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Wohlwollen

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Wohlwollen

Harmlose Behaglichkeit ist die Mutter meines bloß tierischen Wohlwollens.

Du findest dasselbe beim unmündigen Kind und beim behaglichen Wilden wie beim Hirten, der seine Weiden nicht verzinset und mit seinem Nachbarn nicht market, du findest es allenthalben, wo der Sinnengenuss des Menschen erquickend und leicht ist.

Aber sowie es Anstrengung erfordert, sowie er durch Sorgen und Angst unterbrochen, sowie er durch Gefahr und Kränkung begleitet ist. sowie meine tierische Natur keine harmlose Befriedigung mehr findet, also mindert sich dieses Wohlwollen in derselben. So wie das Kind das Übel empfindet, sowie es weint, sowie es leidet und mangelt, also mindert sich bei ihm diese tierische Quelle seines Wohlwollens, seine Harmlosigkeit. Also auch beim Wilden, sowie ihm die Behaglichkeit mangelt, sowie seine Sonne nicht mild ist, sowie er sich des vergangenen Übels erinnert, das Zukünftige fürchtet und vom Gegenwärtigen leidet, also mindert sich sein Wohlwollen.

Da wo seine Haut vom Frost erstarrt und er beschneites Moos mit seinem magern Rentier teilt, da wird er falsch und hart wie der Bauer, der den unbezahlten Pflug auf rohem Land treibt und der mühselig lebende Bürger. Auch der Hirt, wenn er hinter magerem Vieh auf dürren Heiden flucht und jeden Zuber Milch hinter Schloss und Riegel verwahrt, ist ohne dieses Wohlwollen. Es verliert sich allenthalben da, wo der Sinnengenuss meiner Natur für mein Geschlecht mühsam ist und Anstrengung fordert und dieses ist bald auf der ganzen weiten Erde der Fall, nur selten gönnt ein ewiger Frühling den flötenden Hirten einen immerwährenden Scherz mit seinen Herden und mit seinem Geschlecht.

Aber es ist für den gesellschaftlichen Menschen wirklich gut, dass es so ist, das Menschengeschlecht bildet sich durch eben die Hemmungen, durch welche sein tierisches Wohlwollen verloren geht und es ist für diese Ausbildung wesentlich wichtig, dass der Boden, den er baut, Geld kostet. Er soll sich freuen, wenn er für Weib und Kind Milch bekommt von der Kuh, die nicht sein ist und Brot von dem Acker, den er für einen fremden Mann baut. Dennoch ist behagliche Wonne das allgemeine Ziel meines tierischen und meines gesellschaftlichen Daseins auf Erden.

Alle Kunst des Eigentums ist nichts anderes als das Streben meines Geschlechts die Behaglichkeit der ganzen Erde auf den Fleck zusammenzubringen, auf dem ein jeder lebt.

Alle Kunst des Staats ist nichts anders als das Streben meines Geschlechts die Behaglichkeit der ganzen Erde auf den Fleck zusammenzubringen auf welchem die Menschen leben, für die er wirklich sorgt, seien diese jetzt, welche sie wollen, seien es nur seine Lieblinge oder auch die Notleidenden unter den Seinigen, seien es wenige Auserwählte oder alle, die ein Recht auf seine Vorsorge haben. Alle Kunst des Staats ist in jedem Fall nichts anders als die Folge des Strebens meines Geschlechts die Behaglichkeit der ganzen Erde auf den Fleck zusammenzubringen, auf dem diejenigen leben, für die er wirklich sorgt.

Der Mensch setzt so wie es ihm gelingt sich selbst in eben die Lage, in welcher der harmlose Südländer die Gutmütigkeit mit sich ins Grab trägt, die die belasteten Völker nur mit sich auf die Welt bringen und der Staat tut, insoweit er seine Bürger in eine harmlose Lage setzt, in Rücksicht auf diejenigen, die er also setzt, die nämliche Sache. Das Wohlwollen der Paläste ist daher im Allgemeinen nichts anderes als die Wirkung einer solchen Südseeluft und einer solchen Südseefülle.

Zürnt nicht, gute Töchter von Menschen, deren Amtleute hart sind, wenn ich die Liebe zu eurem Papagei und zu eurer Tante für nichts anders erkläre. Wenn ihr mitten in Genüssen, die auf dem Unrecht vollendeter Staatsverhärtung ruhen, wie die schuldlosen Südländerinnen empfindet, so ist euer Wohlwollen nichts anders als der Selbstbetrug der tierischen Neigung zur harmlosen Behaglichkeit, die auch den rohesten Mann dahin bringt, dass es ihm lieb ist, wenn ohne seinen Abbruch andere Leute auch essen, trinken und schlafen können.

Diese Neigung zur Behaglichkeit ist die allgemeine Triebfeder unseres tierischen Daseins. Du dankest ihr deine Betriebsamkeit, aber wenn du aus Unbetriebsamkeit verfaulest, so geschieht es aus gleicher Neigung. Um ihretwillen bist du barmherzig, aber auch um ihretwillen zerfleischest du unser Geschlecht. Um ihretwillen frohnest du der Meinung des Volks, aber auch um ihretwillen höhnest du das Urteil deines Geschlechts. Um ihretwillen bauest du der Ehre Altäre und um ihretwillen gründest du den Sitz der Throne auf die Ehrlosigkeit des Menschengeschlechts. Um ihretwillen erscheinst du unter deinem Geschlecht gern als gepriesene Mutter der Gnaden, aber auch um ihretwillen zertrittst du das Recht deines Geschlechts. Sie ist es, die zum Heldensinn der Freiheit erhebt, aber sie ist es auch, was dich jedes Joch der Knechtschaft zu ertragen gewöhnt.

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Johann Heinrich Pestalozzi; Meine Nachforschungen über den Gang der Natur in der Entwicklung des Menschengeschlechts

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