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4. Kapitel - Erstes Ereignis - „Der 100 Meter Lauf“

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„Tierisch schnelle Läufer und bärenstarke Werfer“

Wolf Dieter Poschmann

bei einer Übertragung vom Leichtathletik-Weltcup in Johannisburg 1998.

Die Laufstrecke war eine relativ ebene Fläche, ohne größere Wellen und Anstiege, mit kurz gemähtem Gras, frei von Erdlöchern, nach natürlichem Maßstab eine gute Laufebene, aber eben ein natürliches Gelände und nicht so ein Kunstprodukt, wie regendichte Tartanbahnen der menschlichen Olympiastadien. Da weniger als 1% der Oberfläche dieser Erde geglättet war, mit Laufbahnen und Straßen und ähnlichen Flächen, war diese Laufbahn also zu 99% natürlich.

Von den menschlichen Teilnehmern gab es deshalb auch keine Einwände. Die Wettbewerbsregel sah vor, dass im Vorlauf drei tierische Teilnehmer und drei menschliche Teilnehmer gegeneinander liefen. Die drei Besten sollten dann nochmals in einem Endlauf gegeneinander laufen.

Auf der ersten Bahn lief Fredi Ferlemann, ein Gepard aus Namibia, auf der zweiten Bahn der Goldmedaillengewinner von London, auf der dritten Bahn Guna Manscharo, ein Gepard aus Kenia, auf der vierten Bahn der Silbermedaillengewinner von London, auf der fünften Bahn Ugan Dada, ein Gepard aus Ruanda und auf der sechsten Bahn der amtierende Welt meister auf dieser Strecke.

Die Bahnen und die Ziellinien waren mit weißem Sand markiert, unterbrochen nur von einigen Leguminosenkräutern, die auf dem mageren Boden gut wuchsen. Als Zielrichter waren zwei scharfäugige menschliche Sportschützen (ohne Gewehr aber mit Gewähr) sowie zwei Wanderfalken aus Apulien eingeteilt.

Bereits zwei Stunden vor dem Wettkampfbeginn hatten sich die drei menschlichen Olympiasieger durch ein Aufwärmtraining gelockert, waren von ihren Masseuren behandelt worden, von ihren Trainern mit dem neuesten High Tech Programm zusätzlich gelockert und aufgewärmt und von dem Mannschaftspsychologen gestärkt worden.

Die drei Gepardenteilnehmer, Fredi, Guna und Ugan, dagegen, liefen nur locker in ihrem etwas erhöhten Lager zur Startlinie und nahmen dort Aufstellung.

„Glaubt ihr, dass die drei Olympiasieger gegen uns eine Chance haben?“

Fredis Frage ging auch Guna durch den Kopf.

„Wenn sie uns nicht durch irgendeine Masche ablenken oder betrügen, oder uns einen Verstoß gegen die Regeln nachweisen, glaube ich das nicht“ antwortete Guna.

„Ich weiß nicht, ob den Menschen das schnelle Laufen eigentlich Spaß macht. Sie sehen dabei immer so verbissen aus, sowohl vor dem Start, beim Starten selber, auch beim Laufen und nur auf den allerletzten Zentimetern und Metern geht manchmal ein kleines Lächeln über ihr Gesicht. Das zeigt doch, dass ihnen das Laufen kein Spaß macht.“

Ugan Dada war sich seiner Sache ziemlich sicher.

„Ich werde sie nach dem Rennen fragen, ob es Ihnen Freude gemacht hat und was sie während des Laufes gefühlt und vor allem, was sie gedacht haben.“

Guna: „Ich bin dafür, dass wir Ihnen einen kleinen Vorsprung geben, d.h. wir könnten uns verabreden, dass wir nach dem Startschuss nicht gleich loslaufen. Damit es nicht so verabredet aussieht, könnten wir sehr erschreckt sein durch den Startschuss und zunächst einfach sitzen bleiben.“

Fredi: „Das macht den Wettkampf auf jeden Fall spannender. Aber untereinander wollen wir auch einen Wettbewerb austragen und dann müsste uns einer unserer Verbandstrainer ein kleines Zeichen geben, damit wir alle gleichzeitig loslaufen.“

„Ich habe keine Ahnung, wie lange sie für die 100m brauchen.“

Ugan: „Ihr Weltrekord steht bei etwa 9,5 Sekunden, so ungefähr’ für diese kleine Strecke. Eigentlich ist es wahnsinnig langsam und ich schlage vor, dass wir ihnen 30m Vorsprung geben und dann erst loslaufen. Das macht auch viel mehr Spaß und sieht mehr nach einer wirklich interessanten kleinen Jagd auf eine ziemlich langsame Beute aus.“

Fredi: „Ich bin sogar für 40m Vorsprung, dann müssen wir uns schon etwas anstrengen, haben aber immer noch genug Zeit, uns unsere Gedanken über diese langsamen Zweibeiner zu machen, die so viel Geld verdienen, obwohl sie so viel langsamer laufen als wir.“

Guna: „Ich hoffe sehr, dass sich das nach diesen Tolympischen Wettbewerben ändert und wir die großen Prämien kriegen. Ich weiß schon genau, was ich mit diesem Geld mache. Ich werde das Gebiet, in dem meine Familie lebt, von den privaten Besitzern kaufen, die durch die letzten dürren Perioden ziemlich verarmt sind, deshalb gerne einen Teil ihres Landes verkaufen. Dann lasse ich es ins Grundbuch eintragen, damit ist das Land für uns für alle Zeiten gesichert.“

Fredi fügte hinzu: „Das ist eine ziemlich gute Idee und wir könnten das auch dem Tolympischen Komitee vorschlagen, die hohen Einnahmen dieser ganzen Veranstaltung für ähnliche Zwecke zu verwenden. Dann sind wir nicht mehr allein auf die milden Gaben des World Wild Fund angewiesen, den ich übrigens sehr schätze, weil er uns schon sehr geholfen hat.“

Ugan: „Wir sollten so früh starten, dass wir noch Zeit genug haben, nach dem Durchlaufen der Ziellinie, uns umdrehen und uns direkt dahinter hinzusetzen und die Augen zu schließen. Das würde den Klassenunterschied zwischen uns und diese Zweibeinern besonders deutlich machen.“

Fredi: „Wir sollten uns das gut überlegen, denn wir wollen diese Olympiasieger, die immerhin jahrelang trainiert haben, und das schon berufsmäßig betreiben, nicht so demütigen, dass sie niemals wieder gegen uns antreten.“

Guna: „Wir könnten Ihnen auch einen Rechenbonus einräumen. Wir laufen mit vier Beinen, sie mit zwei Beinen. Wirklich Sieger sind wir eigentlich nur dann, wenn wir mehr als doppelt so schnell laufen wie sie. Dann müssen wir aber direkt mit dem Startschuss laufen und uns nicht erschrecken lassen.“

Fredi: „Es verbietet den Menschen ja niemand, auch ihre Arme mit zum Laufen zu nehmen, aber dann sind sie ja wohl noch viel langsamer. Außerdem verletzt es den Gleichheitsgrundsatz, sowie Menschen aus einem kleinen armen Land, mit ganz geringen Trainingsmöglichkeiten ohne Bonus antreten müssen gegen die Athleten aus den High Tech Ländern, die mit einem großen Stab von Betreuern und Masseuren und Bewachern, Verwaltern und Motivatoren, und Ärzten, und Public Relations Betreuern und Manager anreisen.“

Die drei menschlichen Olympiasieger wurden durch diese Gespräche nicht gestört, da sie die Sprache der Geparde nicht verstanden.

Fredi: „Eigentlich würde es mehr Spaß machen, wenn die Strecke nicht so gerade wäre und wenigstens einen kleinen Schlenker hier zwischen der Startlinie und dem Ziel dabei wäre. Aber unsere alten Komiteemitglieder wollten den Menschen die Sache nicht noch zusätzlich erschweren. Ich habe gehört, dass sich doch einige über den Zustand des Bodens sehr negativ geäußert haben. Dabei ist dieser Boden einer der besten, den wir in unserem ganzen Land haben. Sie verwechseln die Laufstrecken mit diesen langen, ganz glatten Flächen für ihre Automobile und Fahrzeuge, für die das auch angemessen ist. Aber Beine sollten eigentlich dazu geeignet sein, vor allem auf unebenen Strecken jemanden voranzubringen. Unser Stadion hier ist deshalb natürlicher und richtiger.“

Ugan: „Ich habe mir neulich bei einer Jagd auf zu unebenem Untergrund ein Bein etwas verstaucht, also aufpassen müssen wir auch. Aber nach einigen Minuten hat es sich wieder eingerenkt. Ich habe niemanden davon etwas erzählt, und wer sollte mir auch helfen? Dabei fällt mir ein, ich muss gleich nach dem Lauf noch etwas zu essen für meine Familie besorgen. Das Jagen hier im Tolympischen Dorf ist ja verboten, leider!“

Guna: „Der tolympische Friede unter den Teilnehmern unserer Mannschaft muss natürlich eingehalten werden. Die Springböcke und die Thompson-Gazellen würden sonst sofort das Weite suchen und die Menschen hätten schon ihre Medaillen gewonnen, weil die Gegner fehlen. Soweit käme das noch!“

Fredi: „Wir müssen uns jetzt über die Strategie einigen. Die Rechnerei mit den vier Beinen, wo kämen wir dahin, wenn auch die Tausendfüßler noch mit laufen würden, also das lassen wir lieber. Ich bin für einen Vorsprung von 45m, so ungefähr.“

Die anderen beiden gepardischen Teilnehmer nickten und damit war das beschlossen.

Inzwischen dämpften die tierischen Zuschauer ihre Stimmen, der Steppenwind hatte sich auch weitgehend gelegt, und eine fast feierliche Stille lag über dem Kampfgelände, bis der Starter die Pistole hob. Der erste Start glückte gleich. Alle drei menschlichen Olympiasieger kamen ausgezeichnet aus ihren Startlöchern heraus und wunderten sich nach wenigen Metern, dass sie immer noch vorne lagen. Die Abstände zwischen ihnen waren minimal und mit den bloßen Augen nicht zu erkennen. Ein Raunen ging durch die kleinen, mittleren und großen Zuschauerringe, als auch 3 Sekunden nach dem Start die drei gepardischen Teilnehmer immer noch regungslos auf ihren Startblöcken saßen und in die Sonne blinzelten. Das gleiche Bild ergab sich eine Sekunde später, als der Gold-, und der Silbermedaillen-Gewinner von London sowie der amtierende Weltmeister fast 40 m der Strecke durcheilt hatten. Nahezu unsichtbar für alle Zuschauer, nur der Seeadler hatte die Bewegung genau erkannt, obwohl er mehrere hundert Meter entfernt auf einem Baum saß, hatte der Kurzstreckentrainer den Geparden ein Zeichen gegeben. Fredi, Guna und Ugan schnellten mit wenigen kurzen Sätzen aus ihrer Startposition heraus. Die schlanken hochbeinigen Körper schienen die Luft zu durchschneiden und nach zwei Sekunden hatten sie bereits ihre Höchstgeschwindigkeit erreicht. Auf ihren Gesichtern entstand das Vergnügen zu sehen, wie sich die Abstände zu den voraus laufenden menschlichen Olympiasieger rasant verringerte und nach 90 m das Feld etwa gleich auflag. Mit einem Meter Vorsprung erreichte Fredi Ferlemann als erster die Ziellinie, dahinter fast gleichauf Ugan Dada und Guna Manscharo.

Die drei menschlichen Teilnehmer lagen 4 und 5 und 6 Meter zurück.. Das Ergebnis dieses Vorlaufes war damit eindeutig. Die drei gepardischen Teilnehmer kamen in den Endlauf, die drei menschlichen Teilnehmer waren ausgeschieden und erhielten Urkunden über den vierten, fünften und sechsten Platz der ersten Tolympischen Spiele der Neuzeit.

Der Endlauf fand bereits am gleichen Tage zwei Stunden später statt. Die ersten drei Teilnehmer hatten sich dafür qualifiziert. Sie waren sich darüber einig, dass die spielerischen Vorgaben für die menschlichen Teilnehmer jetzt nicht mehr in Frage kamen und es wirklich darum ging, das schnellste Landlebewesen dieser Erde zu ermitteln. Dennoch blieben die drei Teilnehmer des Endlaufes ganz locker und entspannt und die Unterhaltung über den kommenden Wettbewerb war Ihnen mindestens so wichtig wie das Ergebnis.

Fredi: „Die anderen Tiere glauben es uns zwar nicht, aber schnelles Laufen strengt mich an! Aber erst wenn ich diese Höchstgeschwindigkeit erreicht habe, fühle ich meinen ganzen Körper von den Schnauzhaaren die im Winde vibrieren, bis zur Schwanzspitze. Die menschlichen Teilnehmer haben mir erzählt, dass in ihrem Körper auch diese Verwandlung vorgeht, wenn sie sich an der Leistungsgrenze bewegen. Aber bei den meisten von ihnen wird dieses Gefühl verdrängt durch den Wettbewerb. Sie wollen unbedingt Erster sein und der Zweite ist schon ein Verlierer.. Ich finde einen dritten Platz noch sehr gut.“

Ugan Dada: „Mir geht es genauso.“

Guna: „Meine Familie hat mir gesagt, ich sollte mich aber doch anstrengen, um Erster zu werden. Vielleicht sind sie schon von den Menschen angesteckt in ihrem Ehrgeiz.“

Beim Startschuss zum Endlauf gab es nur 300stel Sekunden Schreckzeit für die drei Teilnehmer, die in gleichmäßiger eleganter Bewegung davon schnellten, die Hälfte der Strecke nach etwa 2,5 Sekunden ’ bewältigt hatten und mit folgendem Ergebnis im Zieleinlauf waren: Ugan Dada siegte in geschätzten 4,0 Sekunden, Fredi Ferlemann war, wie meistens, Zweiter in 4,1 Sekunden und Guna Manscharo war nur sehr knapp dahinter. Dies war neuer tolympischer Rekord, und auch Weltrekord für den Planeten Erde.

Das Podest für die Siegesehrung war sechsstufig. Auf den Plätzen Nr. 1, 2 und 3 saßen die drei Geparde. Auf den unteren Podesten standen die drei menschlichen Olympiasieger. Als gute Sportsleute hatten sie ihre hinteren Plätze akzeptiert und hörten der Hymne des Siegers zu: Das Lied der Geparden waren die Gesänge des Windes, der über die Steppen reicht, an den Rispengräsern und den Ährengräsern vorbei streicht, langsam zunimmt, so dass auch die Blätter der Akazien mit in den Chor einstimmen, die Windböen langsam zu einem Sturm ansteigen, und bei der höchsten Stärke abrupt aufhören. Das Lied klang aus mit dem Ruf eines Gepards in der Stille eines Savannenabends.

Der Medaillenspiegel nach diesem Wettkampf:

Gold Silber Bronze

Die Tolympische Mannschaft 1 1 1

Die Olympische Mannschaft 0 0 0

Die Tolympiade

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