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Zur Frage der Gnostik

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„Gnostik“ heißt eigentlich „Lehre“ oder „Erkenntnis“, oder genauer, „Gotterkenntnis“. In diesem Sinne wollen wir den Begriff der Gnostik hier gebrauchen.

Drei Fragen versucht die Gnostik zu beantworten, jedenfalls nach meinem Verständnis:

1. die Frage nach dem Gottesbild (Trinität),

2. die Frage nach dem Verhältnis von Gott zur Welt, also die Frage nach der Schöpfung

an sich, und

3. die Frage, wie das Böse in die Welt kam, also die Frage nach der Theodizee.

Zur ersten Frage habe ich einen gesonderten Text geschrieben (siehe unten). Die Frage der Theodizee wird zu gegebener Zeit ebenfalls gesondert behandelt. Ich möchte nun in erster Linie auf die Kernfrage der Gnostik schlechthin eingehen, die Frage nach der Schöpfung bzw. die Frage nach dem Verhältnis von Gott zur Welt. Gnostik ist somit auch ein Sprechen „über Gott und die Welt und den ganzen großen Zusammenhang“. (Beuys)

Es gibt hierzu ganz unterschiedliche gnostische Standpunkte. Ich selber unterscheide die

folgenden fünf Positionen:

1. den Theismus, wobei der Deismus nur eine schwache Spielart ist

2. den Panentheismus

3. den Pantheismus

4. den Agnostizismus

5. den Anthropotheismus

6. die anthropomorphe, atheistische Religion, säkularisierte Spiritualität

7. den Atheismus

Der Theismus sieht Gott über, oder besser, außerhalb der Welt; Gott hat die Welt erschaffen,

und er lenkt ihre Geschicke, aber er ist nicht selber „Welt“.

Der Panentheismus ist eine „Welt-in-Gott-Lehre“. Dies ist auch meine Position.

Der Pantheismus ist eine „Die-Welt-ist-Gott-Lehre“, eine Auffassung, die Gott und Welt gleichsetzt, und die in Indien weit verbreitet ist.

Der Agnostizismus ist eine Art Zwischenposition zwischen Theismus und Atheismus, wobei er sich nicht festlegen will. „Vielleicht“ gibt es einen Gott, „vielleicht“ aber auch nicht.

Der Anthropotheismus glaubt, dass der Mensch selbst ein Gott ist.

Die anthropomorphe, atheistische Religion bzw. die säkularisierte Spiritualität steht der Welt mit spirituellen Empfindungen gegenüber, aber sie glaubt nicht an einen Gott. Beispiele hierfür sind der Buddhismus und die säkularisierte Spiritualität von Feuerbach und Metzinger.

Der Atheismus leugnet Gott generell.

Man kann die unterschiedlichen gnostischen Standpunkte mit Hilfe von drei Trippeln näher zu systematisieren versuchen:

Theismus, Panentheismus, Pantheismus

Theismus, Agnostizismus, Atheismus

Theismus, Pantheismus, Atheismus

Ich selber vertrete unbedingt einen Panentheismus. Der Panentheismus ist eine „Welt-in-Gott- Lehre“ und einzig mit der christlichen Mystik vereinbar. Die christlichen Mystiker waren oftmals Panentheisten, so z.B. Angelus Silesius.

Der Theismus meint, Gott stünde außerhalb der Welt, die Welt sei nicht Gott, hingegen lenke

Gott die Welt, aber eben von außen.

Der Pantheismus setzt, wir sagten es bereits, Gott und Welt gleich. Es handelt sich praktisch um einen Identitätsgedanken, dem aber leider ein ungemein materialistischer Zug anhaftet Der Panentheismus hingegen ist eine „Alles-in-Gott-„ oder eben eine „Welt-in-Gott-Lehre“. Die Welt ruht „in“ Gott, und Gott ist in der Welt. Aber: Gott steht doch über der Welt. Oder: Gott ist „mehr“, als die bloße Welt.

Während man sich den Theismus wie zwei übereinanderliegende Kugeln vorstellen könnte, den Pantheismus aber als zwei genau deckungsgleich inneinanderliegende Kugeln, so könnte man sich den Panentheismus als ein sehr große Kugel (oder sogar ein Ei) und ein ganz in ihr liegende kleinere Kugel vorstellen. Eine Kugel steht dann jeweils für Gott, die andere für die Welt.

Ich möchte dafür einmal den folgenden Glaubenssatz gebrauchen:

Gott hat die Welt erschaffen, und die Welt ruht in Gott, und durch den Menschen kehrt die Schöpfung zu Gott zurück.“

Und weiter: „Im Namen des Vaters, und des Sohnes, und des heiligen Geistes. Amen.“

Ein ganz einfaches Mantra. Es kann von jedem jeder Zeit gebetet werden.

Grundriss der Philosophie XI Religionsphilosophie und Philosophische Theologie

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