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I.

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Als Priester zu einer Trauung zu fahren ist an und für sich auch in der heutigen Zeit nichts Ungewöhnliches. Die alltäglich hohen Scheidungsraten wären ohne vorherige Eheschließungen schlussendlich nicht möglich – und erstaunlich viele Menschen träumen immer noch davon, sich in einer Kirche und in weiß und mit einem auf der Orgelempore mehr oder weniger tontreffend gejuchzten »Ave Maria« das Ja-Wort zu geben.

Ungewöhnlicher ist es allerdings, wenn man als Priester für diese Hochzeit einige hundert Kilometer zu reisen hat und noch ungewöhnlicher ist es, wenn man zu einer schwulen Trauung fährt. Um keine euphorischen oder abendlanduntergängerischen Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich reise privat. Ich bin nicht als Zelebrant angefragt, wie auch? Meine Mutter Kirche äußerst sich zu derlei Unterfangen immer noch ablehnend, auch wenn zuweilen mildere und humanere Töne in den Äußerungen von einigen einsichtigen Bischöfen und Kardinälen anklingen.

Nun gut.

Ich reise eh inkognito.

Niemand weiß, wohin die Reise geht, ich wohl auch nicht.

Ich werfe einen Blick auf die große, von schmutzigen Tauben verzierte Uhr an der Bahnhofsfassade. Natürlich bin ich viel zu früh aufgebrochen.

Ich kaufe mir in der Buchhandlung einen Thriller und weiß, ich werde ihn nie lesen. Ich kaufe Brötchen und Kaffee und weiß, ich werde vor Aufregung nichts essen und trinken können.

Denn ich fahre zu dir.

Der Zug ist überfüllt und die Klimaanlage pumpt eisige Luft in die Waggons. Surrend und zuckend rasen wir über die Schienen, laut geführte Handygespräche und nervenzersägender Lärm aus Ohrenstöpseln irritieren mich.

Ich bin als Priester nicht zu erkennen. Oder doch? Ich hätte es sein sollen, doch habe ich den Kragen nicht angelegt, das Silberkreuz nicht angesteckt, es wäre gar zu heikel.

In blühender Frische fliegt die Sommerlandschaft vorbei, so schön und flüchtig, dass es weh tut.

Wir fahren in ein Unwetter hinein und warmer Regen donnert herab, er zaubert irre Tröpfchen- und Schlierenmuster an die Scheiben.

Ich trinke nun doch einen Schluck des pappigen Kaffees, der längst kalt geworden ist.

Die Wolken schweigen über der Weite, als sei ihr Werk noch nicht vollendet und weißer Dampf steigt von der Erde auf.

Müsste ich nicht ein Gefühl von Freiheit verspüren?

Ich kann nicht stillsitzen. Ich blättere im Fahrplan und stoße auf den Namen Burggraf. Natürlich. Ich muss lachen, traurig lachen. Dort haben wir uns kennengelernt. Im Priesterseminar. Klassischer geht es nicht. Schwieriger auch nicht.

Und nun, nach all den Jahren, wieder ein Lebenszeichen von dir, ein Brief: An einem gewöhnlichen Morgen die Post sortieren und auf einmal deine Handschrift lesen; sie hat sich meiner Seele eingebrannt wie alles, was mit dir zu tun hat ... meinen Namen also in deiner Schrift. Sofort sah ich dich vor mir, wie du meinen Namen geschrieben hast – und musste lächeln, trotz all meiner Aufregung, in mir hat es seitdem zu zittern begonnen, und es will sich nicht beruhigen.

Ich habe an dem Umschlag gerochen, aber da war nichts, nur Papier, natürlich.

Mein Lächeln verschwand, als ich die Karte aus dem Umschlag zog. Es war die Einladung zu einer Partnerschaftssegnung in Köln.

Zu deiner Partnerschaftssegnung.

Und in uns der Himmel

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