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V.

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Auch Jeremias würde zu Deiner Segnung kommen. Wir hatten immer noch Kontakt und sahen uns hin und wieder – soweit der Terminplan eines Priesters dies eben zulässt. So wie ich war auch er Priester geworden, geriet aber mit dem Zölibat zuweilen in kleinere Konflikte; sie hatten sich im Laufe der Jahre nicht verringert. Früher hätte ich es nicht für möglich gehalten, aber in den Gemeinden gibt es durchaus Frauen, die es darauf anlegen, einen Priester zu knacken - und sitzt ein Priester erst einmal in seiner Gemeinde fest, ist er diesen Frauen ausgeliefert wie Benedikt XVI. der linksliberalen Presse.

Zum Glück gab es neben dem Regens Kotulla auch andere Lehrer im Seminar. Unser Spiritual hieß Pater Seliger – es hätte keinen treffenderen Namen für ihn geben können. Er war für mich der lebende Beweis dafür, wie der priesterliche Weg zur menschlichen Vervollkommnung führen und wie ein vom Priestertum durchwirktes Leben gelebt werden kann. Aufmerksam und wohlgesonnen behielt er einen jeden von uns im Auge, drängte seine Hilfe aber nicht auf.

Er riet mir, mich nicht zu sehr in den Büchern zu vergraben, nicht zu ehrgeizig zu sein, meine Erfahrungen nicht nur aus dem Gelesenen zu gewinnen, also aus dem, was andere erkannt und aufgeschrieben haben, sondern auch mein eigenes Er-Leben zu beachten. Unsere Religion sei keine Buchreligion, uns gebe der revolutionäre Glaube Zuversicht, dass Gott mit uns Kontakt aufnehmen will und sich nach uns sehnt – aber wir müssten, könnten und dürften ihm auch die Chance geben, uns anzusprechen, denn seine Stimme sei leise, und es sei eine Lebenskunst, ihr in Geist und Herz zu lauschen.

»Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen« - Ich habe dieses Zitat des Philosophen Wittgenstein oft beherzigt, gerade wenn es um eigene Glaubenserlebnisse ging und geht. Sie sind oft zu groß, um in Worte gefasst zu werden, zu tief, zu erschütternd oder zu leise; die hochentwickelte menschliche Sprache scheint zu profan, das menschliche Vorstellungsvermögen zu eindimensional, um dieser Schönheit einen angemessenen Ausdruck verleihen zu können.

Ich selber fühle mich manchmal unangenehm berührt, wenn gar zu schwärmerisch von spirituellen Einsichten geschwärmt wird. Gott wird so oft als angebliche Begründung für Attentate, Spott, Krieg, Diskriminierung und Unterdrückung missbraucht. Nicht das Gesprochene, sondern die Taten zählen.

Allerdings stehen dem Wittgenstein-Zitat die Worte der Apostel Petrus und Johannes in der Apostelgeschichte entgegen: »Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben!«

Es gilt also abzuwägen.

Im Burggrafer Dom liebte ich besonders die Sakramentskapelle. Unbeschadet hatte sie die Bombardierungen im zweiten Weltkrieg überstanden, ihre Kuppel hatte etwas Sphärisches, die Fresken etwas Zauberhaftes: Einst übertüncht waren sie nach all den Jahren wieder freigelegt worden, auf Augenhöhe zwar fast vollkommen verblasst, tönten jedoch zum Scheitelpunkt der Kuppel hin in immer kräftigeren Farben, all die Heiligen und Engel in die Lichtherrlichkeit schauend. Geduldig hatten sie jahrhundertelang unter all der barocken Tünche ausgeharrt.

Sonnenkranzartig umgaben Goldfiligran und Edelsteine die Monstranz, das Allerheiligste und Unbegreiflichste.

Ein sich selbst gebender Gott. Der mein Herz erfüllte, mein ganzes Sein bewegte, der rief, mich rief: Komm! Ja, genau DICH meine ich!

Das ergriff mich zutiefst. Ewig wollte ich in dieser Kapelle bleiben; die Stunden in ihr sind sicherlich zum Fundament meines ganzen Seins geworden. Ich schaute - und wurde angeschaut. Ich war gemeint.

Nun ja, ich kann mir vorstellen, dass sich nun bestimmt einige Herzen vor Peinlichkeit zusammengezogen haben, die eine oder andere Augenbraue hochgezogen wurde, meine Geschichte nun mit spitzen Fingern in den Händen gehalten wird – denn, nun ja, jede Religiosität erscheint heute prinzipiell irgendwie als verdächtig und jede Beschreibung spiritueller Erfahrungen als obskur, aber so ist es eben: Wenn ein Priester seine Erlebnisse erzählt, muss davon die Rede sein!

Und in uns der Himmel

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