Читать книгу Johann Heinrich Pestalozzi; Meine Nachforschungen über den Gang der Natur in der Entwicklung des Menschengeschlechts - Johann Buschmann Heinrich - Страница 19
Kronrecht
ОглавлениеKronrecht
In seinem Ursprung schwankend zwischen den Gefühlen des Privatrechts oder vielmehr der Privatanmaßungen in dem Besitz der unverhältnismäßigen gesellschaftlichen Kräfte und den Ansprüchen des öffentlichen Rechts und des öffentlichen Bedürfnisses. Einzig durch seine Übereinstimmung mit dem gesellschaftlichen Zweck und dem gesellschaftlichen Recht gesellschaftlich und nur insoweit rechtsmäßig.
In der Hand der Individuen als solche ist es bloße tierische Kraft und insoweit in seinen Wirkungen nicht bloß wie das Eigentum, die Macht und die Ehre allgemeine Nahrung unseres tierischen Sinns und aller Verirrungen, zu welchen dieser Sinn uns alle hinführt, sondern die bestimmte höchste Stufe, das bestimmte non plus ultra aller möglichen Attentate gegen alle Fundamente gesellschaftlicher Wahrheit und des gesellschaftlichen Rechts.
Könige können Anbetung verdienen, aber es ist gleich wahr: Der Begriff des Kronrechts, als ein allgemeiner Begriff, erregt beim sinnlichen, selbstsüchtigen Menschen eben die Gefühle, welche die Wörter Freiheit und Gleichheit bei den französischen Sanskulotten erregt haben.
* * *
Freiheit
Unser Geschlecht hat eine allgemeine und starke Neigung in dem Genuss seiner Lebensansprüche unabhängig und selbständig zu sein. Naturfreiheit ist Genuss dieser Selbständigkeit in vollem Leben meiner tierischen Kraft. Bürgerliche Freiheit ist Ersatz der Naturfreiheit, Besitz gesellschaftlicher Selbständigkeit. Das Recht der Naturfreiheit ruht auf dem allgemeinen unwillkürlichen und unwandelbaren Gefühl des Bedürfnisses meiner Selbständigkeit im Naturstand.
Das Recht der bürgerlichen Freiheit ruht auf dem ebenso allgemeinen Gefühl des Bedürfnisses eines Ersatzes dieser Naturfreiheit im gesellschaftlichen Zustand.
Der tierische Reiz dieses Gefühls ist eine einfache Folge der Eigenheiten der Tierart meines Geschlechts. Ich bin vermöge desselben kein trauliches kraftloses Haustier, das unter den Füßen eines stärkeren ruhig gaukelt und frisst; im Gegenteil, ich gehöre vielmehr zu den gewaltsamen, unruhigen, die Sicherheit selbst dem Genuss vorziehenden Raub- und Waldtieren. Es ist freilich auch wahr, meine Neigung zur Selbständigkeit wird durch meine Trägheit und mein Hang zur Sicherstellung meines Rechts durch denjenigen zum Genuss in mir selbst geschwächt und es ist unstreitig, man kann mich durch sichern Sinnengenuss unter allen Umständen zum schwächlicheren Haustier umbilden, aber von Natur bin ich kein solches, ich will ja immer lieber herrschen als dienen.
Das Mittel zwischen Herrschen, Dienen, Selbständigkeit, ist Bedürfnis meiner Natur. Das Herrschen ist Bedürfnis überwiegender tierischer Kräfte oder wenigstens der Einbildung davon. Das Dienen ist Bedürfnis verlorener oder geschwächter tierischer Kräfte oder wenigstens der Einbildung davon. Auch gemäßigte tierische Kraft spricht in ihrem gesunden Zustand Selbständigkeit an. Dieser Anspruch ist in meinem Geschlecht eine unwillkürliche Folge der Unverdorbenheit meines Bluts und des freien Spiels meiner Säfte in Hirn und Herz. Ich verlange sie, weil dieses Herz in mir wie in einem Mann schlägt, weil dieses Hirn nicht vom Schlage getroffen in einem ohnmächtigen, bettlägerigen Kopf stockt, ich verlange sie, weil mein Blut in Jünglingsfarbe meinen Geist in jeder Ader frei und ohne Gift nährt. Also beschaffen, muss ich sie verlangen, weil ich bin, was ich bin und ich höre auf zu sein, was ich im gesunden tierischen Zustand notwendig bin, wenn ich aufhöre tierische Selbständigkeit zu verlangen.
Im bürgerlichen Leben ist alles Tun und Lassen des gesellschaftlichen Menschen ein ewiges Haschen nach Selbständigkeit, freilich ein ohnmächtiges und fast immer mit der Kränkung des Fehlgreifens gebrandmarktes Haschen. Es lässt sich gar nicht leugnen, es gelingt ihm in diesem Zustand selten von Gesetzen abzuhängen, die auf dem Recht ruhen, das in seiner Brust schlägt und das er sich selber gegeben.
Bald hängt er allgemein von der Willkür der Gewalt, die immer nur darnach trachtet unser Geschlecht auf den Ruinen seiner zertrümmerten Selbständigkeit, als ein neugeschaffenes, menschheitsloses und menschheitsleeres Wesen bloß zu regieren, demselben alle Kraft und alles Recht seiner Natur zu rauben und dann, wenn dieses geschehen, in ihm die also erniedrigte Menschheit zu beglücken und zu begnaden.
Armes Geschlecht, das höchste Ziel deiner Gesetzgebung geht dahin dich entwürdigt zu füttern und der alternde Weltteil lobt seine Weisheit, wenn du von diesem Futter nur fett wirst!
* * *
Tyrannei
Tyrannei ist Kränkung meiner Selbständigkeit ohne und wider den gesellschaftlichen Zweck. Es gibt eine barbarische und eine zivilisierte Tyrannei. Unter der barbarischen blute, unter der zivilisierten schmachte ich: Ihr Wesen ist in beiden Fällen das nämliche, Gebrauch der Macht ohne Respekt für ihre Bestandteile und ohne Rücksicht auf ihren Zweck. Sie ruht allgemein auf dem Tier-Sinn meiner Natur, der im Vollgefühl unverhältnismäßiger Kräfte nicht anders kann als die Schwäche meines Geschlechts zu erniedrigen und missbrauchen.
Sie ist nichts anderes als die Unterdrückung des bürgerlichen Rechts durch die Naturfreiheit der Macht.
Wer diese Unterdrückung leiden muss, ist Sklave.
Wer sie nicht leiden muss, ist frei.
Wer sie leiden macht, ist Tyrann.
Wer sie leiden machen kann, kann Tyrann sein.
Wer das nicht kann, kann nicht Tyrann sein.
Völker, deren Fürsten nicht Tyrannen sein können, haben ein Recht.
Völker, deren Fürsten Tyrannen sein können, haben kein Recht.
Fürsten, die Tyrannen sein können und nicht sind, sind Engel oder Schatten.
Der Anspruch an Tyrannei ist nicht Bosheit, er ist Menschennatur. Nur der Schafskopf spricht sie nicht an, wenn er kann. Der wahrhaft Reine, Tugendhafte freilich auch nicht, aber es ist von reiner Tugend nicht die Rede, wenn man vom gesellschaftlichen Recht und von der öffentlichen Einrichtung des bürgerlichen Verhältnisses als solchen spricht.
* * *