Читать книгу Grobe Nähte - Johannes Schweikle - Страница 15

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DER HÖCHSTE BERG DEUTSCHLANDS steht in Bayern, wo auch sonst? Drei Bahnen bringen Touristen bequem auf den Gipfel. Man kann freilich immer noch zu Fuß hinauf. Eine beliebte Route führt durch das Höllental. Zuerst geht es in eine Schlucht. Sie bietet Grusel mit Geländer, deshalb ist die Klamm auch bei Familien mit Kindern beliebt und kostet Eintritt. Dann überquert man mit Steigeisen einen der letzten Gletscher unseres Landes. Wer die schwierige Randkluft ohne Sturz überwindet, klettert am steilen Fels nach oben. Diese Tour ist mit Anstrengung verbunden, sinnvollerweise übernachten die meisten Bergsteiger in der Hütte, die auf halbem Weg am Höllentalanger liegt. Sie wurde 1893 von der Münchner Sektion des Alpenvereins gebaut. Sechs Lager auf Matratzen und 16 im Heu schienen damals ausreichend. Doch das Blockhaus mit den grünen Fensterläden wurde bald zu klein und entsprach irgendwann nicht mehr den Vorschriften für Brandschutz und Hygiene, mit denen bei uns auch das Leben im Gebirge geregelt wird. Der Alpenverein beschloss, eine neue Hütte zu bauen. Mit Heißwasser, Dusche und Empfang fürs Mobiltelefon. Außerdem sollte sie ein Flachdach bekommen – Lawinen würden darüber hinweggleiten, statt mit ihrer Wucht ein Satteldach zu zerstören.

Der Widerstand war enorm. Unterschriften wurden gesammelt. Eher fließt die Loisach bergauf, als dass so ein Schandfleck am Wetterstein gebaut wird, hieß es in Bergsteigerkreisen. WLAN auf der Hütte – braucht’s das? Planen die ein Tagungshotel? Dieses Häusl ist ein Refugium, vor dem die Modernisierung Halt machen muss. Am Berg soll das Leben gefälligst so bleiben, wie es im Tal schon lange nicht mehr ist.

Als die neue Hütte eingeweiht wurde, verkehrten sich die Verhältnisse. Das Flachdach im Höllental erinnert an einen Bungalow aus den Siebzigerjahren, die Lampen in der Stube an dänisches Design. Die Fenster sind so groß wie im Neubaugebiet, und der Hubschrauber bringt genügend Bier. Das historische Blockhaus wurde abgebaut, man kann es jetzt in München besichtigen. Es steht neben der Zentrale des Alpenvereins, als Erinnerung an das alte Gebirge.

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