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Am Silser See

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Das Stineli kam vor Freude die ganze Woche durch gar nicht mehr ins Gleichgewicht, ja, es schien ihm so, als habe diese Woche zehn Tage mehr als jede andere, denn es wollte gar nicht Sonntag werden.

Als er aber endlich kam und eine goldene Sonne über die Herbsthöhen leuchtete und es mit dem Rico oben bis zu den Tannen stieg und der glitzernde See vor ihnen lag, da kam eine solche Freude über das Stineli, daß es rings im Moos herumhüpfen und jauchzen mußte. Dann setzte es sich auf den äußersten Rand am Abhang, damit es alles sehen konnte, die sonnigen Höhen und den See und weit hinüber den blauen Himmel.


Nun rief es: »Komm, Rico, hier wollen wir singen, lang, lang!«

Da setzte sich der Rico neben das Stineli und machte seine Geige zurecht, denn die war mitgekommen.

Nun fing er an, und die Kinder sangen:

»Ihr Schäflein hinunter

Von sonniger Höh' –«

alle Verse durch, aber Stineli hatte noch lange nicht genug.

Und nun fingen sie wieder von vorne an und sangen ihr Lied hintereinander durch und hatten eine große Freude daran, und wenn sie es fertiggesungen hatten, so fingen sie noch einmal an und dann noch einmal und sangen das Lied wohl zehnmal durch, und je mehr sie sangen, desto besser gefiel es ihnen.

Vor lauter Gesang hörten sie auch gar nichts von der Betglocke, und erst als es zu dunkeln anfing, merkten sie, daß es Zeit war, heimzugehen. Schon von fern sahen sie die Großmutter, wie sie ängstlich umherschaute.

Diesmal freilich war Stineli zu sehr im Feuer, um von einer Besorgnis gedämpft zu werden. Es rannte auf die Großmutter zu und rief: »Du wirst es nicht glauben, Großmutter, wie gut der Rico geigen kann, und wir haben jetzt ein eigenes Lied, nur für uns. Wir wollen dir's gleich vorsingen.«

Und eh die Großmutter nur ein Wort sagen konnte, sangen sie schon mit heller Stimme zu der Geige ihr ganzes Lied durch, und die Großmutter hörte die frischen Stimmen gerne. Sie hatte sich auf das Holz gesetzt, und als die Kinder nun zu Ende waren, sagte sie: »Komm, Rico, jetzt mußt du mir auch noch ein Lied spielen, und wir wollen es miteinander singen. Kennst du das Lied ›Ich singe dir mit Herz und Mund‹?«

Nun fingen sie an, und vor jedem Vers sagte die Großmutter den Kindern die Worte, und so sangen sie alle fröhlich miteinander.

»So«, sagte die Großmutter zufrieden, »das war ein rechter Abendsegen, jetzt könnt ihr in Frieden zur Ruhe gehen, Kinder.«

Heimatlos (mit Illustrationen)

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