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Einleitung

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„Du musst immer wissen, wer der Schiedsrichter ist“, war eine der Fußballweisheiten, die meine Oma zum Besten gab. Sie musste es ja wissen, schließlich war sie Zeit ihres Lebens von vielen fußballbegeisterten Männern umgeben gewesen. Einer davon ihr zweitältester Sohn. Mein Papa. Didi Constantini. Einstiger Profifußballer, Trainer so ziemlich jeder österreichischen Bundesliga- und nicht zuletzt der Österreichischen Nationalmannschaft. Liebender Papa, toller und fürsorglicher Familienmensch. Geisterfahrer und Betroffener. Betroffener einer Demenzerkrankung, wie so viele andere. Einer Erkrankung, die die meisten Menschen ins Abseits zu stellen droht. In eine Position, über die auch am Rasen immer die Schiedsrichter entscheiden. Was das Spielfeld des Lebens betrifft, so sind wir alle jene Schiedsrichter. Denn nicht nur wir als Angehörige, sondern auch wir als Gesellschaft bestimmen letzten Endes darüber, ob demenzkranke Menschen im Abseits stehen müssen oder nicht. Wir als Angehörige und wir als Gesellschaft legen fest, wann Betroffene vom Platz gar verwiesen werden sollen. Um nicht mehr teilnehmen zu dürfen. Am Spiel und am Leben.

Mehrere Motive haben mich zu diesem Buch bewogen. Einerseits dienen meine Zeilen der persönlichen Aufarbeitung familiärer Geschehnisse, wie sie sich zuletzt in meinem Leben zugetragen haben. Dabei spreche ich vor allem von jenem Unfall, den Papa im Juni 2019 als Geisterfahrer verursacht hatte. Und in dessen Folge ihm die Diagnose einer Demenz, im Speziellen die einer Alzheimer-Erkrankung attestiert worden war.

Auch zur Klärung offener Fragen zu jenen Geschehnissen, die das öffentliche Interesse über alle Maßen beschäftigt haben, sollen die folgenden Seiten beitragen. Und nicht zuletzt sollen sie über Demenzerkrankungen aufklären: Ich möchte bewusst Einblicke in Papas Leben wie auch in unsere Familiengeschichte und unseren ganz persönlichen Umgang mit dem Schicksalsschlag gewähren. Einem Schicksalsschlag, wie er viele Menschen ereilt. Menschen, mit denen ich nicht zuletzt in meiner Rolle als Psychologin in Kontakt trete, mit denen ich persönliche Herausforderungen aufarbeite. Schließlich gibt es in beinahe jeder Familie einen oder gar mehrere Fälle psychischer Erkrankungen. Vor allem dementielle Erkrankungen nehmen stetig zu.

Während sich mein Buch sowohl an Betroffene als auch an Angehörige und die Gesellschaft richtet, möchte ich mit meinen Zeilen keinen wissenschaftlichen Ratgeber liefern. Eher als professionelle Expertentipps will ich meine bzw. unsere persönlichen Sichtweisen und Strategien im Umgang mit der Erkrankung preisgeben. An die Öffentlichkeit zu gehen war uns als Familie auch deshalb wichtig, um Vorbild sein zu können.

Dass eine Demenzerkrankung viele Herausforderungen für Betroffene und auch für Angehörige mit sich bringt, ist und bleibt unbestritten. Dass diese Erkrankung aber auch neue Möglichkeiten und Chancen für zahlreiche gemeinsame Momente birgt, möchte ich nicht zuletzt am Beispiel unserer Familie zeigen.

Letztlich ist dieses Buch also der Versuch, persönliche und berufliche Denkanstöße zu vereinen, um demenzkranke Menschen ihre Positionen selbst wählen zu lassen. Sie vor allem nicht ins Abseits zu stellen, ihnen vielmehr so gut wie nur möglich ein Dasein auf dem Spielfeld des Lebens zu erhalten.

Dafür schreibe ich. Als Psychologin. Und als Tochter.

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Abseits

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