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I.Eine Frau als König? – Der politische Körper der Hatschepsut

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Die erste Zeitreise macht deutlich, dass mit Sexualität nicht nur Sex gemeint ist. Es geht vielmehr auch um das Geschlecht, das uns mitgegeben ist, und um die Geschlechtsrolle (engl. Gender), die uns Kultur und Gesellschaft deshalb zuweisen. Die Geschlechtsrolle ist so etwas wie unser gedachter kultureller, politischer und religiöser Körper. Indem eine Gesellschaft definiert, wie sie Männlichkeit oder Weiblichkeit versteht, weist sie jedem Menschen einen gedachten Körper zu, der seinem / ihrem wahrnehmbaren Körper irgendwie entspricht. Damit verbunden ist die Erwartung, in diesen geistigen Körper hineinzuwachsen, also ein richtiger Mann oder eine richtige Frau zu werden. Diese Erwartungen wirken dann wieder zurück auf die Wahrnehmung des eigenen Körpers, auf die persönliche Zuordnung dieses Körpers zu einem Geschlecht und sogar auf die Gestaltung dieses Körpers – etwa durch Kleidung, Kosmetik, Training oder operative Eingriffe.

Nun aber genug der Vorrede. Unser kleiner Theorie-Koffer ist gepackt und wir starten unsere erste Zeitreise. Wir sind im Ägypten des Neuen Reiches, etwa in der Mitte des 15. Jahrhunderts v. Chr. Nach kurzer Herrschaft ist König Thutmosis II. gestorben. Für eine seiner Witwen ist dieser Tod ein besonderes Problem. Die „Große Königsgemahlin“ Hatschepsut hat ihrem Ehemann (und Halbbruder) nämlich „nur“ eine Tochter geboren. Als Mädchen ist sie nicht berechtigt, die Krone zu erben. Damit geht die Thronfolge auf den Sohn einer Nebenfrau über. Das kann für Hatschepsut bedeuten, dass sie ein ganz normales Mitglied des königlichen Harems wird – ohne herausgehobene Stellung. Diese gebührte meist der Königsmutter. Verglichen mit den normalen Ägypterinnen ist der Status einer königlichen Dame unvorstellbar privilegiert, aber vielleicht ist er doch zu wenig für die „Spitze der Damen“ (so ähnlich die Übersetzung des Namens Hat-schepsut), die ja genau wie ihr verstorbener Gatte und Halbbruder ein Kind von König Thutmosis I. ist.

Die männliche Erbfolge kann aber offensichtlich nicht außer Kraft gesetzt werden. Sie ist ja auch mehr als nur eine rechtliche Regelung. Sie ist fest verankert im religiösen Rahmen, der das königliche Amt begründet. Die ägyptische Tradition versteht den König als Inkarnation des Himmelsgottes Horus. Er ist „Horus auf dem Thron“ und zugleich Sohn des höchsten Gottes (zunächst des Sonnengottes Re, später dann des Amun-Re). Als Sohn ist der König der Stellvertreter und das Abbild seines göttlichen Vaters. Als Gottessohn hält er durch seine Herrschaft die Welt als Haus seines himmlischen Vaters in Ordnung. Und ein Sohn ist nun einmal männlich.

So wird es auch vom Isis-Horus-Mythos vorausgesetzt. Dieser Mythos identifiziert den König mit Horus, dem Königssohn, der seinen ermordeten Vater Osiris rächt und dessen Herrschaft übernimmt. Solange der König auf Erden regiert, ist er der „lebende Horus“. Und wenn der König stirbt, dann geht er ein in die Rolle des Vaters, er wird zu Osiris. Der Vater-Gott Osiris, der im Jenseits herrscht, ist die (männliche) Gestalt, in die jeder tote König sich verwandeln muss, wenn er seine Königsherrschaft über den physischen Tod hinaus verewigen will.

Die gesamte Königsideologie ist also auf das männliche Geschlecht des Amtsträgers ausgerichtet. Das drückt sich auch in den königlichen Titeln und in seinem Ornat aus. Der König führt den Titel „Sohn des Re“, trägt selbstverständlich männliche Kleidung, einen Zeremonialbart und einen Stierschwanz, der ihn als „Starker Stier“ kennzeichnet.

Das Amt des Königs ist also durch und durch männlich bestimmt. Für eine weibliche Besetzung ist da kein Spielraum. Es überrascht also nicht, dass der Sohn einer Nebenfrau, auch wenn er noch ein Kind war, das Erbe seines Vaters antreten musste, während dies Hatschepsuts Tochter Neferure verwehrt blieb.


Abb. 1: Ein Fragment aus dem Karnak-Tempel zeigt Hatschepsut mit dem Titel (markiert) und in der typischen Tracht einer „Großen Königsgattin“ (Geierhaube und Doppelfederkrone, busenfreies Trägerkleid) beim Opfer. (Graphik JK)

Irgendwie ließ sich aber der drohende Bedeutungsverlust für Hatschepsut abwenden. Sie übernimmt anstelle der rangniederen Königsmutter die Vormundschaft für den unmündigen Knaben, der als König Thutmosis III. installiert wird. Solche Konstruktionen stellvertretender Herrschaft von Frauen waren in der ägyptischen Geschichte zwar selten, aber nicht unmöglich. Selbstverständlich wird Hatschepsut in der Zeit der stellvertretenden Regentschaft auf den Reliefs so abgebildet, wie es sich für eine Königsgemahlin gehört, nämlich als Frau.

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