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KAPITEL ZWEI

Ted Jones war gerade im Begriff die Straße zu überqueren, als ein schwarzer 68er Ford Mustang Fastback mit majestätischem Grollen an ihm vorüberrollte. Kahlberg bekam mit, dass sich die Blicke von Ted und dem Fahrer kreuzten, einem mittelalten Mann mit nach hinten gekämmtem dunkelblondem Haar und schmalen Koteletten, die in einen Kinnbart übergingen. Sie warfen sich ein kurzes, kaum wahrnehmbares Kopfnicken zu, dann war der Mustang vorüber und Ted überquerte gut gelaunt die Straße.

Er war ein kleiner, drahtiger Mann mit kurz geschorenem grauem Haar und einer dünnrandigen Brille, hinter der die wachen Augen eines Pressefotografen hervorblickten, die durch den Sucher einer Kamera mehr von der Welt gesehen hatten als ohne ihn. Kriege, Katastrophen, den Untergang des Ostblocks. Die Hinrichtung Ceauşescus sollte seine letzte Arbeit für die internationale Presse sein, er hatte mit einer Handvoll Fotografen auf den Auslöser gedrückt, als der Diktator und seine Frau von den Maschinengewehrsalven seiner eigenen Militärs durchsiebt worden waren. Als mit diesem Blutopfer das Ende des kalten Krieges besiegelt worden war und eine neue Zeit heranzubrechen versprach, hatte es ihn in die ungefähre Mitte eines langsam wieder zusammenwachsenden Europas gezogen, nach Himmel, wo er für die lokale Zeitung zu arbeiten begonnen und feste Bande mit einer Einheimischen geschlossen hatte.

Als er das Innere des Clubs betrat, war Kahlberg aufgestanden und die beiden Männer gaben sich so überschwänglich die Hand, dass die Berührung ein leichtes Klatschen hervorbrachte.

»Bist ja seit Monaten nicht mehr zu uns gekommen«, sagte Ted mit breitem Grinsen und britischem Akzent.

»Es gab viel zu tun, zwei Mal wurde mir mein Dienstfrei gestrichen«, seufzte Kahlberg.

»Klingt spannend.«

»Für dich wäre es frustrierend. Wenn wir eintreffen, sind alle schon tot.«

»Na ja«, warf Ted ein und grinste nun noch breiter. »Bei deinem letzten Einsatz hier in der Gegend hast du aber allerhand Life Action geboten.«

Nun musste auch Kahlberg grinsen. Ein ziemlich turbulenter Fall hatte ihn nach vielen Jahren zurück in seine Geburtsstadt Himmel geführt und er hatte seitdem, ganz gegen seine ursprünglichen Pläne und trotz seiner tiefen Abneigung gegen alles Kleinstädtische, begonnen, an jenem Ort wieder ein paar Wurzeln zu schlagen, welche ihn immer wieder dorthin zogen. Dünne Wurzeln wohlgemerkt, die ihm nicht das Gefühl gaben, durch sie gebunden zu sein, sondern sie jederzeit durchtrennen zu können. Vielleicht verbarg aber gerade diese Annahme ihr allmähliches Wachstum.

Die beiden Männer setzten sich an den Tisch am Fenster, die Bedienung kam herbei und Ted bestellte einen Tee.

Nach all den Jahren immer noch ganz der Brite, dachte Kahlberg und fragte ihn: »Was gibt’s Neues in Himmel?«

Ted zog die Augenbrauen hoch und wiegte den Kopf, als wolle er damit andeuten, dass nichts, was er nun sagen würde, Kahlberg auch nur im Entferntesten beeindrucken würde.

»Die Stadt ist eine einzige Baustelle, sie soll ja wieder zu der Perle werden, die sie wohl mal gewesen ist und diejenigen, die jetzt das Sagen haben, scheinen diese Pläne tatsächlich auch im Sinne der Bürger umzusetzen.« Dann rückte er mit dramatischem Schweigen seine Brille zurecht und fügte hinzu: »Und der Pub ist abgebrannt.«

»Wie denn das?«, rief Kahlberg überrascht.

Ted genoss es für einen Augenblick, doch eine überraschende Nachricht bei seinem Gegenüber gelandet zu haben und sagte dann: »Ganz unspektakulär, ein dämlicher Kurzschluss.«

»Und nun?«

»Trinken wir woanders«, lachte der Brite und fügte beschwichtigend hinzu: »Aber keine Sorge, der Wirt bleibt uns erhalten, spätestens Silvester macht er wieder auf.«

»Same procedure as every year.«

»Yep!«

Als ihr Lachen verstummt war, blickten sie sich ernst an. Beide wussten, dass die Zeit der Begrüßungsfloskeln vorbei war und sie nun zur Sache kommen würden.

»Ich bin auf was gestoßen«, legte Ted los und räusperte sich. »Auf was Dickes.«

»Hier? In dieser verträumten Gegend?«

»Die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen.«

»Schieß los!« Kahlberg ließ sich nicht gerne auf die Folter spannen. »Bestimmt hast du Fotos gemacht.«

»Auch. Aber das Allerwichtigste habe ich hier«, Ted tippte sich an den Kopf. »Und hier, damit ich nicht die ganze Kamera mit mir rumschleppen muss.« Er zog sein Mobiltelefon hervor und legte es auf den Tisch.

Kahlberg blickte gespannt auf das Smartphone, mit dem Teds Finger auf der Tischplatte spielten. »Keine Sicherungskopien?«

Ted schüttelte den Kopf. »Wir haben früher immer alles bei uns getragen oder besser noch im Oberstübchen behalten. So konnten wir sicher sein, dass die Story nur uns gehörte.«

»Und warum willst du mich sehen und gehst nicht direkt zur Presse?«

»Ich brauche deinen Rat«, antwortete Ted, beugte sich zu Kahlberg vor und fuhr mit gedämpfter Stimme fort: »Es geht um Folgendes ...«

Die Bedienung kam mit dem Tee und stellte ihn vor Ted, der eilig das Telefon wieder in der Tasche verschwinden ließ. Dann stand er auf.

»Ich bin die ganze Zeit nur gefahren«, sagte er entschuldigend. »Bin sofort wieder da und dann reden wir in Ruhe.«

Kahlberg nickte und sah Ted nach, während der im Eingang der Toilette verschwand. Ted Jones, der Enthüllungsjournalist. Alter Kater lässt das Mausen nicht. Nun war Kahlberg wirklich gespannt, was er ihm zu erzählen hatte.

Kahlbergs Talfahrt

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