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Ein wenig Licht

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Aber Stineli wurde stiller und von Tag zu Tag magerer. Die kleinen Kinder schrien: »Das Stineli will nichts erzählen und lacht nicht mehr.« Die Mutter sagte zum Vater: »Siehst du's denn nicht? Es ist ja nicht mehr das gleiche.« Und der Vater sagte: »Das kommt vom Wachsen, man muß ihm am Morgen im Stall ein wenig Geißmilch geben.«

Doch als drei Wochen so vergangen waren, da nahm die Großmutter eines Abends das Stineli in ihre Kammer hinauf und sagte: »Sieh, Stineli, ich kann es wohl begreifen, daß du den Rico nicht vergessen kannst, aber du mußt doch denken, daß der liebe Gott ihn weggenommen hat, und wenn es so sein mußte, so war es gut für den Rico, das werden wir noch einmal sehen.«

Da fing das Stineli so zu weinen an, wie es die Großmutter nie an ihm erlebt hatte, und es schluchzte überlaut: »Der liebe Gott hat es ja nicht getan, ich habe es getan, Großmutter. Deshalb muß ich vor Angst ja fast sterben, denn ich habe den Rico angestiftet, an den See hinabzugehen. Nun ist er in die Rüfenen hineingefallen und ist tot, und es hat ihm noch so weh getan, und ich bin an allem schuld.« Und Stineli schluchzte zum Erbarmen.

Der Großmutter war eine schwere Last vom Herzen gefallen. Sie hatte den Rico verloren gegeben, und heimlich hatte sie der quälende Gedanke verfolgt, das arme Büblein sei der bösen Behandlung entlaufen und liege vielleicht drüben im Wasser oder sei im Walde zugrunde gegangen. Jetzt stieg auf einmal eine neue Hoffnung in ihr auf.

Sie beruhigte Stineli so weit, daß es ihr die ganze Geschichte von dem See erzählen konnte, von der sie gar nichts wußte. Daß der Rico immer von dem See gesprochen und es ihn dahin gezogen hatte und wie Stineli den Weg fand. Es war ganz sicher, daß Rico sich dahin auf den Weg gemacht hatte, aber des Vaters Worte von den Rüfenen hatten das Stineli um alle Hoffnung gebracht.

Die Großmutter nahm das Kind bei der Hand und zog es zu sich heran. »Komm, Stineli«, sagte sie liebreich, »ich muß dir nun etwas erklären. Weißt du, wie's in dem alten Liede heißt, das wir noch am letzten Abend mit dem Rico gesungen haben?

›Denn was Er tut und läßt geschehn,

Das nimmt ein gutes End.‹

Siehst du, wenn nun auch der liebe Gott es nicht selbst getan hat, so war doch die Sache in seiner Hand, als du etwas Verkehrtes tatest, denn einem solchen kleinen Stineli wäre er schon noch Meister geworden. Und daß du etwas recht Verkehrtes getan hast, wirst du jetzt für dein Lebtag wissen, und was da herauskommen kann, wenn Kinder in die Welt hinauslaufen und Sachen unternehmen wollen, die sie gar nicht kennen, und niemanden ein Wort davon sagen, nicht den Eltern und nicht der Großmutter, die es gut mit ihnen meinen. Aber nun hat das der liebe Gott so gemacht, und nun dürfen wir bestimmt hoffen, daß alles noch ein gutes Ende nehmen kann.

Jetzt denk daran, Stineli, und vergiß nie mehr, was du da erfahren hast. Weil es dir aber recht von Herzen leid tut, so darfst du jetzt auch gehen und den lieben Gott bitten, daß er doch noch etwas Gutes aus dem verkehrten Zeug mache, das ihr da angestellt habt, du und der Rico. Dann darfst du auch wieder fröhlich sein, Stineli, und ich bin es mit dir, denn ich glaube zuversichtlich, daß der Rico noch am Leben ist und daß ihn der liebe Gott nicht verläßt.«

Von dem Tage an wurde Stineli wieder munter, und wenn ihm auch der Rico auf jedem Schritt fehlte, so hatte es doch keine Angst und keine Vorwürfe mehr im Herzen. Tag für Tag schaute es nach der Straße hinüber, ob nicht vielleicht der Rico dort vom Maloja herunterkäme. So ging die Zeit dahin, aber vom Rico hörte man nichts mehr.

Heimatlos (mit Illustrationen)

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