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KAPITEL 3

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JON

»Wie zum Teufel ist die Leiche bis ganz nach dahinten gekommen?«, fragte Cain frustriert.

Wir hatten uns alle wieder im Esszimmer versammelt, bis auf meinen Vater und Detective Singleton, die zurückgeblieben waren, um sich um den Leichnam zu kümmern. Singleton hatte nur kurz das Einsatzfahrzeug zur Leiche gefahren. Zu dem, was von ihr noch übrig war. Wir anderen waren nicht scharf darauf, noch da draußen zu sein. Nur Jim war als Unterstützung vor Ort geblieben, für den Fall, dass die Täter zurückkehren würden, um die Sache zu Ende zu bringen.

»Wir fragen die beiden, wenn sie wiederkommen«, gab Donovan nachdenklich zurück, während er versuchte, seine langen Beine seitlich auszustrecken. Am Tisch war zugegebenermaßen nicht viel Platz. »Aber Singleton war sicher, im und ums Haus alles überprüft zu haben, als er die Leiche gesucht hat. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ihm etwas Offensichtliches entgangen ist.«

»Ich habe auch alles gecheckt, während ich auf Sie gewartet habe«, fügte Cain hinzu und stieß gestresst die Luft aus, als er sich schwer auf einen Stuhl sinken ließ. »Mir ist auch nichts aufgefallen. Und der verdammte Pick-up stand nicht dort hinten, sondern neben dem Holzschuppen.«

»Also ist die Leiche damit transportiert worden.« Sho legte den Kopf schief und schaute Donovan an. »Wärst du in der Lage, einen hundertvierzig Kilo schweren Toten lautlos die schmale Treppe hinunterzubringen, irgendwo zu verstecken und ihn später bis zum Pick-up zu tragen, ohne dass es jemand mitbekommt?«

Donovan sah ihn ausdruckslos an. »Ist ja reizend, dass mir plötzlich alle diese Frage stellen.«

»Du bist eben der einzige Mensch, den ich kenne, der stark genug ist, um so etwas durchzuziehen.« Um Shos Mundwinkel zuckte es, als er hinzufügte: »Ich glaube auch nicht, dass du es warst, versprochen.«

Mit einem genervten Seufzer antwortete Donovan schließlich: »Ja. Ich denke schon, dass ich es könnte. Ich weiß allerdings nicht genau, wie. Zwei Polizisten haben das Haus und die Umgebung abgesucht. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sie die Leiche hätten übersehen sollen. Es hätte ein sehr, sehr gutes Versteck sein müssen.«

»Aber wenn das Versteck so gut war, wieso …« Cain unterbrach sich mit einem Blick zu Carol, die neben mir saß. »Na klar. Er hat Sie gesehen. Er sah Sie kommen und konnte sich denken, dass Sie die Kriminalmedien sind, wusste, dass ein Medium sein Versteck auf jeden Fall finden würde, egal, wie gut es war, und ist in Panik geraten. Er hat sich gedacht, dass er auf jeden Fall noch so viele Beweise wie möglich vernichten muss, bevor Sie den Leichnam aufspüren.«

»Und wir waren erst mal darauf konzentriert, alles für die Lesung vorzubereiten«, fügte Carol hinzu und zog frustriert die Nase kraus. »Es wäre überhaupt kein Problem gewesen, den Pick-up anzuwerfen und die Leiche wegzutransportieren. Er hatte ein Zeitfenster von gut zehn Minuten, als wir alle hier drin waren und nicht auf den hinteren Teil des Hauses geachtet haben. Jetzt wünschte ich, wir hätten erst nach der Leiche gesucht.«

»Es ist nun mal Vorschrift, zuerst die Beamten vom Verdacht freizusprechen«, erwiderte Cain mit einem erneuten entnervten Seufzer. Auf seinen Energiebahnen pulsierten Reue und Frustration. Ganz offensichtlich bedauerte auch er, die Vorschriften nicht ignoriert zu haben, um stattdessen nach der Leiche zu suchen.

Dem hatte ich nichts hinzuzufügen. Dieser Teil der Konversation ging mich nicht wirklich etwas an. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass Cain ein bisschen Unterstützung brauchen konnte, und da ich schon mal hier war … »Captain. Die Tochter steht doch sicherlich unter Verdacht, da sie gestern als Einzige mit im Haus war. Wenn Sie wollen, kann ich sie im Krankenhaus kurz vernehmen und feststellen, ob sie etwas mit der Sache zu tun hat oder nicht.«

Cain nickte dankbar. »Im Moment würde uns alles helfen. Ich persönlich glaube nicht, dass sie involviert ist. Sie war sehr verstört, nachdem sie ihren Vater gefunden hatte, aber es wäre natürlich gut, wenn wir sie vom Verdacht freisprechen könnten. Und möglicherweise weiß sie ja etwas, das uns hilft, zu verstehen, was da passiert ist. Momentan habe ich noch keine Ahnung, wer ein Motiv haben könnte. Richard Witherspoon ist erst vor zwei Monaten aus New York hierhergezogen. Er kannte kaum Leute hier.«

»Vielleicht sind ihm seine Probleme von New York hierher gefolgt?« Ich nahm mir vor, auf dieser Ermittlungsschiene weiter nachzuforschen. »Gut. Ich werde mit ihr reden. Ich brauche einen Zeugen bei der Befragung. Möchten Sie mich begleiten?«

»Ich würde lieber Detective Singleton schicken, wenn es Ihnen recht ist. Es ist sein Fall. Mit Ihrem Chef habe ich schon gesprochen. Ich möchte Sie alle gerne noch ein paar Tage hierbehalten, um mit den Ermittlungen weiterzukommen. Wir sind momentan unterbesetzt, und da ich schließlich dafür zahle, dass Sie hier sind, würde ich gerne so viel wie möglich für mein Geld kriegen.«

Dazu hatte ich gemischte Gefühle. Ich hatte nichts dagegen, den Fall aufzuklären. Aber ich würde gerne dem Gespräch mit meinem Vater aus dem Weg gehen. Wollte ich wirklich mehrere Tage hier festsitzen?

* * *

Über zu wenig Arbeit konnte ich mich nicht beschweren. Als Officer Victoria Ware, die Beamtin, die wir noch nicht vernommen hatten, wieder zurückkehrte, war sie heilfroh, zu hören, dass die Leiche während ihrer Abwesenheit wieder aufgetaucht war. Wie erwartet hatte sie mit dem Verschwinden nichts zu tun. Sie war zart und zierlich, es war also unrealistisch, sie zu verdächtigen, den Toten allein weggeschafft zu haben. Ich befragte sie eher der Ordnung halber, weniger, weil sie ernsthaft unter Verdacht stand.

Bei der Arbeit ging ich meinem Vater aus dem Weg, so gut ich konnte. Ehrlich gesagt, seit er uns verlassen hatte, hatte sich bei mir eine Menge Wut angestaut. Als Kind hatte ich ihn über alles geliebt, und bis zur Scheidung war er ein toller Vater gewesen. Er hatte mich zum Angeln und Campen mitgenommen, und wir hatten viele Stunden mit der Legokiste verbracht, um Festungen zu bauen, die wir später in inszenierten Schlachten wieder demolierten. Umso schmerzhafter war sein plötzliches Verschwinden gewesen. Von einer Minute auf die andere war das Gefühl, geliebt zu werden, dem des Verlassenseins gewichen. Und was noch schlimmer war: Ich hatte Rodger als mickrigen Ersatz bekommen.

Stimmte da irgendetwas nicht? Hatte ich vielleicht einen Teil der Geschichte verpasst? Calebs Meridiane legten diese Vermutung nahe. Die Emotionen, die er ausstrahlte, versprachen etwas anderes als das, was ich erlebt hatte. Das jagte mir eine Höllenangst ein. Ich hatte längst die Hoffnung aufgegeben, dass dieser Mann je wieder Teil meines Lebens sein würde. Diese neue Chance zu erhalten …

Caleb hatte die letzten Beweismittel im Einsatzfahrzeug verstaut. Er schloss den Wagen ab und suchte meinen Blick. Ich versteckte mich hinter Donovan, um ihn nicht anschauen zu müssen, denn ich wollte nichts wie weg hier.

Plötzlich stand Sho vor mir, dessen Meridiane vor Unbehagen nur so leuchteten. Ich hielt inne, froh, mich auf etwas anderes konzentrieren zu können als das emotionale Chaos in meinem eigenen Kopf. »Sho. Was ist denn los?«

Er blickte aus seinen dunklen Augen abwechselnd Donovan und mich an. »Als ihr draußen auf der Suche nach dem Leichnam wart, habt ihr da in dem Wäldchen jemanden bemerkt?«

»Ja, mir kam es so vor, als hätte ich einen Schatten gesehen. Ich dachte, ich hätte es mir vielleicht eingebildet, weil er so schnell wieder verschwunden war.« Donovans Haltung war anzumerken, dass sein Beschützerinstinkt gerade die Oberhand gewann. »Wieso? Hast du auch etwas gesehen, Sho?«

»Ja, ich dachte, ich hätte etwas wahrgenommen. Jemand ist am Haus vorbeigerannt. Ich habe ihn kurz durchs Fenster gesehen. Ich wollte ihm nachlaufen, aber als ich draußen ankam, war niemand mehr da. Denkt ihr, es könnte der Mörder gewesen sein?«

Auf seinen Energiebahnen war zu erkennen, dass er sehr im Zweifel war, und das machte mich neugierig. »Warum fragst du?«

»Oh, na ja … Ich dachte für einen Moment, es wäre jemand, den ich kenne. Aber ich kenne in Sevierville keine Menschenseele, also kann es gut sein, dass ich es mir eingebildet habe. Ich habe ihn auch wirklich nur für einen Sekundenbruchteil zu Gesicht bekommen.«

»So oder so, wir müssen das melden und nach dem Typ Ausschau halten.« Auch Donovan wirkte jetzt deutlich verunsichert, zusätzlich zu einer unterschwelligen Angst, die ich an ihm gar nicht kannte. Wovor er sich fürchtete, konnte ich nicht genau erkennen.

Das wurde ja immer seltsamer. Wieso hatte ich das Gefühl, dass mir alle beide etwas verheimlichten?

»Sho, hast du Cain Bescheid gesagt?«

»Ja, habe ich.«

»Dann können wir jetzt nicht mehr viel machen. Lass uns zusammenpacken und zum Hotel fahren.«

Selten war ich so froh gewesen, einen Tatort hinter mir zu lassen, und stimmte bereitwillig zu. Ich sah meinen Vater unschlüssig neben seinem Einsatzfahrzeug stehen. Möglicherweise hatte er vor, noch einmal Kontakt zu mir aufzunehmen, aber ich wandte mich ab. Falls er versuchte, mich anzusprechen, wollte ich es lieber gar nicht mitbekommen.

Lug und Spuk

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