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Das Hagakure: Inhalt, Struktur und Titel

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Obwohl es des Öfteren als die wichtigste Bushidō-Schrift überhaupt bezeichnet wird,8 stehen im Hagakure nicht etwa die militärischen Künste der Samurai im Mittelpunkt, sondern die Frage, wie ein Samurai auf rechte Art und Weise seine Pflicht im Lehnsdienst (hōkō) erfüllen kann. Und auch das Ideal des »Sterbens« im wohl berühmtesten Satz des Hagakure: »Der Lebensweg eines Kriegers bedeutet, zu begreifen, dass man sterben wird und sterben muss«9, bedeute laut Inoue Toshiyuki nicht etwa, wirklich sein Leben zu verlieren, sondern sei ein Ausdruck für die absolute »Entschlossenheit« gegenüber allem, was man sich im Leben vornehme. Darum sei es auch ein Werk, das zu Problemen des menschlichen Lebens in der modernen Gesellschaft konkrete Lösungsvorschläge zu bieten habe.10

Vor allem aber auch wegen dieses berühmten Satzes und der Forderung des Autors nach selbstaufopferndem Dienst und unbedingtem Gehorsam dem Lehnsfürsten gegenüber fand das Hagakure vor dem und während des Zweiten Weltkriegs großen Anklang beim japanischen Militär und galt laut Mishima während des Kriegs praktisch als Pflichtlektüre.11 Darum wurde es auch im Zuge der Entmilitarisierung Japans nach dem Krieg durch die amerikanischen Besatzungstruppen als militaristisch-fanatische Propaganda auf den Index gesetzt, bis Watsuji Tetsurō, der einflussreiche Philosoph und Verfechter einer Einzigartigkeit der japanischen Identität, seine Vorkriegsstudien des Hagakure erneut aufnahm und so das Buch wieder als Forschungsgegenstand gesellschaftsfähig machte.

Von Ethikwissenschaftlern der Gegenwart wird das Hagakure oft dahingehend interpretiert, dass Samurai versucht hätten, durch die Übergabe ihres Lebens an die Pflicht bzw. den Lehnsherrn eine übergeordnete, transzendente Freiheit zu erlangen. Darüber hinaus wird versucht, das Hagakure als Aufruf zum »Dienst an der Öffentlichkeit« zu interpretieren, zu einem Dienst also, der den Frieden in der Gesellschaft zum Ziel habe. Einige zentrale Begriffe des Hagakure wie »Todeswahn« (shinigurui) werden dabei vernachlässigt, uminterpretiert oder völlig ignoriert, um das Werk mit gegenwärtigen Ethik- und Moralbegriffen sinnhaft verknüpfen zu können.12

Das Hagakure wurde ursprünglich von Yamamoto Jōchō13 (1659–1719) erzählt und dann von Tashiro Tsuramoto (1678–1748), beides ehemalige Samurai der Saga-Domäne in Südjapan, tagebuchartig notiert und als Manuskript zusammengefasst. Das ganze Werk besteht aus elf Bänden mit insgesamt 1340 mehr oder weniger zusammenhängenden Paragraphen. Band 1 enthält neben einer Einführung mit dem Titel »Plauderei in den Schatten des Abends«, in der Jōchōs Ethik zusammengefasst und seine vier zentralen Glaubensbekenntnisse vorgestellt werden, die Notizen zur richtigen Lebensweise eines wahren Kriegers, die sich in Band 2 fortsetzen. Die Bände 3, 4 und 5 enthalten Worte und Taten der ersten vier Fürsten des Nabeshima-Klans der Provinz Saga, während Band 6 sich mit alten Überlieferungen der Domäne befasst. Die Bände 7, 8 und 9 wiederum erzählen von Worten und Taten der Samurai von Saga, und die restlichen zwei Bände führen Erzählungen der Worte und Taten von Kriegern anderer Domänen und Geschichten auf, die in den anderen zehn Bänden keinen Platz mehr gefunden hatten.

Nur die ersten beiden Bände beruhen vollständig auf Erzählungen Yamamoto Jōchōs, während die Inhalte der restlichen neun Bände größtenteils von Tashiro Tsuramoto selbst zusammengestellt wurden, um den Lehrprinzipien der ersten beiden Bände Beispiele und erläuternde Hintergründe hinzuzufügen. Aus diesem Grund beschränkt sich die hier vorgelegte Übersetzung auf die ersten beiden Bände.

Aufgrund seines notizhaften, tagebuchartigen Charakters präsentiert das Hagakure gerade nicht ein zusammenhängendes, wohldurchdachtes Gedankengebäude, das universale Antworten auf die Fragen der menschlichen Existenz zu geben versucht. Vielmehr antwortet das Werk auf die spezifischen sozialen und regionalen Lebensumstände des Kriegeradels der Saga-Domäne. Die Adressaten der Autoren waren letztlich die Samurai ihres eigenen Klans und nicht die Kriegerklasse als Ganzes.

Fünf zentrale Ideen prägen das Hagakure:

Zu nennen sind zuerst die vier Gelübde oder Glaubensbekenntnisse, die den Schwerpunkt der Ethik des Hagakure auf Mut, Loyalität, Pietät und Barmherzigkeit legen. Furukawa Tetsushi zufolge lassen sich praktisch alle Paragraphen des gesamten Hagakure einer dieser vier Kategorien zuordnen, wobei letztlich die Loyalität den Bezugspunkt für alle anderen ethischen Prinzipien darstellt.14

»Der Lebensweg eines Kriegers, bzw. seine Lebensweise, bedeutet, zu begreifen, dass man sterben wird und sterben muss.« Dieser berühmteste Satz des Hagakure überhaupt postuliert zweitens die Notwendigkeit, sich als Krieger in jedem Augenblick seines Lebens auf den Tod gefasst zu machen, um sich einerseits mit absoluter Hingabe seiner Lehnspflicht widmen zu können und sich andererseits nicht als Feigling der sozialen Ächtung in einer Kriegergesellschaft auszusetzen. Diese Einstellung steht in enger Verbindung mit der Betonung von shinigurui, der äußersten Todesentschlossenheit oder besser des »Todeswahns«, in dem ein Krieger sich sowohl in einen Schwertkampf als auch in seinen Lehnsdienst werfen muss, bis er entweder alle Gegner und Probleme beseitigt hat oder selbst stirbt.

Die höchste Liebe, so der dritte Punkt, ist die geheimgehaltene Liebe. Von diesem Ideal der wohlgemerkt homosexuellen Liebe, die ihre Gefühle bis in den Tod hinein nicht offenbart, wird gleichzeitig die ideale Beziehung eines Vasallen zu seinem Lehnsherrn abgeleitet, den es wie einen Liebhaber heimlich zu verehren und zu beschützen gilt. Daher wird der ideale Lehnsdienst, wie er im Hagakure beschrieben wird, auch als »Lehnsdienst aus dem Schatten« oder »aus dem Dunklen heraus« bezeichnet.15

Zu nennen ist viertens die Betonung der menschlichen Barmherzigkeit und Anteilnahme sowie der fürstlichen Gnade. Es folgen laut Hagakure aus der Barmherzigkeit sowohl Menschlichkeit als auch Weisheit und Heldenmut. Dabei geht die Ergebenheit eines Vasallen idealerweise so weit, dass er sogar die Konfiszierung seines Lehens oder ein Todesurteil als fürstliche Gnade zu empfinden hat.

Prägend ist fünftens die rechte Vorgehensweise bei Ermahnungen und guten Ratschlägen sowohl dem Fürsten als auch anderen Vasallen gegenüber. Gerade der Notwendigkeit solcher Ermahnungen wird im Hagakure zentrale Bedeutung für die Erfüllung der Loyalität beigemessen.

Drei Theorien versuchen die Namensgebung des Werkes zu erklären – wörtlich übersetzt bedeutet hagakure »im Laub verborgen«.

Zum einen heißt es, das Buch sei wegen Jōchōs Betonung des versteckten Lehnsdienstes aus dem Schatten, d. h. aus dem Hintergrund heraus, so genannt worden.

Entsprechend der zweiten Theorie bezieht sich der Titel auf ein Gedicht aus der einflussreichen waka-Sammlung Sankashū des Mönch-Poeten Saigyō (1118–1190), in dem es heißt:

Im Laub verborgen hängt eine einzelne Blüte

Und weigert sich zu verblühen,

Sie gibt mir das Gefühl,

Eine heimliche Liebe anzutreffen.16

Mit dem Titel solle darum an die erste Begegnung Tashiro Tsuramotos mit Yamamoto Jōchō erinnert werden, der als Samurai im Ruhestand Laienmönch geworden war und in einer im Wald verborgenen Einsiedelei sein Dasein fristete.

Eine dritte Theorie lautet, dass man in der Gegend von Jōchōs Einsiedelei eine Art von getrockneten Kakifrüchten namens hagakushi produziert habe, von der der Name übernommen wurde, um an das zurückgezogene Leben Jōchōs zu erinnern.17

Kamura Takashi unterstreicht vor allem die zweite Sichtweise: zum einen deshalb, weil Jōchō als Poesiebeauftragter Fürst Mitsushiges durchaus als Literat anzusehen sei, als auch deshalb, weil er über seine Freundschaft mit dem Mönch-Poeten Senzan, der auch Konsaigyō – »der heutige Saigyō« – genannt wurde, in der dichterischen Tradition des ursprünglichen Saigyōs stehe. In erster Linie aber beschreibe der Inhalt des Gedichts äußerst passend die Umstände des ersten Treffens der beiden Autoren Yamamoto Jōchō und Tashiro Tsuramoto.18

Hagakure

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