst. Insbesondere Frauen sind auf diesem Gebiet sehr empfindlich. Vermutet wird nun, dass diese Wahl mit der Nase dazu dient, sich mit Partnern zu paaren, die sich genetisch deutlich unterscheiden, was auch durch den Körpergeruch zum Ausdruck kommt, um dem Nachwuchs unbewusst die Chance zu geben, mehr Vitalität und weniger Erbkrankheiten zu haben.
Liebe, Humor und Geduld
Auffällig ist, dass in sehr vielen Bekanntschaftsanzeigen Männer wie Frauen humorvolle Part-ner suchen. Das Wort Humor kommt aus dem Lateinischen und speziell von (h)umor, was Flüssigkeit bedeutet. In der Antike wurde nämlich geglaubt, die Temperamente würden von der Zusammensetzung der Körpersekrete abhängen. Nun, das hat sich als Irrtum herausgestellt. Was den Humor angeht, gibt es sehr viele Spielarten und Nuancen, die vom feinen, si-tuativen Humor, der mir der liebste ist, über die Ironie bis hin zum groben und schwarzen Humor reichen. Und der Humor sollte auch möglichst nicht mit dem Witz verwechselt werden, schon gar nicht mit dem besonders plumpen deutschen Herrenwitz. Ich hoffe, gemeint ist bei den Partnervorstellungen in den Anzeigen eine heitere Gelassenheit und Selbstironie, die jemand ausstrahlt. Allerdings bin ich mir da gar nicht so sicher, wenn ich überlege, welche Unterhaltungssendungen im Fernsehen die höchsten Quoten haben.
Gelacht wird ja nur über etwas, das erkennbar nicht in Ordnung ist. Es geht etwas schief, sprachlich oder szenisch. Schadenfreude kommt auf, weil jemand sich dumm oder ungeschickt anstellt. Sollten sich da am Ende die Partnersuchenden getäuscht haben, bei ihrer Humorvorstellung und gerade deshalb keinen Partner finden, weil sie in punkto Humor eigentlich immer enttäuscht werden? Von einem professionellen Humoristen kann nicht erwartet werden, dass er auch privat lustig ist. Und alle anderen amateurhaften Spaßmacher, die lustigen Dicken und verkappten Alkoholiker, die Karnevalisten und sonstigen Selbstdarsteller mit elektronischer Orgel, sind das denn wirklich so genannte „Brüller“, wenn die loslegen und nicht mehr zu stoppen sind? Skepsis und Zweifel müssen erlaubt sein.
Einige Sätze noch zu einer anderen Erwartung, die da heißt, geduldig zu sein. Sie hat weitest-gehend mit ruhigem Zuhören zu tun, was eine Erziehungsaufgabe der Eltern wäre. Geduldig mit ihrem Partner umzugehen, haben doch offenbar die wenigsten gelernt, sonst gäbe es nicht die steigenden Scheidungsraten und ständigen Trennungsgelüste. Ohne eine ganze Portion Geduld lässt sich keine länger währende Liebe aufbauen. Toleranz, also das gelten lassen anderer Anschauungen in religiösen, politischen, sozialen und philosophischen Fragen ist nur möglich, wenn ein Grundwissen vorhanden ist. Das gilt übrigens auch für die praktischen Problemlösungen des Alltags, die zu Streitpunkten werden können, weil niemand die Verantwortung für ein Gelingen übernehmen möchte und lieber flüchtet als standhält. Um vermutlich zu erleben, dass sich die gleichen Konflikte in der nächsten Partnerschaft wiederholen.
Die Kriterien bei der Partnerwahl
In Zusammenhang mit der Liebe das Thema „Partnerwahl“ aufzugreifen, ist sicherlich nahe liegend. Denn es hält sich hartnäckig die Meinung, es würde so etwas wie eine Liebesheirat geben. Also ein Eheversprechen, bei dem nur die Liebe zählt. Aus psychologischer Sicht ist diese weit verbreitete Ansicht eine der zahlreichen Illusionen, die wir in der Welt der großen Gefühle vorfinden. Liebe hat mit Logik nichts zu tun, insofern haben logische Argumente keinerlei Relevanz, doch sie werden vom Umfeld der Liebenden ständig gebraucht, um Partnerschaften zu stiften oder zu verhindern.
Kurz gefasst kann festgestellt werden: Männer bewerten bei der Wahl ihrer Partnerinnen vorrangig Merkmale des generativen und Frauen des sozialen Reproduktionserfolgs. Generativ ist Lateinisch und heißt geschlechtlich, die Fortpflanzung betreffend. Mit anderen Worten: Männer stellen höhere Ansprüche an die äußere Erscheinung ihrer Partnerinnen, während Frauen die materiellen Versorgungsaspekte einer Beziehung stärker bewerten. Studien haben gezeigt, dass dies auch für finanziell eigenständige und abgesicherte Frauen gilt. Generell kann gesagt werden: Männer suchen jüngere Frauen und Frauen gut situierte Männer.
Selbstverständlich ist die hier geäußerte Ansicht umstritten, weil sie nicht immer mit der Rea-lität konform geht. Wir kennen alle das Gegenteil. Männer heiraten ältere, hässliche Frauen und Frauen arme, hässliche Männer. Ob aus Liebe oder anderen Gründen sei mal dahin ge-stellt. Doch um die Ausnahmen geht es gar nicht, sondern um den durch die Evolution in Tausenden von Jahren geprägten Antrieb des Fitnessvorteils. Und der ist nun mal recht eindeutig der, dass jüngere Frauen erstens eher hübscher und gesünder sind und zweitens eher und mehr Kinder bekommen können. Während wohlhabende Männer besser den Rahmen für ein vernünftig ablaufendes Familienleben bieten können. So die Theorie, die unauslöschlich im Unterbewusstsein vorhanden ist.
Deshalb ist die Behauptung, man hätte nur aus Liebe geheiratet, zumindest teilweise ein romantisches Märchen. Der Mensch macht überhaupt nichts ohne Motivation, und bei einer so lebensbestimmenden Entscheidung wie einer Hochzeit, spielt mit Sicherheit ein ganzes Motivationsbündel bei beiden Partnern eine Rolle. Der US-amerikanische Psychologe Abraham Maslow hat die Motive in sechs hierarchisch strukturierte Kategorien eingeteilt: (1) physiologische, das sind die physikalischen und chemischen Prozesse, die ein Organismus zum Leben benötigt, (2) Sicherheit und Geborgenheit, (3) Liebe und Zugehörigkeitsgefühle, (4) Verantwortung, Status und Anerkennung, (5) Selbstverwirklichung sowie (6) Neugier und das Bedürfnis zu verstehen.
Nun gibt es zwei grundsätzliche Persönlichkeitstypen: Erfolgsmotivierte, die ihre Erfolge auf eigene Anstrengungen und Leistungen zurückführen und ihren Misserfolg auf Pech. Und es gibt Misserfolgsmotivierte, die ihre Erfolge auf Glück und Zufall zurückführen, und ihre Misserfolge auf mangelnde Anstrengungen und zu geringes Leistungsvermögen. Männer gehören mehrheitlich zur ersten Kategorie, während Frauen eher zur zweiten Kategorie neigen. Das drückt sich nicht nur in der Anzahl der Depressiven aus, die überwiegend Frauen sind. Frauen nehmen auch wegen ihrer sozialen Rolle die Gewissensbildung, also die Internalisierung vermittelter Normen viel ernster und genauer. Sie übernehmen eher Wertentscheidungen, weil sie mehr zu verlieren haben. Ihr verstärktes „Über-Ich“, wie in der Psychologie seit Freud das Gewissen genannt wird, kann sie zur Übernahme von Schuld und zu Duldungsverhalten auch dort verpflichten, wo es absurd ist. Während Männer die Schuld gerne bei anderen sehen. Ein Indiz für die unterschiedliche Wahrnehmung ist nicht zuletzt die Tatsache, dass Gewalt im gesellschaftlichen Bewusstsein größtenteils Männersache ist. Auf Prozentzahlen kann man sich hier allerdings nicht festlegen, weil in Studien nicht eindeutig zu klären ist, ob häusliche Gewalt eher von Männern oder Frauen ausgeht.
Wenn wir über die heutige Liebe zwischen zwei Menschen reflektieren, sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass wir es mit einer völlig neuen Kultur des Wählens zu tun haben. Die Kriterien der Partnerwahl haben sich dramatisch verändert. Es ist grundsätzlich eine ganz erhebliche Überschätzung der eigenen Person festzustellen, die mit einer enorm gestiegenen Ungeduld gegenüber anderen einhergeht. Das Anspruchsniveau wird heute von Männern wie von Frauen generell so hoch angesetzt, dass die Wahrscheinlichkeit, dem passenden Partner überhaupt zu begegnen, relativ gering ist. Was naturgemäß nach einiger Zeit zu Frustrationen führt und hervorragend als Begründung geeignet ist, die Suche ganz aufzugeben. Wer ständig bei neuen Bekanntschaften gleich verlauten lässt, dass er ohnehin an festen Beziehungen nicht interessiert ist, darf sich nicht wundern, wenn er Single bleibt.
Hinzu kommt ein technischer Aspekt, der die Liebe viel mehr stört als sich die Menschen bewusst sind. Die direkte Kommunikation von Angesicht zu Angesicht weicht immer mehr der Angewohnheit, eine Maschine zwischen zu schalten, die Worte und Bilder übermitteln und speichern kann. Die Partner können sich, auch weit entfernt voneinander, rund um die Uhr sprechen und sehen. Und kontrollieren! Sie müssen im Prinzip gar nicht mehr zusammen tref-fen und den Aufwand treiben, der damit verbunden ist. Der Trend geht ja auch bei denjenigen, die es sich leisten können, zu getrennten Wohnungen. Es gibt schon Beziehungen, wo Partner in jeweils anderen Erdteilen leben und diese Form für die beste halten. Psychologisch betrachtet wissen wir, dass Frauen, die sich in Häftlinge verlieben, ein Nähe-Distanz-Problem haben, kombiniert mit Minderwertigkeitsgefühlen einerseits und Dominanzstreben andererseits. Genophobie, bei der Sexualität der Angstgegenstand ist, kann außerdem sein. Es bleibt zu hoffen, dass diese Art von Störungen nicht auch bei vielen Fernbeziehungen eine Rolle spielt.
Unsere moderne Gesellschaft macht sich jedenfalls ungeheueren Partnerstress durch die Mo-biltelefone. Denn was so bequem ist, das Senden und Empfangen von Wort- und Bildbotschaften, ermöglicht auch eine totale Kontrolle des Partners und durch die Speicherung haben sich die Beweismittel für Fehlverhalten multipliziert. Durch die SMS-Messages ist die frühere Hemmschwelle praktisch verschwunden, Personen der eigenen Begierde anonym anzusprechen, ebenso im Internet-Chat. Es hat sich eine völlig neue Qualität der Wahl entwickelt, von der inzwischen millionenfach Gebrauch gemacht wird. Wer die besten Sprüche machen kann, gewinnt erst einmal. Die Sprücheklopfer und geistigen Bügelbretter haben Hochkonjunktur. Die allgegenwärtige Lüge feiert Triumphe. Es ist nicht leicht, in dieser Scheinwelt zu recht zu kommen, wenn man andere Vorstellungen vom Fundament der Liebe hat. Wenn jeder Mensch sich heute für einzigartig und bedeutend hält, gibt es naturgemäß fast unüberbrückbare Hürden, jemand anderen für ebenso großartig zu halten. Liebe könnte die unwahrscheinliche Kommunikation mit einem ebenbürtigen Partner wahrscheinlicher machen, wenn er oder sie jemals gefunden würde. Doch wird ein selbstverliebtes Ich wohl eher nicht erkennen, wann jemand seinen übertriebenen Ansprüchen genügt und ewig allein bleiben.
Die Fernbeziehung
Genau genommen ist schon das Wort „Fernbeziehung“ absurd, denn Beziehungen, gerade Liebesbeziehungen, benötigen eigentlich die Nähe. Aber die globalisierte Arbeitswelt, vielmehr der beiderseitige Wunsch nach Selbstverwirklichung im Beruf, reißt Paare auseinander. Ins Dickicht der globalen Zivilisation hat der Einzelne seinen Lebensraum zu schlagen und nicht mehr wie früher die Sippe eine Lichtung in den Wald. Schadet es der Liebe, wenn die Arbeit Vorrang hat? Nun, Paare in Fernbeziehungen heiraten später, trennen sich später als sie es hätten tun sollen und streiten sich weniger. Alles, weil sie sich sehr viel weniger sehen. Aber sie fürchten sich sehr viel mehr, vom Partner betrogen zu werden, obwohl amerikanische Studien bewiesen haben wollen, dass diese Befürchtungen nicht begründeter sind als bei Partnern die zusammenleben.
Ginge die so genannte „Fernbeziehung“ ewig, würden vielleicht nicht die Probleme auftauchen, die sehr wahrscheinlich auftreten, wenn man zusammenzieht. Denn in dem Moment werden die praktisch geführten zwei Leben aufgegeben, übrigens von beiden. Aber doch in unterschiedlicher Weise, denn zumindest einer verlässt seinen Freundeskreis, seine Stadt, oft sogar sein Land und das Gebiet seiner Muttersprache. Diese dramatische Veränderung kann als Bereicherung oder Belastung erlebt werden, gerade auch ganz besonders verstärkt durch den möglichen Vergleich zur Vergangenheit. Die psychologisch notwendige Idealisierung des Anderen während der Fernbeziehung ist aufgehoben, der gewohnte „langwellige“ Rhythmus von Vorfreude und Erleben ist weg. Der Alltag mit seinen relativ kurzen Phasen, zu denen zwangsläufig auch Ruhe und Langeweile gehören, ist da. Ob die Liebe diese neuen Herausforderungen überlebt, hängt vom Denken und Verhalten der Partner, vor allem aber von der Entwicklung ihrer Gefühle ab, also dem sehr komplexen Befindlichkeitszustand des Bewusstseins gegenüber Aspekten des inneren und äußeren Erlebens.
Was ist ein gelungener Heiratsantrag?
Das Wort „Ehe“ kommt vom althochdeutschen „Ewa“ und heißt so viel wie „ewig geltendes Gesetz“. Wie wir alle wissen, kann bei ungefähr der Hälfte der Ehen nicht mehr von Ewigkeit gesprochen werden, es sei denn wir würden in unserer schnelllebigen Zeit darunter wenige Jahre verstehen. Ehen werden in den meisten Gesellschaften als ein Vertrag geschlossen, eingebettet in ein religiöses Ritual. In der römisch-katholischen und östlich orthodoxen Kirche gelten Ehen eigentlich als unauflöslich, doch es gibt in der Praxis Interpretationsmöglichkeiten. Außer im Hinduismus, wo die Ehe nun wirklich nicht geschieden werden kann und es immer wieder zur Ermordung der Ehefrau kommt, auch weil bei einer Trennung die Mitgift zurückgegeben werden müsste.
Zum Zeitpunkt der Frage „Willst du mich heiraten?“, die ja in traditionellen Gesellschaften mit üblicherweise arrangierten Heiraten nicht zur Debatte steht, denkt natürlich niemand an ein Scheitern der Ehe. Aber über die Vorstellungen, wie ein Antrag sein sollte, gibt es auf Grund von Studien Erkenntnisse. Überraschend ist, was für die Leute am wichtigsten ist: „dass sich das Paar schon lange kennt und möglichst schon zusammen gelebt hat“. Gerade die 14- bis 29-Jährigen sind zu 65% dieser Ansicht. Sie wollen so zu sagen auf Nr. Sicher gehen. Drum prüfe, wer sich ewig bindet, gehört für die junge Generation zum wichtigsten Kriteri-um überhaupt. Nur nicht zu schnell „Ja“ sagen und Verantwortung übernehmen. Hier zeigt sich bereits deutlich der Trend zum „Histrio“(ein Histrione war ein Schauspieler im antiken Rom), einem emotional instabilen Menschen mit Drang zur Selbstinszenierung und Verlangen nach ungeteilter Aufmerksamkeit. Für ihn ist die ganze Welt eine Bühne und das Leben ein Spiel. Seine immer neuen Vorbilder findet er in den Medien und er nimmt seine Bindungsunsicherheit mit in sein Erwachsenenleben.
Auf die Frage, wo ein Heiratsantrag erfolgen sollte, stellen sich 41% dies bei einer beson-deren Gelegenheit vor. Also im Urlaub oder spontan bei einem Waldspaziergang. Oder auch in einem Restaurant bei Kerzenschein und vielen Rosen. Das dass Finanzielle geregelt ist und das Paar sich einig ist, ist den meisten sehr viel wichtiger als die Anwesenheit von Zeugen, also Freunden oder Verwandten. Vor der Frau auf die Knie fallen müssen die Männer auch nicht mehr, auch wenn es mehr Männer als Frauen glauben. Die richtigen Worte zu finden, ist sicherlich angebracht. Gerade wenn sie beim Schwiegervater um die Hand der Tochter anhalten, was 23% der Männer für wichtig halten, aber nur 20% der Frauen.
Was ist Eifersucht?
Nicht nur die Liebe, auch die Eifersucht unterscheidet sich evolutionsbedingt ganz erheblich bei den Geschlechtern. Die Männer haben eine erhöhte Motivation, sexuelle Untreue durch die Partnerin zu erkennen. Dazu haben sie handfeste Gründe, denn ein nicht geringer Prozentsatz mit hoher Dunkelziffer sind untergeschobene Kinder. Ganz interessant ist in diesem Zusammenhang die Beobachtung, dass die Familie der Mutter gleich sofort nach der Geburt besonders viele Ähnlichkeiten des Nachwuchses mit dem Vater erkennt. Mehr jedenfalls als die Familie des Vaters, die sich bei solchen Feststellungen unbewusst deutlich zurück hält.
Die Frauen konzentrieren ihre Eifersucht bevorzugt darauf, Anzeichen tiefer emotionaler Zuneigung des Partners zu anderen Frauen zu entdecken. Selbst ein aus ihrer Sicht zu enges Verhältnis des leiblichen Vaters zu den gemeinsamen Töchtern vermag sie manchmal zu irritieren. Das ist im Unterbewusstsein deshalb so angelegt, weil für sie das Verlassen, vor allem auch noch mit Nachwuchs, schon immer einen erheblich größeren Einschnitt in ihr Leben bedeutet hat. Frauen mit Kindern hatten und haben definitiv eingeschränkte Chancen, wieder einen neuen Partner zu finden. Heute wird aufgrund der Berufstätigkeit und finanziellen Unabhängigkeit der Frau ein Scheitern von Ehen und Partnerschaften nicht mehr als ganz so gravierend angesehen, aber das Erleben von stärkeren Eifersuchtsgefühlen bei der Entdeckung länger andauernder Untreue ist geblieben.
Liebe ist Lernen
„Wir lernen nur von denen, die wir lieben“ hat Johann Wolfgang von Goethe gesagt das deutsche Genie aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Ein weiser Satz, ein wahrer auch, der heute nach wie vor gelten könnte, aber praktisch kaum noch gilt. Die gelebte Konfrontation zwischen Eltern und Kindern sowie zwischen Lehrern und Schülern setzt sich fort im Beruf und in den Beziehungen. Alle meinen schon alles zu wissen, alles zu können. Jeder erwartet vom anderen unterhalten zu werden. Wenn schon nicht das, dann wenigstens finanziert. Dass die Liebe dabei leicht auf der Strecke bleiben kann, weil die Partner schnell nicht mehr den hochgeschraubten, medial orientierten Idealen entsprechen, ist nahezu zwangsläufig. Wo die Liebe nicht die Zeit hat, sich zu entwickeln, stirbt sie und bei denjenigen, die ihr Leben für einen Film halten, hat sie überhaupt keine Chance.
„Wir sind alle zum Lieben geboren. Es ist der Sinn unseres Seins und sein einziger Zweck“ ist eine Formulierung von Benjamin Disraeli, Earl of Baconsfield, dem britischen Schriftsteller und von seiner Einstellung her liberal-konservativen Politiker, der bis 1880 Premierminister von Großbritannien war. Kann man es schöner und umfassender ausdrücken?
Was tun, wenn man verlassen wird?
In unserer Zeit ist die Erfahrung, verlassen zu werden oder jemand zu verlassen, allgegenwärtig. Wobei nach wie vor das eine mehr schmerzt als das andere. Ja, es kann entsetzlich weh tun und bekanntlich spüren wir den Schmerz vor allem bei uns selbst. Dennoch finden Evolutionsforscher, der Liebestrieb hätte den Vorteil, sich auf einen Partner zu konzentrieren und in Ruhe Nachwuchs zu zeugen und aufzuziehen. Beides findet heute bekanntlich nicht mehr in dem gewünschten Maße statt. Beim Verlassenwerden gibt es die zwei Phasen Protest und Resignation.
Was ist sinnvoller? Entweder den geliebten Menschen zurückgewinnen zu wollen, oder aber aufzugeben und sich nach einem neuen Partner umzusehen? Es gibt auf diese Fragen keine generellen Antworten. Vor allem kommt es darauf an, zu berücksichtigen, dass wir leicht dazu neigen können, gerade solche Personen zu vergöttern, die uns die kalte Schulter zeigen. Sie erscheinen umso begehrenswerter, je weniger sie erreichbar sind. Haben unsere Versuche keinen Erfolg, sinkt unser Dopaminspiegel und jeder Zweite bekommt leichte Depressionen. Bei Liebeskummer sind wir nicht fähig, klar zu denken und deshalb kommen auch gute Ratschläge von außen nicht wirklich an.
Was also tun? Nun, Trauer ist immer der Preis, der bei einer Trennung bezahlt werden muss, vom Expartner genauso wie vom Verlassenen. Diejenigen, die gegangen sind, waren nur schon einen Schritt weiter als diejenigen, die verlassen worden sind. Ich halte nicht allzu viel davon, das Rad immer wieder zurückzudrehen. Es gibt ja sogar Paare, die sich erst scheiden lassen und nach einiger Zeit wieder heiraten. Weil das Vertrauen massiv zerstört wurde, nicht nur einige Male, sondern in einem länger andauernden Prozess und diese Tatsache immer im Bewusstsein bleibt, sind solche Entscheidungen problematisch. Nein, man sollte die Kraft zu einem Neubeginn finden, also alles wegwerfen, was an den verflossenen Geliebten erinnert und jeden Kontakt zu ihm oder ihr vermeiden. Jedenfalls dann, wenn man im Streit auseinander gegangen ist. Hat man sich jedoch gütlich getrennt, oder muss sich wegen der Kinder sowieso ständig absprechen, ist es sehr sinnvoll, eine Portion Gelassenheit in der Kommunikation zu zeigen. Natürlich, Gefühle sind nicht so einfach zu kontrollieren und schon gar nicht, wenn man zu Hause sitzt und grübelt. Deshalb in die Natur, zum Sport, unter Menschen, wann immer es geht. Wer nur anderen nachläuft, hat oft auch das Nachsehen! Hörigkeit ist die übersteigerte, oft nur eingebildete Abhängigkeit, ein Begriff aus dem Feudalismus des Mittelalters und seiner Leibeigenschaft, der in unserer freiheitlichen Gesellschaftsordnung nichts mehr zu suchen hat.