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Was soll ich sagen und was predigen? Thränen fordert die Gegenwart, nicht Worte; Klagen, nicht Reden; Gebet, nicht Erörterungen vor allem Volke! So ungeheuer ist die Frevelthat, so heillos das Geschwür, die Wunde so groß und über alle Heilkunst hinaus und der Hilfe von oben bedürftig! So saß Job,45nachdem er Alles verloren, auf dem Miste, und als seine Freunde es hörten, kamen sie herbei und da sie ihn von Ferne sahen, zerrissen sie die Kleider, bestreuten sich mit Asche und wehklagten laut. Jetzt sollten Dieß alle Städte in der Runde thun und zu unserer Stadt kommen und das Geschehene voll tiefen Mitleids beweinen. Der dort saß auf dem Miste, diese hier sitzt in großem Stricke gefangen. Denn wie dort der Teufel einstürmte auf die Schafund Rinderheerden und alle Habe des Gerechten; so hat er hier seine Wuth an der ganzen Stadt ausgelassen. Allein dort wie hier gestattete es Gott: dort, um den Gerechten durch die Größe der Versuchungen zu verherrlichen; hier, um uns durch diese übergroße Trübsal nüchtern zu machen.

Laßt mich klagen ob der Gegenwart! Sieben Tage haben wir geschwiegen, wie die Freunde des Job. 46 Laßt mich heute den Mund aufthun und das gemeinsame Unglück bejammern. Wer hat es uns angethan, Geliebte? Wer hat uns beneidet? Woher dieser gewaltige Wechsel? Nichts Ehrwürdigeres gab es, als unsere Stadt; Nichts ist jetzt bedauernswerther, als sie! Ein Volk, sonst so gehorsam und sanft und den Händen seiner Fürsten immer Unterthan, wie ein zügelrechtes und gebändigtes Roß, ist uns jetzt plötzlich so unbändig geworden und hat so viel Böses angerichtet, daß es nicht einmal auszusprechen erlaubt ist. Ich klage und weine jetzt, nicht wegen der Größe des zu befürchtenden Unglücks, sondern ob des Übermaßes des zum Ausbruch gekommenen Wahnsinns. Denn wenn auch der Kaiser nicht in Zorn entbrennt, straft und sich rächt; sage mir, wie werden wir die Schmach des Geschehenen zu ertragen vermögen?

Das Wort der Belehrung wird mir von Thränen erstickt; kaum vermag ich den Mund aufzuthun und die Lippen zu öffnen und die Zunge zu bewegen und Worte hervorzubringen. So bindet, gleich einer Fessel, die Last der Betrübniß meine Zunge und raubt mir die Sprache. Nichts war vordem glückseliger als unsere Stadt; Nichts Unerfreulicheres gibt es jetzt, als sie. Wie die Bienen ihren Stock umsummen, so umschwärmten täglich die Einwohner den Markt, und Alle priesen ehemals uns glücklich ob dieser Fülle. Aber siehe, dieser Bienenstock ist nun leer geworden; denn wie jene Bienen der Rauch, so hat diese Bienen die Furcht verjagt. Ja, was der Prophet in seiner Klage über Jerusalem sagte, das können auch wir bei dieser Gelegenheit sprechen: „Die Stadt ist uns einer Terebinthe gleich geworden, von der die Blätter abgefallen sind, und einem Garten, der kein Wasser hat.” 47Denn wie ein Garten, dem es an Bewässerung fehlt, blattlose und fruchtleere Bäume zeigt, so ist es jetzt auch unserer Stadt ergangen. Denn da sie die Hilfe von oben verlassen, steht sie verödet und ist fast von allen Bewohnern entblößt. Nichts ist süßer als die Heimath, aber jetzt ist sie das Allerbitterste geworden: Alle fliehen den Geburtsort wie eine Schlinge; wie einen Abgrund verlassen sie ihn; wie von einem Brande eilen sie von ihm hinweg. Und gleichwie, wenn ein Haus (vom Feuer) ergriffen wird, nicht bloß des Hauses Bewohner, sondern auch alle Nachbarn mit großer Hast sich entfernen, um nur den nackten Leib zu retten: so drängt, da jeden Augenblick des Kaifers Zorn wie ein Brand von oben herabkommen kann, auch jetzt Jeder, bevor die Flamme auf ihrem Weg ihn erreicht, hinauszukommen und das nackte Leben zu retten. Wie ein Räthsel ist dieses Unglück hereingebrochen: eine Flucht ohne Feinde, eine Auswanderung ohne Schlacht, eine Gefangenschaft ohne Eroberung! Wir haben kein Feuer der Barbaren gesehen; wir haben nicht der Feinde Antlitz geschaut und doch erleiden wir das Schicksal von Gefangenen. Alle erfahren jetzt unsere Unfälle; von unsern Flüchtigen, die sie aufnehmen, lernen sie den Schlag kennen, der die Stadt getroffen hat.

Homilien über die Bildsäulen

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