Читать книгу +++ Neue Nachricht +++ - Johannes Tilly - Страница 7

Оглавление

5.

Die Periode der Fremdherrschaft über Sardinien, die etwa 800 v. Chr. mit den Phöniziern und Karthagern begann und sich über etliche Zwischenstufen fortsetzte, wurde im 11. Jahrhundert in Alghero damit fortgeführt, dass die genuesische Familie Doria die Stadt im Namen der Republik Genua von sarazenischen Piraten befreite, besetzte und in eine Festung gegen die konkurrierenden Pisaner umbaute. Im Jahre 1354 eroberten die Katalanen (das Haus Aragon) die Stadt, bauten die Festung aus und vertrieben die einheimische Bevölkerung. Das führte unter anderem zur Gründung der Stadt Villanova Monteleone.“

Christian zieht sich diese Wikipediabeschreibung auf seinen Reisebericht. Seine Ankunft in der Bucht von Alghero im Westen Sardiniens ist ihm gut in Erinnerung geblieben, „als wenn es gestern gewesen wäre“, denkt er.

Er hatte die Nacht zuvor in der Südbucht von Mandriola vor Anker gelegen, geschützt vor dem Mistral, dem heftigen Nordwestwind an der sardischen Westküste.

Er war früh am Morgen, schon bei Sonnenaufgang gestartet, wenn das Meer noch einigermaßen ruhig ist.

Doch als er Kap Mannu umrundet hatte, blies es schon ganz heftig und eine unangenehme Welle bremste seine Nirwana immer wieder ab.

Er steuerte einen klaren Nordkurs, hoch am Wind, und kämpfte sich Meile für Meile nach Norden. 60 Seemeilen, das waren rund 100 km.

Er rechnete immer noch in Kilometer und hatte auch sein GPS und seinen Speedometer auf km/h eingestellt. Nur die Windstärke las er in miles/h ab und rechnete sie in Beaufort um.

Bei 3-4 Beaufort war er gestartet. Sein Segler machte dabei rund acht Stundenkilometer über Grund.

Mittags war der Wind auf gut 5 Beaufort aufgefrischt, sein Vorwindkurs und seine Geschwindigkeit waren gleich geblieben, nur die Kränkung hatte zugenommen.

Erst als er spät am Abend Capo Caccia an Backbord hatte, war die Welle weg, hatte er es mal wieder geschafft. Ein harter Tagestörn war erfolgreich zurückgelegt.

Er hatte vor dem Hafen Alghero in einer Nebenbucht geankert, das sparte die teuren Liegegebühren und brachte den Luxus mit sich, am Morgen direkt nach dem Wachwerden mit einem Kopfsprung in das azurblaue Wasser den Tag zu beginnen.

Ja, die Arbeit an seinem großen Reisebericht war auch eine Aufarbeitung seiner Abenteuer, es war sozusagen, des Törnes dritter Teil.

Der erste war die Vorfreude der Planung, der Törnfestlegung und die voraussichtlichen Etappenziele. Der zweite Teil war die Reise selbst, die Konfrontation mit der Wirklichkeit, die doch manchmal ganz anders verlief als die Planung. Und nun saß er an der Nachbereitung und vieles wurde ihm erst jetzt richtig klar. Auch hier hatten sarazenische Piraten von der algerischen und marrokanischen Küste angelandet und Beute gemacht. Erst die Rekonquista, die er in Spanien studiert hatte, hatte auch hier in Sardinien für die Vorherrschaft der christlichen Adelsfamilien gesorgt.

Ach wie leicht und informativ ist es heutzutage, denkt Christian, während man die Texte zu seinen Fotos ins Schreibfenster des Fotoprogrammes eintippt, über google alles nachschlagen zu können, was man nicht oder nicht sicher weiß. Die Welt tritt aus dem Dunkeln, aus der Geschichte in das Licht des 21. Jahrhunderts. In seinem Weltpuzzle, dreidimensional zergliedert in Längen- und Breitengrade und in die Ebenen der Geschichte, wie beim Häuten einer Zwiebel, hatte Günther Grass geschrieben, hat ein weiteres Puzzleteil seinen Platz gefunden.

Seine Gedanken schweifen zurück ins Jahr 1981.

31 Jahre sind das jetzt her, ein junger Mann war er damals gewesen, 32 Jahre alt, verheiratet, mit zwei Kindern gesegnet. Nach dem Bau seines Einfamilienhäuschens hatte er mit zwei Hobbies begonnen.

In den Weihnachtsferien und über Karneval ging er zum Skifahren.

Dann war das Tauchen dazu gekommen.

Mit zwei befreundeten Familien waren sie in den Sommerferien mit ihren PKW's hochbeladen von Genua aus nach Olbia auf Sardinien gefahren. Das Land kennenlernen und Tauchen waren ihre Urlaubsziele.

Seine älteste Tochter war nun schon im 2. Schuljahr und damit war er nun die nächsten zwei Jahrzehnte von den Sommerferien abhängig, was bedeutete, dass alles teurer war, Flüge, Fähren, Hotels.

Und überlaufen war alles, alle waren unterwegs. Die Adriastrände waren bunt vor Handtüchern, nicht goldgelb vom Sand.

Deshalb hatten sie beschlossen, mit Camping- und Tauchausrüstungen und mit Schlauchbooten nach Sardinien zu fahren in die große Bucht von Alghero, dort wild zu campen und mit den Booten rund ums Capo Caccia zu tauchen.

Sie hatten auch einen wunderschönen Platz oberhalb einer Klippe gefunden, die zwei Boote schwammen in einer kleinen Bucht und konnten bei Südwind an Land gezogen werden.

Doch schon am dritten Tag waren Carabinieri gekommen und hatten auf das Schild hingewiesen, das am Anfang des Weges zu ihrem Zeltplatz stand: Camping divieto . Zelten verboten. Der Beton um die Stange war noch feucht, sie hatten es nur wegen uns aufgestellt.

Wir hatten die zwei Polizisten zum Rotwein eingeladen und es war ein geselliger wunderschöner Abend gewesen. Der Beginn einer deutsch-italienischen Freundschaft, hatten wir gedacht.

Am nächsten Morgen waren sie zurückgekommen und hatten uns, als sie sahen, dass wir nicht verschwunden waren, angebrüllt und unmissverständlich zum Einpacken aufgefordert.

Die Freiheit der 60er und 70er Jahre hatte in weiten Teilen Südeuropas ein Ende gefunden.

Man hatte in Campingplätze investiert und dort sollten die reichen Deutschen auch ihr Geld lassen.

Wir hatten uns dann getrennt, Rudi war nach Norden auf einen Campingplatz gefahren, wo er Tauchfreunde kannte. Georg und ich fuhren weiter nach Süden und fanden schließlich ganz im Süden Sardiniens bei Villasimius doch noch einen herrlichen wilden Zeltplatz für unser Tauchhobby.

Zurück in die Gegenwart, denkt Christian.

Er drückt auf seinem Laptop das > f< für facebook.

Als erstes drückt er den Button >Benachrichtigungen<. Die zeigen ihm alle Einladungen, > Gefällt mir <- und Textkommentare auf, die seit seiner letzten facebook-Sitzung angekommen sind.

Er klickt sie einzeln an und sieht die Reaktionen auf seine eigenen Aktivitäten.

Das interessiert und freut ihn, gibt ein Gemeinschaftsgefühl, vertreibt das Gefühl von Einsamkeit.

Auf seiner eigenen Seite hat doch diese Veronika ein Gedicht hinterlassen, nein, Gedicht ist der falsche Ausdruck, einen Text, der beginnt:

Es gibt keine Pflicht des Lebens, es gibt nur eine Pflicht des Glücklichseins....

Ja, Recht hat sie, nur das Glück zählt, das, was der Mensch aus sich macht, was er empfindet beim Leben.

Ja, er war Bankkaufmann gewesen, war jeden Morgen im Anzug mit Krawatte zur Arbeit gefahren und, „doch die ersten Jahre war ich glücklich, ich habe gerne mit Menschen zu tun gehabt und es war mir eine Befriedigung, ihnen bei ihren Geldgeschäften zu helfen, ihnen mein Wissen zur Verfügung zu stellen.“ Bei manchen hatte er nur gesagt, „machen Sie das und das...“, anderen hatte er den Mechanismus der Geldanlage genau erklärt, ihnen etwas BWL beigebracht. Die Kunden hatten gerne bei ihm im Kundenbüro gesessen, die Mädchen hatten auf Telefonanruf Kaffee gebracht, man hatte über vieles geredet.

Manchmal auch über ganz andere Dinge, die gar nichts mit Bankgeschäften zu tun hatten. Dann war er manchmal der Zuhörer, der Lernende gewesen.

Das war wirkliche, effektive Kundenbindung gewesen, vertrauensbildend, nicht dieser dumme Schnickschnack von heute, die dummen auswendig gelernten Sprüche, die man den Kunden entgegensäuselte.

Er liest weiter:

Wenn der Mensch gut sein kann, so kann er es nur, wenn er glücklich ist, wenn er Harmonie in sich hat, also wenn er liebt...

Christian denkt nach: Bei seiner China-Reise vor fünf Jahren war das Wort Harmonie permanent präsent gewesen. Er hatte in Peking einen Tempel besucht, der der „Harmonie im Alter“ gewidmet war und hatte das für bemerkenswert gefunden. Überhaupt hatten ihn die chinesische Kultur und Philosophie und die Chinesen begeistert, aber ist das Liebe?

Jetzt wird’s schwierig und kompliziert.

Was ist Liebe?

Nein, den Gedanken will ich jetzt nicht weiterspinnen.

Der Text erwähnt Jesus, Buddha und Hegel und stellt sie in eine gedankliche Reihe.

Für jeden, liest er weiter, ist das einzig Wichtige auf der Welt sein eigenes Innerstes, seine Seele, seine Liebesfähigkeit. Ist sie in Ordnung, so mag man Hirse oder Kuchen essen, Lumpen oder Juwelen tragen, dann klingt die Welt mit der Seele zusammen, ist gut, ist in Ordnung.

Das kann er nachvollziehen, das würde er unterschreiben.

Ob diese Veronika das selbst geschrieben hat? Mein Gott, dann müsste sie eine interessante Frau sein.

Nein, denkt er, das hat sie irgendwo abgeschrieben, aber wo? Und warum gerade das?

Er hatte ihr doch nur von seinem Segeltörn und seinem Ziel, das Mittelmeer zu umrunden, erzählt.

Hatte sie daraus gefolgert, dass er so sein Glück suchte, mit sich und der Welt in Harmonie sein wollte, die Wahrheit suchte, die sich durch die Geschichte der Menschen zog?

Nicht dumm der Text.

Er geht noch einmal auf ihre Seite.

Ja, sie ist Single, nicht sein Beuteschema, aber doch etwas sexy. Er hätte nichts gegen einen date.

Er schreibt unter ihren Text:

Wenn du das selbst formuliert hast, bist du ein Philosoph,

wenn du es nur ausgesucht hast, bist du eine kluge Frau, die ich kennenlernen möchte.

So, der Köder ist ausgeworfen.

Er wendet sich einer weiteren facebook-Nachricht zu, schreibt ein paar belanglose Worte, über deren Wirkung beim Adressaten er sich nicht viel Gedanken macht. Oberflächlichkeit ist angesagt.

+++ Neue Nachricht +++

Подняться наверх