Читать книгу Hölle in Himmel - Joe Wentrup - Страница 7

Оглавление

KAPITEL EINS

Seine Gesichtszüge wären einem Betrachter eher geistlos als entspannt vorgekommen. Die blaue Oberlippe gab im fahlen ersten Tageslicht eine Reihe dünner, gelber Zähne preis und es schien, als würde dieser Mund, gleich dem eines Schnarchenden, dessen Uvula die Luftröhre versperrt, jeden Moment nach Luft schnappen. Doch nichts geschah.

Er wunderte sich etwas darüber, dass er so bequem ohne zu atmen dahintreiben konnte und die Kälte des Wassers nicht an ihm nagte wie eine Schar tollwütiger Ratten.

Der dunkle, träge Strom des Mühlengrabens, dessen Oberfläche noch immer von dicken Regentropfen in Unruhe versetzt wurde, trug seinen reglosen Körper entlang hoher Mauern mit alten Häusern, deren Fenster noch die Dunkelheit der Nacht in sich bargen, während die tiefhängenden Wolken mit jedem Moment mehr aufrissen.

Die Notwendigkeit drang in sein Bewusstsein, allmählich die ihn umfassende Trägheit zu überwinden, wollte er noch rechtzeitig in seine Wohnung zurückkehren, trockene Kleidung anlegen und bei einer Tasse Kaffee seine Morgenzigarette rauchen. Für die Aufnahme fester Nahrung jedoch zeigte sein Magen zu dieser frühen Stunde keinerlei Bereitschaft.

Sein Körper stieß an ein Hindernis. Das beständige, tiefe Summen verkündete ihm, dass er das Kraftwerk erreicht hatte, dessen Gatter ihn davon abhielt, in der Turbine wie durch einen Fleischwolf gedreht zu werden. Die Gewalt des Wassers ließ sich nur an der feinen Vibration der eisernen Stäbe ahnen, während es sanft durch die Barriere floss.

Ein breiter hydraulischer Rechen setzte sich in Gang und seine Blätter begannen, wie Barten eines Wals zwischen den Gitterstäben entlangzufahren. Als sie seinen Körper erfassten und aus dem Wasser hoben, begann die Hydraulik unter dem Gewicht zu ächzen. Er schämte sich, die selbst auferlegte Fastenkur des ausgehenden Winters nicht konsequenter durchgehalten zu haben.

Plötzlich sackte sein Körper mit einem ratschenden Geräusch wieder dem Wasser entgegen, nur um erneut emporgehoben zu werden. Am gleichen Punkt wie zuvor jedoch wiederholte sich der vom scharfen Ton begleitete Sturz bis kurz vor die Wasseroberfläche, von wo aus er nochmals in Richtung der Anhäufung modriger Blätter und Äste geliftet wurde, auf den ihn der zu schwache Arm des Rechens auch diesmal nicht abzuladen vermochte.

Schließlich fand er sich trotz dieser Widrigkeiten auf der dem Turbinenhaus vorgelagerten Betonplattform wieder. Er war gereizt, die Zeit drängte, hatte er doch bereits früh am Morgen wichtige Termine wahrzunehmen.

Das ächzende Geräusch hallte, gleich der rostigen Ratsche eines traurigen Clowns, noch immer durch die menschenleeren Gassen. Anscheinend kämpfte der Rechen nach wie vor mit einem zu hohen Gewicht.

Er nahm sich vor, in der nächsten Ratssitzung den Einbau einer stärkeren Hydraulik zu beantragen. Das Brummen der Turbine durchdrang ihn. Raum und Zeit verschwammen. Als er endlich beschloss aufzubrechen, war das Licht des Tages von alldurchdringender Kraft.

Eine unbestimmte Ahnung hielt ihn zurück. Im Wasser reflektierten sich die fahlen Wolken, doch nirgends konnte er sein eigenes Spiegelbild entdecken. Dann sah er sich noch immer unten im Rechen liegen und begriff, dass er tot war.

Hölle in Himmel

Подняться наверх