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5. Kapitel - Zweites Ereignis - „Weit springen“

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Anne Lipsham war eine erfahrene Athletin, schon etwas über den Zenith ihrer Leistungsfähigkeiten hinaus, dafür aber mit besten Nerven ausgestattet, konnte sie auch die übrigen Teilnehmerinnen mit aufmuntern, ermuntern und anspornen. Vergleichsweise groß gewachsen, bewegte und sprang sie elegant und geschmeidig, ihr hellbraunes Fell glänzte in den Sonnenstrahlen, die in einem späten Abendwinkel einfielen. Anne hatte weniger Angst vor den großen Räubern, denen sie immer gut entkommen war, als viel mehr vor Schlangen.

Diese langen und oft gut getarnten und dazu noch schnell gleitenden Lebewesen machte ihr mehr Angst als die Löwen oder ein Leopard. Dabei war sie noch nie von einer Schlange angegriffen worden, aber das war ihre persönliche Schwäche und sie konnte wenig dagegen tun. Sie zog daher zum Weiden auch Landschaften vor, in denen die Gräser und die nach dem Regen schnell herausschießenden Kräuter nicht zu dicht standen. Dabei war sie eine Feinschmeckerin und fraß nach Möglichkeit täglich mindestens sieben verschiedene Kräuter, Blätter und Samen von Büschen und Bäumen, was zu ihrer Leistungsfähigkeit beitrug. Dadurch enthielt ihre Nahrung auch genug Sigmasterol, was sie gegen Alzheimer-Erkrankung schützte.

Dabei hatte sie eine ganz persönliche Überzeugung gewonnen, dass sie diese sieben Arten am besten in einer festgelegten Reihenfolge fraß, dann war ihr Wohlbefinden am größten. Andere Familienmitglieder hatten sie deswegen schon ausgelacht, besonders diejenigen, die nahezu alles in unbestimmter Reihenfolge nacheinander fraßen, und sie hatte auch keine wirkliche Erklärung dafür, weshalb ihr Wohlbefinden sich beim Einhalten dieser Reihenfolge erhöhte. Es konnte einfach daran liegen, dass sie davon überzeugt war und sich wohlfühlte, wenn sie diese Überzeugung bestätigen konnte. Natürlich konnte die eine oder andere Art von Blättern nicht verfügbar oder abgegrast, oder verdorrt, oder manchmal verbrannt sein und dann musste sie sich mit einer reduzierten Diät begnügen. Manchmal blieb tatsächlich nur eine Grasart übrig, die sie auch noch mit den Zebras und den Gnus, den Springböcken, den Kudus oder den Thompson-Gazellen teilen musste.

Gott sei Dank stand keine der hunderte von Inhaltstoffe dieser Pflanzenarten auf der Dopingliste der Tolympiade, es wäre eine Katastrophe, wenn man dahinter käme, dass ihr Wohlbefinden und damit ihre Leistungsfähigkeit von diesen Stoffen mit beeinflusst wurden. Aber bei ihren menschlichen Gegnern war diese Sache ja auch nicht geklärt, wo das Nahrungsergänzungsmittel oder das Heilmittel aufhörte und wo das Dopingmittel anfing.

Jocelyn Omo gehörte zu den talentiertesten Juniorinnen der Impala-Familie. Sie war eine Draufgängerin und hatte von niemandem Angst. Wenn sie sprang, machte sie oft vor Vergnügen noch eine kleine Wendung in den Sprung hinein und landete in einer anderen Richtung. Ihre Augen strahlten meistens die reinste Lebensfreude aus und sie war beliebt bei den gleichaltrigen und auch den älteren Herdenmitgliedern, weil sie bei Gefahren mutig oft bis zuletzt wartete um dann mit ihren imponierenden gewaltigen Sätzen davon zu eilen, sich in Sicherheit zu bringen und die anderen mitzureißen aus der Gefahrenzone. Nach zwei oder drei Sätzen war die kleine Menge an Angst, die auch bei ihr aufkommen konnte, bereits wieder verschwunden, und sie blickte überlegen auf die Verfolger, die das Rennen schnell aufgaben.

Jocelyn hatte auch eine besondere Eigenschaft, die sie von den meisten der übrigen Familienmitglieder unterschied: sie liebte den Regen. Sie fand ihn erfrischend, als er leicht anfing, anregend, wenn er stärker in Strömen vom Himmel kam und war begeistert, wenn es orkanartig aus dunklen Wolken herunter prasselte und Gewitterwolken schwarz über den Himmel dahin stürmten und der Donner viele andere Tieren erschreckte, und selbst vor Blitzen hatte sie kaum Angst und wanderte dann, frisch gebadet, in die vom Blitzen erleuchtete Steppe hinaus, oft allein, während die anderen Familienmitglieder sich zusammen drängten und die Nähe größerer Tiere suchten.

Jocelyn fand es dann aber auch angenehm, wenn die Sonne wieder durch die Wolken durchbrach und die Regentropfen aus dem Fell herauswärmte. Dann fing sie an zu traben, beschleunigte zu kleinen und immer größeren Sprüngen, in die frische Luft der Nachgewitterzeit. Dann hatte sie besonders deutlich das Gefühl, dass ihr ein riesiges Land gehörte, und dass es nur darauf ankam, es mit schnellen und großen Sprüngen zu erwandern.

Ihr Appetit war, wegen ihrer großen Bewegungsfreude beträchtlich, aber sie war weniger wählerisch bei den Blättern, den Kräutern, den Gräsern und den Früchten. Wenn nichts Besseres da war, fraß sie sogar Binsen und Quecken. Vor Alzheimer-Erkrankung hatte sie keine Anst.

Die dritte Teilnehmerin, Tala Sambe war nicht ganz unumstritten in die Mannschaft hineingekommen. Das Auswahlkomitee hatte gehört, sie sei etwas träge oder sogar mufflig. Aber ihre Weitsprungleistungen waren unbestritten hervorragend, sie hatte sogar schon afrikanische Rekorde gesprungen und so konnte man nicht umhin, sie doch in die Mannschaft aufzunehmen. Dafür war der Eindruck der Trägheit bei ihr ein reines Vorurteil. Sie hatte nämlich in ihrer Jugend zweimal eine schlimme Verletzung durch Dornen an zwei verschiedenen Beinen, von denen sie sich nur sehr langsam erholte. Daher ging sie besonders vorsichtig, was den Eindruck der Trägheit hervorrief. Dabei war sie nur vorsichtig geworden. Dieser Vorsicht war aber mit Angst gepaart, einmal in einen Dorn zu treten, der sie wirklich lähmen würde, so dass sie hinken müsste und damit auf jeden Fall verloren war.

Neben solchen Dornen hatte sie auch etwas Angst vor spitzen und scharfkantigen Sandsteinen und Splittern von Feuersteinen, vor Löwen und vor Schlangen hatte sie weniger Angst als vor diesen unbelebten Gefahren. Die waren einfach nicht so häufig, wie diese Unsicherheiten, die bei jedem Schritt auftauchen konnten. Sie war eine mathematische Begabung; das hatte auch den Nachteil, dass sie sich viel zu viele Gedanken machte, was alles passieren konnte, indem sie diese Gefahren addierte und in Relation setzte zu ihren Chancen, den Gefahren auszuweichen. Sie war auch zu keinem Ergebnis für die wirkliche Gefahrenbilanz ihres Lebens gekommen, und deshalb ganz dankbar, dass sie an den Wettkämpfen teilnehmen konnte. Das lenkte ab und man musste sich konzentrieren.

Die Wettkampfanlage war neuartig. Die Veranstalter waren nämlich der Meinung es mache wenig Sinn, weit zu springen und dann in einer weichen Sandgrube zu landen, aus der man nur mit Mühe wieder herauskam. Zum anderen entsprach es auch nicht der normalen, natürlichen Welt, über ein Stück Land hinweg zu springen, über das man genauso gut laufen konnte.

Im Mittelpunkt der Weitsprunganlage der Tolympischen Spiele stand daher ein See mit festen Ufern mit unterschiedlichen Breiten. An der engsten Stelle war er fünf Meter breit, erweiterte sich dann zu sechs Metern, sieben Metern, nach einer weiteren Strecke war der Wasserspiegel acht Metern breit und an der weitesten Stelle genau zehn Meter. Danach verjüngte er sich wieder in kleinen Rundungen und Kurven. In der Mitte des Sees waren blühende gelbe und orange-rote Seerosen angepflanzt, zwischen denen einigen Familien von Wildenten, mit ihren Jungen herum schwammen und damit die besten Plätzen für den Wettbewerb hatten.

Jeder Teilnehmer hatte sechs Sprünge zur Verfügung und die Regeln waren einfach: der Sprung war gelungen und die Weite erreicht, wenn man nicht ins Wasser sprang. Die Teilnehmer konnten bei den kleinen Weiten anfangen und bei den großen aufhören. Es war auch erlaubt, alle Kräfte zusammenzunehmen und über die breiteste Stelle des Sees einen Versuch zu wagen. Natürlich hatte man dann das Risiko, mit nassen Füßen da zu stehen und erst die Füße oder die Schuhe zu trocknen.

Die Regeln gaben ein Beispiel dafür, wie man den Teilnehmern ein Stück Freiheit zurückgeben konnte und sie nicht in ein zu enges Bett der Abhängigkeit zwängen wollte. Die Reihenfolge der Teilnehmerinnen war so ausgelost, dass immer im Wechsel eine Teilnehmerin der Impalafamilie und eine Teilnehmerin der Menschenfamilie an der Reihe waren.

Anne Lypsham wählte als erstes den sieben Meter breiten See, lief mit ihrer eigenen leichten Kurventechnik an, sprang ohne viel am Ufer zu verschenken ab, streckte sich weit in die Luft hinein und landete sicher am anderen Ufer. Es gab keinen Spritzer, auch die Entenfamilie hielt still, um das Ergebnis nicht zu beeinflussen, kein Maßband war erforderlich und eine weiße Flagge für einen erfolgreichen Sprung von sieben Metern wurde gezogen.

Die Silbermedaillengewinnerin der letzten Olympischen Spiele hatte sich lange mit ihrer Trainerin beraten. Ihre beste Marke lag deutlich über sieben Meter, bei den höchstoptimierten Bedingungen des Olympiastadiums. Sie wählte zunächst eine Breite von 5,50 m und einen mittelweiten Anlauf. Mit ihrer großen Routine war es auch kein Problem, den Absprung gut zu erwischen, und sie landete etwa hart aber sicher am jenseitigen Ufer und ihr wurden 5,50 m gutgeschrieben.

Obwohl ihre Trainerin dringend davon abriet, wählte Jocelyn Omo in ihrem jugendlichen Übermut eine Weite von 8,50 m, das wäre immerhin ein klarer Frauenweltrekord. Sie nahm einen sehr langen Anlauf. Der Absprung war nicht perfekt und sie landete mit den Hinterbeinen im Wasser. Die Vorderbeine erreichten zwar das rettende Ufer, aber der Sprung war selbstverständlich ungültig. Die Uferzonen waren so flach, dass keine Verletzungsgefahr bestand.

Die Goldmedaillengewinnerin der letzten Olympischen Spiele fühlte sich durch den erfolgreichen Sprung der Zweitplazierten herausgefordert, ihre Rekordweite lag bei 7,53 m, und sie wählte als erste Breite die 6,50 m Strecke, die sie mehrfach zunächst mit den Augen und mit einer Bewegungssimulation übersprang, um dann den wirklichen Sprung anzuschließen. Sie landete klar im Wasser, das zwar kühl und erfrischend war, doch der Boden war etwas weicher als am Ufer, aber es half nichts, der Sprung war auch ungültig.

Vor ihrem ersten Sprung wanderte Tala Sambe ruhig auf und ab und unterhielt sich mit Anne Lipsham über das Vergnügen, weit und hoch zu springen. Geübt hatten sie das schon als Kinder, wenn sie mit ihren Müttern von Wohngebiet zu Wohngebiet zogen. Manchmal war es auch ernst, wenn sie um ihre Leben rennen mussten, aber das waren immer nur kurze Momente, bis sie außer Gefahr waren. Besonderes Vergnügen machte es übereinander wegzuspringen, und so den Tagesablauf von Weiden, Wiederkäuen, Trinken und Salz lecken zu bereichern.

Tala Sambe: „Ich wundere mich, dass unsere menschlichen Teilnehmerinnen beim Anlaufen und beim Springen immer ein so ernstes Gesicht machen, als ob es total anstrengt. Ich springe immer nur so weit, dass ich mich nicht überanstrenge.“

Anne Lipsham: „Auch nach dem Springen sehen sie meistens unzufrieden aus. Sie lachen eigentlich nur, wenn sie gewonnen haben.“

Tala Sambe: „Vor dem Wasser scheinen sie zusätzlich Angst zu haben, obwohl es ja wirklich nicht tief ist.“

Anne Lipsham: „Ich habe gehört, dass bei den Menschen die männlichen Teilnehmer weiter springen als die weiblichen. Davon kann bei uns natürlich keine Rede sein; bei uns springen wir eher weiter als die Männer. Übrigens, was ich Dich schon länger fragen wollte, von wie viel verschiedenen Männern stammen Deine Kinder ab?“

Anne Lipsham: „Ich glaube, es sind vier, aber genau kann ich es nicht sagen, denn ich zähle sie ja nicht. Sie sind vor allem daran interessiert, ihre Territorien abzustecken, mein Land ist immerhin zwölf mal so groß wie das meines letzten Mannes, und er war ein besonders kräftiger Bursche“.

Tala Sambe: „Ich werde bei meinem ersten Sprung versuchen, auch besonders hoch zu springen, vielleicht ist der Sprung auch besonders weit, ich habe das noch nie richtig ausprobiert!“

Danach lief sie an, zunächst mit langsamen, dann immer schnell werdenden Schritten und machte einen gewaltigen Satz über die acht Meter breite Strecke des Sees und landete deutlich hinter dem Ufer, das sie mit einem zufriedenen Schnauben quittierte. Ihre Freundin, Anne Lipsham, nickte anerkennend und freute sich mit ihr.

Die menschliche Bronzenmedaillengewinnerin übersprang sicher die sechs Meter Strecke im ersten Sprung, scheiterte dann aber fünfmal an der 6,50 m Strecke, die im letzten Versuch von der Goldmedaillengewinnerin aber erreicht wurde. Jocelyn Omo hatte sich inzwischen in solch eine gute Stimmung hineingesprungen, dass sie nach der übersprungenen 7,50 m Strecke auch die acht Meter Distanz vornahm, ihren Anlauf verlängerte, immer stärker beschleunigte, mit einem gewaltigen nicht zu hohen aber weiten Sprung die acht Meter Distanz sicher überquerte, sofort weiter rannte, um dieses erfreuliche Ereignis vielen anderen Mitgliedern der Tolympischen Mannschaft mitzuteilen. Selbst das Nashorn Mandrasah hörte mit dem Grasen auf und nickte anerkennend mit seinem spitzen Horn, dass es sich für nichts in der Welt würde absägen lassen.

Das Endergebnis lautete schließlich so:

Goldmedaillengewinnerin Jocelyn Omo: 8,50 m

Silbermedaillengewinnerin: Anne Lipsham: 8,00 m

Ebenfalls Silbermedaillengewinnerin: Tala Sambe: 8,00 m

Vierter Platz: die menschliche Goldmedaillengewinnerin der letzten Olympischen Spiele: 6,50 m

Fünfte: Die Bronzenmedaillengewinnerin der letzten Olympischen Spiele: 6,00 m

Sechste: Die Silbermedaillengewinnerin der letzten Olympischen Spiele: 5,50 m

Bei der Siegerehrung wurde die Hymne der Impalas gespielt, die mit den Lauten und Rufen der Steppentiere begann, dann überging in den Rhythmus laufender Herden beginnend mit einem langsamen Tempo, das sich langsam steigerte bis zum Stakkato von tausenden von rasenden Huftieren und dann wieder langsam zum Stillstand kam.

Der Medaillenspiegel:

Gold Silber Bronze

Die Tolympische Mannschaft 2 3 1

Die Olympische Mannschaft 0 0 0

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