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KAPITEL SECHS

Adler erwies sich als ein stattlicher Mann Anfang sechzig mit einer routinierten Aura der Macht. Für einen Provinzpolitiker, der bei den letzten Wahlen die meisten Stimmen auf sich hatte vereinen können, besaß er erstaunlich wenig Bauch und freundliche graue Augen, hinter denen sich eine angeborene Bauernschläue verbarg. Seinen Sekretär, einen kräftigen, untersetzten Mann mit kurzgeschorenem Haar und lauerndem Blick, hatte er selbst an diesem Samstag ins Rathaus kommen lassen; wahrscheinlich weniger, um die Etikette zu wahren, als vielmehr, um einen ihm wohlgesonnenen Zeugen anwesend zu wissen.

Mit ernster Miene gab Adler Kahlberg die Hand und begrüßte ihn, als Zeichen seiner umfassenden Informiertheit, wie aus der Pistole geschossen mit Namen. Eine unterschwellige Geringschätzung schien in seiner Stimme mitzuschwingen.

Kahlberg kamen Adlers Gesichtszüge bekannt vor, wenn er sie auch nicht mit einer Amtsstube, schon gar nicht der des Bürgermeisters, assoziieren konnte. Ein Helm, dachte er, er hatte einen Helm getragen, während Adler Scheiwe begrüßte und für einen Moment ein vertrauliches Lächeln über sein Gesicht huschte. Sie kannten sich wohl. Auch der Sekretär begrüßte die soeben Angekommenen förmlich, für einen Moment aus der etwas übertrieben vorgetragenen Rolle des feindseligen Leibwächters fallend.

»Ich bin zutiefst erschüttert.« Adler machte keine Anstalten, sich an seinen schweren Eichenschreibtisch oder die etwas deplatziert wirkende Sitzecke aus Chromstahl zu setzen, und alle blieben steif in der Mitte des Raumes stehen. »Wir waren uns natürlich nicht in allem einig, aber die Zusammenarbeit mit Rottmann erwies sich immer als konstruktiv, ein Glücksfall für Himmel.«

»Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«, wollte Kahlberg wissen.

Adler dachte einen Moment nach.

»Wohl bei der letzten Ratssitzung«, sagte er dann, wobei er sich die Zusammenkunft vor Augen zu rufen schien. »Es ging darum, wie wir der Stadt neues Leben einhauchen könnten. Ein Thema, das uns allen sehr am Herzen liegt. Rottmann, wie immer äußerst engagiert, hat mich dann noch bis in die Nacht hinein am Telefon mit Ideen bombardiert.«

»Wirkte er angetrunken?«

»Wir alle kannten sein Alkoholproblem. Er hat aber trotzdem immer volle Leistung gebracht.«

»Benahm er sich irgendwie anders?«, meldete sich Scheiwe zu Wort. »Ich meine, machte er einen depressiven Eindruck, sprach er irgendwie von Abschied?«

Adler schüttelte den Kopf. »Nein, er wirkte aufgekratzt wie immer, voller Pläne.«

»Um was für Pläne handelte es sich dabei?«, hakte Kahlberg nach.

»Ach, wissen Sie«, Adler lächelte nachsichtig, an der Grenze zur Herablassung. »Himmel ist nicht mehr das, was es mal war. Die Menschen ziehen fort, wir müssen den Ort attraktiver gestalten. Eines unserer Projekte ist, die Stadt altenfreundlicher zu machen und so wohlhabende Menschen im Ruhestand und kompetentes Pflegepersonal, eine ganze Infrastruktur, anzuziehen. Sie können sich gerne die Protokolle der Ratssitzungen ansehen, dort finden Sie alles bis ins Detail.«

»Natürlich kann ich das«, knurrte Kahlberg. »Aber ich würde lieber wissen, was Rottmann am Mühlengraben zu suchen hatte, auf einem unbeleuchteten Weg und ohne ein Bier weit und breit.«

»Man merkt, Sie sind in punkto Himmel nicht ganz auf dem Laufenden, Kahlberg.« Adlers Lippen zuckten spöttisch. »Einige der Schrebergartenhütten unten am Mühlengraben sind regelrechte Kneipen. Rottmann hat wohl einige seiner Wähler betreut.«

Kahlberg sah Scheiwe fragend an. »Ist das da unten so?«

»Wir schauen weg, so gut es geht.«

Das konnte sich Kahlberg denken. Sie schauten hier so gut weg, dass es Scheiwe nicht einmal für nötig befunden hatte, ihm gegenüber die Schrebergärten als Rottmanns möglichen letzten Aufenthaltsort zu erwähnen.

»Dann ist es wohl an der Zeit, endlich mal ein Auge auf diese ach so geheimen Orte zu werfen«, sagte Kahlberg und blickte Scheiwe übertrieben freundlich an. »Da Wochenende ist, kommen wir bestimmt auf unsere Kosten.«

»Warum nicht?«, entgegnete sie scheinbar unbekümmert. Doch ihre leicht verzogenen Mundwinkel verrieten, dass Kahlbergs Vorwurf angekommen war.

Zum Abschied gab man sich erneut die Hand.

»Gut, dass aus Ihnen noch was geworden ist, Kahlberg.« Adlers Lächeln wirkte nun beinahe drohend.

Kahlberg überspielte den unverhohlenen Hinweis auf seine Vergangenheit mit einem betont unbekümmerten Grinsen. Zu gerne hätte er gewusst, woher er Adlers Gesicht kannte, zog es aber vor, ihm nach dem vergifteten Kompliment nicht durch Nachfragen weitere Angriffsflächen zu bieten.

Der Sekretär, der die ganze Zeit geschwiegen hatte, fiel erneut aus der Rolle des Leibwächters, eine leichte, ungelenke Verbeugung andeutend.

Alle atmeten erleichtert auf, als das Treffen vorbei war.

Hölle in Himmel

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