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V.

Jim Morrison

* * *

Der Schamane

Wenn du mit deinen Füßen fest auf dem Boden stehst,

werden die Geister der Erde deine Beine emporsteigen.

Meine dritte Begegnung mit jemandem, der Zugang zu einer anderen Welt zu haben schien, ereignete sich, als ich zum ersten Mal auf Jim Morrison traf. Seine direkte Verbindung zur „anderen Seite“ fiel mir schon sehr bald auf. Ich jammte in der Garage der Familie Manzarek, als mir Ray ein zerknülltes Stück Papier reichte, auf dem Jim seinen Songtext zu „Break on Through“ notiert hatte:

Day destroys the night

Night divides the day

Tried to run, tried to hide

Break on through to the other side.

Diese Zeilen besaßen nicht nur Rhythmus, was ich als Schlagzeuger zu schätzen wusste, sie handelten auch von einer Verbindung zum Nichts und einem Aufstreben des Bewusstseins. Seine Worte entsprachen voll und ganz den Gefühlen eines Suchenden, der es sich zum Ziel gesetzt hatte, uns mitzuteilen, dass das Leben bittere wie süße Seiten aufzuweisen hätte, aber auch noch etwas anderes existiert.

Als wir uns kennenlernten, war das Wort „Schamane“ noch nicht weithin geläufig. Es war noch kein Teil unseres kulturellen Kanons. Ich kannte den Begriff jedenfalls noch nicht, als ich in Jims Gedichten darauf stieß. Er war gut vertraut mit den Praktiken spiri­tueller Anführer in angeblich primitiven Stammeskulturen – dass sie psychedelische Pflanzen konsumierten, sich in Trance-Zustände versetzten und Menschen zu heilen vermochten. Jim hatte schon Jahre zuvor begonnen, Bücher förmlich zu absorbieren. Er saugte sie auf wie ein Schwamm. Bereits mit 14 hatte er mit dem Schreiben begonnen. Er besaß unzählige Notizbücher, die geradezu überquollen vor Gedichten, Tiraden und Prosa. In späteren Interviews verglich er sein Leben mit einem Bogen, dessen Sehne 22 Jahre lang festgespannt worden war, bevor der Pfeil endlich losgelassen wurde.

Jim war eigentlich kein Musiker. Tatsächlich konnte er keinem Instrument auch nur einen einzigen Akkord entlocken. Mir erklärte er einmal, dass er ein gesamtes Rockkonzert in seinem Kopf gehört hätte und er nun die Welt an dieser Musik teilhaben lassen wollte. Er ersann Melodien, um sich die Songtexte, die reinste Poesie für mich waren, besser merken zu können. Was für eine Gabe! Wenn man sich etwa „The Crystal Ship“ anhört, fällt auf, dass die Melodie ein paar sehr ausgeklügelte Akkordwechsel vollführt. Obwohl Jim den Blues liebte, der auf einem einfachen 12-Takt-Format basiert, hing er auch seinen eigenen inneren Melodien nach, die wiederum auf relativ komplexen Akkordstrukturen beruhten. Alles, was sich in seinem Kopf abspielte, war absolut intuitiv – und ohne uns drei Musiker hätte er nicht über die Möglichkeit verfügt, seine Ideen auch umzusetzen. Er schrieb zuerst den simpel aufgebauten „Roadhouse Blues“, bevor er dann den weitaus komplizierteren Song „When the Music’s Over“ hinterherschob. Und so weiter. Für Jim verstummte die Musik keine Sekunde lang.

Jemand sagte einmal zu mir, dass Jim, wenn er nicht die Band gehabt hätte, eventuell schon früher gestorben wäre. Dieser Gedanke beschäftigt mich immer noch. Der positive Aspekt von Jims Tendenz zu Ausschweifungen – sein Impuls zur Maßlosigkeit –

bestand letztlich darin, seine Ängste in Kreativität umzumünzen. Die negative Seite manifestierte sich natürlich in Form seines Drogen- und Alkoholmissbrauchs.

Der großartige, aber leider verstorbene Tom Petty, dieser superbe Songwriter, teilte mir seine eigene Theorie zu Jim mit. „Manche Künstler, nämlich die wirklich großartigen, brennen auf voller Flamme. Auf diese Weise verbrauchen sie aber umso schneller sehr viel Treibstoff. Man muss sich so lange und so fest wie möglich daran erfreuen, wie das eben möglich ist.“ Morrison steckte voller Energie, die er irgendwie verbrennen musste. Es war letztendlich der „Geist“ aus der Flasche, der seine Flamme zum Erlöschen bringen sollte. Wir alle waren gesegnet, zumindest die 27 Jahre lang, die er auf diesem Planeten weilte, an seiner kreativen Kraft teilhaben zu dürfen. Er schenkte uns seinen Sound – und was aus seinem Munde zu uns drang, war etwas ganz Besonderes.

Anfangs spielten seine Nerven seiner Stimme noch einen Streich, woraufhin sie eher dünn zu erklingen pflegte, doch nach einem Jahr Proben entwickelte sie sich zu einem satten Bariton. Und dann gab es ja noch seine Schreie. Als ob jemand an ein Kreuz genagelt würde. Gepeinigte Schmerzenslaute, die dem Innersten seiner Seele zu entspringen schienen. Da er vor dem Aufeinandertreffen mit seinen Bandkollegen noch nie gesungen hatte, wirkte seine Stimme wie eine gewaltige Gabe aus einer anderen Welt. Während andere Rocksänger Probleme mit dem Hals bekamen und sich Eingriffen unterziehen mussten, schienen Jims Stimmbänder nie wirklich in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Auch wenn er sich manchmal anhörte, als hätte er sich in die Kehle gegriffen und sie herausgerissen, um sie der ganzen Welt präsentieren zu können. Vermutlich verließ er sich beim Singen auf sein Zwerchfell, wozu einem auch Gesangslehrer raten.

Seine drei musikalischen Nebenmänner – und es brauchte gleich drei von uns, um dem Elan dieser einen Person gerecht zu werden –

durften sich glücklich schätzen, Jim den perfekten klanglichen Rahmen zu bieten, in dem er sich ideal bewegen konnte. Natürlich war das nicht nur reines Glück – Talent gehörte schon auch dazu. Als er uns zum ersten Mal a cappella „The End“ vortrug, hielt ich es für ein Abschiedslied für eine Verflossene. Aber im Verlauf der Zeit, als wir es in den Clubs spielten, breitete sich der Mittelteil wie eine riesige Leinwand vor ihm aus, auf der sich Jim so richtig austoben konnte. Man konnte richtig die Liebe und Wonne spüren, die er empfand, als er sich voll und ganz dem Klangteppich des Gitarren-Drones, den gehaltenen Orgeltönen und dem grenzsprengenden Groove hingab. Ich hörte auf meine Eingebung und nahm die Snare-Trommeln ab, die einen typischen Rock-Sound verbreiten. Stattdessen spiele ich einen düsteren, stimmungsvollen Sound auf den Toms. Jim fühlte sich wohl und sicher genug, um sein Unterbewusstsein zu entfesseln und seine tiefgründigen, mitunter auch düsteren Gedanken mit der Welt zu teilen. Er brachte auf diese Weise die urwüchsigen, sexuellen und ödipalen Aspekte unser aller Psychen ans Tageslicht.

The blue bus is callin’ us

Driver where you takin’ us?

Meet me at the back of the blue bus,

Doin’ the blue rock, on a blue bus … yeah.

Obwohl ich manche von Jims Texten nicht verstand, stellte ich sie nicht infrage. Ich konnte sie spüren – und sie fühlten sich richtig an. Mein Freund Robert Bly, ein amerikanischer Dichter, sagte einmal zu mir, dass er mitunter in seinen Gedichten Zeilen schrieb, die er zwar selbst nicht ganz begriff, die aber auf der Gefühlsebene ihre Berechtigung besaßen. Vom Sound quasi eingehüllt, brachte Jim jene archetypischen Unterströmungen zum Ausdruck, die uns alle, obwohl wir uns dessen in der Regel nicht bewusst sind, miteinander verbinden. Doch manchmal schien Jim seine Poesie auch nicht weiter zu analysieren und einfach loszulegen.

Ride the snake, to the lake, the ancient lake,

The snake he’s long, seven miles, he’s old

And his skin is cold, baby.

Wir ließen uns mit Jim auf ein Risiko ein, trafen ihn „at the back of the blue bus / Doin’ a blue rock“. Und dafür werden wir ihm für immer dankbar sein. Der Sound, der von hinten aus dem Bus drang, war sehr tiefgründig. Er vermittelte Urängste, Urgelüste und alles, was dazwischen lag.

Als ich begriff, dass Jim sich im rasanten Sinkflug befand, zog ich mich als Freund aus Selbstschutz zurück. Klar, sobald wir der Wiege entwachsen sind, halten wir bereits Kurs auf unser Grab, doch ich wollte, dass meine eigene Reise gemächlicher verlief. Ich war davon ausgegangen, dass wir uns vielleicht für ein Jahrzehnt oder so würden halten können, doch ich hatte ja keine Ahnung, dass unser Leadsänger sich in einen Schaltkreis konzentrierter, allumfassender Klangschwingungen eingeklinkt hatte, der Schallwellen aussendete, die man auch heute noch, 50 Jahre später, vernehmen kann.

Wynton Marsalis, von dem mit Blood on the Fields die erste Jazz-Komposition stammt, die den Pulitzer-Preis gewann, beschreibt Musik als „unsichtbare Kraft“. Ich bin stolz darauf und dankbar dafür, dass ich mit den Doors zum Sound beitragen durfte. Angetrieben von Jims Elan, unterstützten wir ihn dabei, das Konzert aus seinem Kopf herauszuholen und hinaus ins Universum zu entsenden. „Light My Fire“ wurde 1972 im Rahmen der Apollo-17-Mission gespielt. Unlängst erst wurde unser erstes Album in die Library of Congress aufgenommen. Also fand Morrisons Botschaft ihr Publikum. Ich bin mir sicher, dass Jim sehr stolz darauf ist.

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