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Kapitel 2

TERZ, BELUS UND ROTOBER MIT VIERZEHNER – DIE KERNEIER LEIDENSCHAFT

Wenn die Ernte eingebracht war, es draußen zunehmend unwirtlich kalt wurde und der Schnee das Land bedeckte, war Zeit für „Klawrias“. Ich war und bin – so wie jeder Kerneier – ein passionierter Kartenspieler. „Klawrias“ war ein Spiel mit 32 doppeldeutschen Karten und 4 Spielern, das mit Ersteigern des Spiels bei fünf aufgenommenen Karten – und drei noch nicht aufgenommenen – begann. Jeder Kerneier war ein Freund der Roten: Damit waren aber im streng katholischen Kernei nicht die Sozialdemokraten und schon gar nicht die Kommunisten – die späteren Todfeinde – gemeint, sondern die Karten der roten Farbe. Wer viele Rote hatte, konnte das Spiel über „Eichel“ (erste Ansage), „Grüne“ (Steigerung auf Spiel 2) und „Schella“ (Steigerung auf Spiel 3) auf Spiel 4 steigern und Rote zum Trumpf machen. Jedem passionierten Kartenspieler schlug das Herz höher, wenn er den „Rotober“ mit König (Belus), den „Vierzehner“ (zweithöchster Trumpf) oder eine Terz (drei Karten derselben Farbe aufsteigend), eine Quart (vier Karten) oder sogar eine Quint (fünf Karten in aufsteigender Reihenfolge) hatte. Der, der das Spiel ersteigert hatte, war der Spieler und Ausspieler gegen die drei übrigen Spieler. Wer mit dem „Rotober“ oder einem Ass stach, musste beim Ausspielen der Karte seinen Siegeswillen durch lautes Klopfen der zur Halbfaust formierten Mittel-, Ring- und Kleinfinger der Ausspielhand unterstreichen und die Karte auf den Tisch knallen. Dadurch sollten die Mitspieler eingeschüchtert oder zumindest beeindruckt werden, auch wenn die Finger nach dieser Machtdemonstration doch manchmal schmerzten. Manchmal wurden von kraftstrotzenden Spielern dabei auch noch die Mitspieler verhöhnt: „Trump, der kon’r hat, is‘ a Lump!“ („Trumpf, der keinen hat, ist ein Lump!“).

Besonders reizvoll war es, wenn schon vor dem ersten Ausspielen dem Spieler „contra“ von einem der übrigen Gegenspieler gegeben wurde und der Spieler, der das Spiel ersteigert hatte, seine Gewinnprognose durch ein „Re“ (Retour) unterstrich. Wenn ein „Re“ durch das Zimmer hallte – egal ob in der warmen Stube zu Hause oder im Gasthaus –, war dies das Signal dafür, dass sich für wenige Minuten die ganze Welt um diesen Tisch zu drehen hatte: Der Spieler (es waren praktisch nur Männer), welcher so laut „Re“ gerufen hatte, wollte ja gleichsam die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und alle sollten sich als Kiebitze rund um diesen Tisch versammeln. Gleichzeitig musste es absolut still sein; denn auch durch eine noch so vage Andeutung durfte der Kiebitz, der mehrere Kartenblätter gleichzeitig sah, das Spiel nicht verraten oder auch nur durch Grimassenspiel oder Räuspern in das Spiel eingreifen. Es war dann so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Diese Stille und Anspannung war die Ruhe vor dem Sturm: Das harte Klopfen mit den „Rotober“ oder einem Ass auf den Tisch wurde dadurch noch spektakulärer. In dieser spannungsgeladenen Stille, in der jeder Plausch von Spielern und Kiebitzen striktest verboten war, durfte nur ein Wort fallen: Das machtvolle Wort „Trumpf“, ausgesprochen von jenem Spieler, der laut mit der Stichkarte auf den Tisch klopfte und den Stich für sich reklamierte.

Manchmal nahm das Gehabe durchaus Züge eines Duells an, das aber Gott sei Dank nur im nachfolgenden Spiel freundschaftlich – und nicht mit Fäusten oder Waffen – ausgetragen wurde. Die dabei verwendeten Begriffe und Lizitationsstufen sind selbstredend; interessant ist, dass die letzten Lizitationsstufen schon einen selbstironischen Charakter hatten. Die duellhaften, sich steigernden Spielankündigungen, die jeweils eine Verdoppelung des Einsatzes (es wurde aber nur um Körner oder Kleingeld gespielt) zur Folge hatten, lauteten: „Contra“ – „Re“ (Retour) – „Sub“„Mord“Strohwusch“„Heuwusch“. Ein „Mord-Spiel“ oder sogar ein „Strohwusch“ oder „Heuwusch“ zu gewinnen, blieb einige Zeit in Erinnerung.

Der bei guten Karten entwickelte Spielrausch wurde oft auch durch den nicht unbeträchtlichen Weinkonsum angefacht. Dabei führte, etwas abergläubisch, der Rotweinkonsum oft dazu, dass möglichst viele „Rote“ aufgenommen werden konnten. Die Leidenschaft des Kartenspielers, möglichst wenig Zeit für anderes zu verlieren und sofort das nächste Spiel mit neuem Glück anschließen zu lassen, führte bei dem nicht unbeträchtlichen Weinkonsum oft dazu, dass der eine oder andere Spieler schon herumzappelte, aber nicht zugestehen wollte, dass er eine Spielunterbrechung benötigte. Daher stammt wohl auch die Kerneier Redewendung: „Brunzrig wie ein Kartenspieler.“

Nach dem letzten Karfreitag

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