Читать книгу Nach dem letzten Karfreitag - Johann Toth - Страница 5
ОглавлениеVorwort
Am Karsamstag 1945 wurden alle verbliebenen deutschsprachigen Bewohner des Dorfes Kernei aus ihren Bauernhäusern vertrieben und in die Internierungslager in Krusevlje und Gakowo gesteckt, in denen viele den Hungertod erleiden mussten. Schon mit dem Einmarsch der Roten Armee zu „Wendlini“ (20. Oktober) 1944 und der Befreiung vom Faschismus war das Schicksal der mit dem Begriff „Donauschwaben“ bezeichneten Volksgruppe besiegelt: Während etwa die Hälfte der Bewohner, die mit dem verbrecherischen Nazi-Regime sympathisiert hatten oder die späteren Gräuel geahnt hatten, bis Oktober 1944 das Dorf verlassen hatten, vermeinten jene, die treu zu Kirche und Land standen und sich persönlich nichts zu Schulden haben kommen lassen, in ihrer Heimat bleiben zu können. Nicht nur, dass auch ihr Vermögen auf Basis der AVNOJ1-Beschlüsse konfisziert wurde, haben die Opfer des Krieges an ihnen die „Kollektivschuld“ der Deutschsprachigen in grausamer Weise gesühnt: Die Internierungslager wurden zu Vernichtungslagern, in denen viele den Hungertod erlitten. Damit endete die etwa 180-jährige Siedlungsgeschichte für die als „Donauschwaben“ bezeichnete Volksgruppe in der Batschka und im Banat; diese Gebiete liegen in der Vojvodina/heutiges Serbien und Rumänien.
„Nach dem letzten Karfreitag“ erzählt die Erlebnisse des damals jugendlichen „Toth-Opa“. Es ist die Geschichte eines 16-Jährigen, der alles verloren hatte – mit 4 Jahren seine Mutter und am Karsamstag 1945 sein Zuhause – und der mit Waghalsigkeit, nein: mit Todesmut, das Letzte, was ihm und seiner Familie geblieben und bedroht war – das nackte Leben –, rettete.
Das Buch erzählt auch von einem familiären Heldenmythos: Immerhin ist es dem jugendlichen Toth-Opa gelungen, ausreichend Lebensmittel in das Vernichtungslager zu schmuggeln, um seine Schwestern Regina, Magdalena und Theresia, seinen kleinen Bruder Josef sowie seine Stiefmutter und Großmutter vor dem Hungertod zu retten (sein Bruder Martin im Säuglingsalter und seine zweite Großmutter sind schmerzlich im Lager verhungert) und die Familie aus dem Lager und über die Grenze nach Ungarn zu bringen.
Diese Erzählung soll keine Anklage gegen jene sein, die – selbst Opfer des barbarischen Überfalls des Deutschen Reiches am Balkan – sich an persönlich Schuldlosen gerächt haben; dieses Buch regt aber die – wenn auch späte – geschichtliche Anerkennung jener als Opfer an, welche nicht mit dem verbrecherischen Nazi-Regime sympathisiert hatten und dennoch aufgrund ihrer Sprachzugehörigkeit mit Vertreibung und Vernichtungslager bestraft wurden.
Die Geschichte des jungen „Toth-Opa“ soll vor allem Friedensmahnmal und Friedensbeitrag sein: Sie soll Frieden einmahnen, damit Jugendliche nie mehr Lebensmittel erbetteln (und stehlen) und an Wachposten vorbei in ein Lager schmuggeln müssen, um Angehörige vor dem Hungertod zu bewahren. Das Buch postuliert als Friedensbeitrag der Vertriebenen den historischen Schlussstrich und die Abstandnahme von Restitutions- oder Entschädigungsüberlegungen im vereinten Europa.
Das Buch endet mit einem zweifachen „happy end“: Mit der geglückten Flucht über das kommunistisch werdende Ungarn in die Freiheit nach Österreich als neue Heimat und – Jahrzehnte später – dem Besuch des Toth-Opa als Gast in seinem vormaligen Elternhaus bei dem seit damals darin wohnenden Besitzer als Gastgeber mit Handschlag, angeregter Unterhaltung in serbischer Sprache sowie anschließenden jährlichen Briefkontakten – respektvoll geführt in der jeweiligen Muttersprache des anderen.