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Die Philosophie und der Klimawandel

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Probleme des Klimawandels und der Klimapolitik sind in der Philosophie bislang vor allem in der Wissenschaftsphilosophie und der angewandten Ethik diskutiert worden. Die Wissenschaftsphilosophie beschäftigt sich mit den Kriterien und Standards guter wissenschaftlicher Praxis und fragt mit Blick auf die Klimawissenschaften unter anderem nach dem Status und der Funktionsweise von Modellen und Simulationen sowie nach dem angemessenen Umgang mit Wahrscheinlichkeiten und Unsicherheiten.

Gegenstand der angewandten Ethik sind moralische Probleme und ethische Normen gesellschaftlicher Teilbereiche wie der Medizin oder der Technik. Seit den 1970er Jahren werden in der Umweltethik Normen des menschlichen Umgangs mit nicht-menschlichen Lebewesen und Prinzipien des Natur- und Landschaftsschutzes diskutiert. In den letzten Jahren hat sich neben und im Austausch mit der Umweltethik die Klimaethik als eigenständige angewandte Ethik etabliert, die nach dem richtigen Umgang mit dem Klimawandel und seinen Folgeproblemen fragt.

Die philosophische Klimaethik prüft für die Klimapolitik einschlägige Prinzipien, wie etwa Prinzipien gerechter Verteilung oder Prinzipien der Haftung für die Folgen eigenen Handelns, und zeigt auf, wie diese moraltheoretisch begründet werden können. Von diesen ausgehend sucht sie zu klären, welchen Akteuren in der Klimapolitik welche Verantwortlichkeiten grundsätzlich zugeschrieben werden können. In der Klimaethik werden somit diejenigen Normen und Werte explizit formuliert und diskutiert, die nach der hier gestellten Diagnose in der gesellschaftlichen Klimadebatte häufig nur implizit und durch die Vermittlung komplexer und dichter Begriffe präsent und wirksam sind. Entsprechend wird der aktuelle Diskussionsstand der philosophischen Klimaethik in den folgenden Überlegungen, in denen die begriffliche Analyse der öffentlichen Debatte im Mittelpunkt steht, nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Man kann der Philosophie im Themenfeld des Klimawandels jedoch noch eine dritte Aufgabe zuweisen: Schließlich gehört die Analyse komplexer Begriffe zum Kerngeschäft der Philosophie. Nicht wenige Philosophierende betrachten es als ihre wichtigste Aufgabe, einen Beitrag zum Verständnis zentraler und vielschichtiger Begriffe unserer Alltagssprache zu leisten, indem sie deren Bedeutungsdimensionen, Bezüge und Konnotationen herausarbeiten. Ludwig Wittgenstein (1881–1951), der wie kaum ein anderer das Verständnis von philosophischer Begriffsanalyse geprägt hat, betrachtete die Philosophie entsprechend als »Kampf gegen die Verhexung unsres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache«.1

Die folgenden Analysen klimapolitischer Begriffe sind diesem methodischen Ansatz der begrifflichen Untersuchung der Alltagssprache verpflichtet. Entsprechend ist auch die hier geübte Kritik zu verstehen: Sie ist keine Kritik am Anliegen des Klimaschutzes und seinen energischen Verteidigern. Sie ist eine Kritik an der für die Formulierung des Anliegens verwendeten Sprache im Interesse des Anliegens selbst. Sie ist getragen von der Überzeugung, dass die Sprache der Aufklärung bedarf, wenn sie ihr Ziel erreichen und im demokratischen Diskurs überzeugen soll.

Klima, Sprache und Moral. Eine philosophische Kritik

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