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Tochter einer Göttin

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Neben den beiden Vätern Thutmosis I. und Amun nimmt Hatschepsut auch eine weibliche Gottheit, nämlich Hathor, als göttliche Mutter in Anspruch. In Deir el-Bahari hat sie der Hathor eine eigene Kapelle mit aufwändiger Dekoration geweiht. Dort wird der Isis-Horus-Mythos aktualisiert und auf Hatschepsut angewandt. Die Hathorkapelle wird identifiziert mit dem mythischen Papyrus-Dickicht, in dem Isis ihr Kind vor der Verfolgung durch Seth verbirgt. Hathor fungiert wie Isis als Mutter, Schützerin und Gebärerin des Horuskindes. In Gestalt einer Wildkuh kommt Hathor zu ihrer Tochter Hatschepsut. Mehrere Reliefs zeigen, wie Hathor zärtlich die Hand des Königs leckt oder Hatschepsut am Euter der Hathor trinkt (siehe Abb. 6). Die Gottesmutter nährt ihre Tochter und gibt ihr göttliche Lebenskraft.

Eine Inschrift lässt Hathor sprechen:

Ich komme zu dir, meine geliebte Tochter, König von Ober- und Unterägypten: Maat-Ka-Re, Tochter des Re: HATSCHEPSUT DIE-AMUN-UMARMT. Deinen Arm küsse ich, deinen Leib lecke ich; Deine Majestät erfülle ich mit Leben und Glück, wie ich es für Horus tat in der Geborgenheit des Nestes von Chemnis.

Abb. 6: Hathor stillt Hatschepsut (in männlicher Gestalt) mit göttlicher Milch (Graphik JK)

Obwohl die Texte der Hathorkapelle die liebevolle Zuwendung der Gottesmutter zu ihrer Tochter Hatschepsut in geradezu poetisch-zärtlicher Weise ausdrücken, geht es hier nicht primär um Mutter-Kind-Romantik. Vielmehr wird über den Horus-Bezug ein zentrales Thema des Königtums der Hatschepsut festgehalten. Horus ist ja die mythische Verkörperung des legitimen Königtums. Er rächt den Mord an seinem Vater und setzt sich als rechtmäßiger Thronerbe gegen seinen Widersacher Seth erfolgreich zur Wehr. Nach längerem Kampf siegt Horus gegen Seth. Der legitime König triumphiert über seinen Feind, die göttliche Ordnung triumphiert über das Chaos. Was König Hatschepsut von Hathor bekommt, ist also vor allem die horusmäßige Legitimität ihrer Herrschaft. Dabei geraten die Geschlechtsrollen auch im Text kräftig in Reibung. Es ist hier nicht nur das Bild, das Hatschepsut als Mann zeigt, vielmehr findet sich auch im Text ein eindeutig männlicher Aspekt: die Sohnesrolle des Horus. Trotzdem wird auch am persönlichen Geschlecht der Hatschepsut festgehalten. Immer wieder wird sie als Tochter angesprochen und sogar der traditionelle Sohn-des-Re-Titel erhält eine weibliche Fassung. Daraus resultiert dann eine höchst spannungsvolle Aussage: Als Tochter von Hathor, Re und Amun ist Hatschepsut zugleich Horus, Sohn der Isis. Und so zeigt sich auch, wie das Bemühen um eine Verweiblichung der Tradition an seine Grenzen stößt.

Sexualität – Macht – Religion

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