Читать книгу Die Forsyte-Saga (Buch 1-3) - John Galsworthy - Страница 13

Achtes Kapitel Baupläne

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Inhaltsverzeichnis

Bekanntlich haben alle Forsytes ihre Schale, wie das äußerst nützliche kleine Tierchen, aus dem Türkisches Konfekt bereitet wird. Mit andern Worten, man sieht sie nie oder würde sie, wenn man sie sieht, ohne ihr Gehäuse nicht erkennen, das sich aus ihren äußern Lebensumständen, ihrem Vermögen, ihren Bekannten und ihren Frauen zusammensetzt, von denen sie auf ihrem Wege durch eine Welt begleitet werden, die aus Tausenden von andern Forsytes mit ihrem Gehäuse besteht. Ohne ein solches Gehäuse ist ein Forsyte undenkbar – er wäre wie ein Roman ohne spannenden Konflikt, was als Abweichung von der Regel betrachtet wird.

In den Augen der Forsytes besaß Bosinney kein solches Gehäuse, er war einer jener bedauernswerten Menschen, die von Umständen, Vermögen, Bekannten und Frauen umgeben durchs Leben gehen, die nicht zu ihnen gehören.

Seine Wohnung in Sloane Street, im obersten Stockwerk, wo außen auf einem Schild sein Name: ›Philip Baynes Bosinney, Architekt‹ stand, war nicht die eines Forsyte. Er hatte kein Empfangszimmer neben seinem Bureau, sondern es war eine große Nische abgetrennt, um die Bedürfnisse des Lebens – ein Ruhebett, einen Lehnstuhl, seine Pfeifen, Likörschränkchen, einige Romane und die Hausschuhe – zu verbergen. Der Arbeitsraum des Zimmers hatte die übliche Ausstattung; einen offenen Schrank mit Fächern, einen runden Eichentisch, einen Klapp-Waschtisch, ein paar harte Stühle und ein sehr großes Stehpult, das mit Zeichnungen und Entwürfen bedeckt war. June war unter dem Schutz seiner Tante zweimal zum Tee hiergewesen.

Hinten sollte er irgendwo ein Schlafzimmer haben.

Sein Einkommen bestand, soviel die Familie Sicheres darüber erfahren konnte, aus je zwanzig Pfund im Jahr, die ihm zwei Anstellungen als Sachverständiger einbrachten, aus einem gelegentlichen Extrahonorar und ferner – was wertvoller war – aus einer jährlichen Leibrente von hundertfünfzig Pfund, die ihm im Testament seines Vaters ausgesetzt war.

Was dabei in bezug auf diesen Vater ruchbar geworden, klang nicht gerade beruhigend. Er war anscheinend Landarzt in Lincolnshire gewesen, eine auffallende Erscheinung, mit Byronschen Neigungen – in seiner Gegend eine allbekannte Persönlichkeit. Bosinneys angeheirateter Onkel Baynes, in Firma Baynes und Bildeboy, in seiner Art ein Forsyte, wenn auch nicht dem Namen nach, wußte nur wenig von seinem Schwager zu berichten.

»Ein sonderbarer Mensch!« erzählte er wohl, »von seinen drei ältesten Söhnen sagte er immer, sie sind ›gute Jungen, aber so dumm‹, dabei bewährten sich alle ausgezeichnet als Beamte in den Indischen Kolonien! Philip war der einzige, den er liebte. Ich hörte ihn die sonderbarsten Reden führen; einmal sagte er zu mir: ›Lieber Freund, laß deine arme Frau nie wissen, was du vorhast!‹ Aber ich, ich folgte seinem Rat natürlich nicht! Ein exzentrischer Mensch! Er pflegte zu Phil zu sagen: ›Einerlei, ob du als Gentleman lebst oder nicht, mein Junge, jedenfalls aber sieh zu, daß du als solcher stirbst!‹ und sich selbst ließ er im Gesellschaftsanzug mit seidener Krawatte und einer Diamantnadel einbalsamieren. O, er war wirklich ein Original, das kann ich Ihnen sagen!«

Von Bosinney selbst sprach Baynes mit Wärme und einem gewissen Mitleid: »Er hat etwas von der Byron-Natur seines Vaters. Bedenken Sie, welche Aussichten er aufgab, als er mein Bureau verließ; ging da mit einem Ranzen einfach auf sechs Monate weg, und wozu? – um die Architektur des Auslands zu studieren – des Auslandes! Ich bitte Sie! Was hatte er davon? Nun sitzt er da – ein so tüchtiger junger Kerl – und verdient nicht hundert Pfund im Jahr. Diese Verlobung jetzt ist wirklich das beste, was ihm passieren konnte – das wird ihn zur Vernunft bringen; er gehört zu denen, die am Tage schlafen und nachts aufsitzen, nur weil sie keine Methode haben; aber sonst ist kein Makel an ihm – nicht der leiseste Makel. Der alte Forsyte ist ein reicher Mann!«

Mr. Baynes war sehr liebenswürdig gegen June, die in dieser Zeit sein Haus in Lowndes Square häufig besuchte.

»Dieses Haus von Mr. Soames – übrigens ein ausgezeichneter Geschäftsmann – ist gerade das richtige für Philip,« pflegte er zu ihr zu sagen. »Sie dürfen nicht erwarten jetzt viel von ihm zu sehen, mein liebes Fräulein. Ein guter Grund – ein guter Grund! Der junge Mann muß seinen Weg machen. Als ich in seinem Alter war, arbeitete ich Tag und Nacht. Meine liebe Frau pflegte zu sagen: ›Bobby, arbeite nicht so viel, denke an deine Gesundheit‹; aber ich schonte mich nie!«

June hatte sich darüber beklagt, daß ihr Bräutigam, gar keine Zeit fände, nach Stanhope Gate zu kommen..

Als er zum ersten Mal wieder kam, waren sie kaum eine Viertelstunde zusammen gewesen, als durch einen jener Zufälle, die charakteristisch für sie waren, Mrs. Small erschien. Bosinney stand auf und verbarg sich, wie vorher verabredet war, in dem kleinen Arbeitszimmer, um ihr Fortgehen abzuwarten.

»Liebes Kind,« sagte Tante Juley, »wie mager er ist! Ich habe das öfter bei Verlobten beobachtet; aber du darfst es nicht so fortgehen lassen. Gib ihm doch Barlows Fleischextrakt; es hat deinem Onkel Swithin außerordentlich gut getan!«

Junes kleine Gestalt stand aufrecht vor dem Kamin, ihr zartes Gesichtchen zuckte verdrießlich, denn sie betrachtete den ungelegenen Besuch der Tante als persönliche Beleidigung.

Sie erwiderte verächtlich:

»Es kommt daher, daß er etwas tut; wer etwas tut, das der Mühe wert ist, wird niemals dick!«

Tante Juley war gekränkt. Sie selbst war immer mager gewesen, aber das einzige Vergnügen dabei lag für sie in der Sehnsucht stärker zu werden.

»Ich finde,« sagte sie grämlich, »du dürftest ihn nicht ›Bukanier‹ nennen lassen; jetzt, wo er das Haus für Soames bauen soll, könnten die Leute es sonderbar finden. Ich hoffe, er wird sich Mühe geben, es ist so wichtig für ihn; Soames hat einen so guten Geschmack!«

»Geschmack!« rief June aufbrausend, »ich gebe nicht so viel für seinen Geschmack oder den irgend eines andern aus der Familie!«

Mrs. Small blickte sie überrascht an.

»Dein Onkel Swithin,« sagte sie, »hatte immer einen sehr guten Geschmack! Und Soames' kleines Haus ist reizend; das ist doch wohl auch deine Ansicht!«

»Pah!« sagte June, »das ist alles Irenens Verdienst!«

Tante Juley versuchte nun etwas Angenehmes zu sagen:

»Und wird es der lieben Irene gefallen, auf dem Lande zu leben?«

June starrte sie gespannt, mit einem Blick an, als käme ihr plötzlich eine Erkenntnis; er wurde aber von einem noch gespannteren Starren abgelöst, das diese Erkenntnis wieder zum Wanken zu bringen schien. Sie erwiderte überlegen:

»Natürlich wird es ihr gefallen; warum auch nicht?«

Mrs. Small wurde verlegen.

»Ich weiß nicht,« sagte sie; »ich dachte, sie würde sich nicht gern von ihren Freunden trennen. Dein Onkel James sagt, sie sei zu gleichgültig gegen alles. Wir – das heißt Timothy meint, sie sollte mehr ausgehen. Dir wird sie gewiß sehr fehlen!«

June verschränkte die Hände hinten im Nacken.

»Ich wollte,« rief sie, »Onkel Timothy redete nicht über Dinge, die ihn nichts angehen!«

Tante Juley erhob sich zur vollen Höhe ihrer langen Gestalt.

»Er spricht niemals über Dinge, die ihn nichts angehen,« sagte sie.

June bereute gleich ihre Worte; sie lief zu ihrer Tante hin und küßte sie.

»Verzeih mir, Tantchen, es tut mir leid, aber ich wünschte, sie ließen Irene in Frieden.«

Und Juley, der nichts einfiel, das sie über die Sache noch hatte sagen können, schwieg und rüstete sich zum Aufbruch, indem sie ihren schwarzseidenen Umhang über der Brust zuhakte und ihren grünen Pompadour nahm:

»Und wie geht es deinem Großvater?« fragte sie im Flur, »er ist jetzt wohl sehr einsam, wo deine ganze Zeit von Mr. Bosinney in Anspruch genommen ist?« Sie bückte sich, küßte ihre Nichte inbrünstig und ging mit kleinen trippelnden Schritten davon.

Junes Augen füllten sich mit Tränen; sie lief in das kleine Arbeitszimmer, wo Bosinney am Tisch saß und Vögel auf die Rückseite eines Kuverts zeichnete, sank an seiner Seite nieder und schluchzte:

»Ach Phil, es ist alles so gräßlich!« Ihr Herz war so warm wie die Farbe ihres Haares.

Am folgenden Sonntagmorgen, während Soames sich rasierte, wurde ihm gemeldet, daß Mr. Bosinney unten sei und ihn zu sprechen wünsche. Er öffnete die Tür zum Zimmer seiner Frau und sagte:

»Bosinney ist unten. Geh doch hinunter zu ihm bis ich fertig bin. Ich komme in einem Augenblick. Er ist wahrscheinlich wegen der Pläne hier.«

Irene sah ihn an, ohne etwas zu erwidern, beendete ihre Toilette und ging hinunter.

Er konnte nicht dahinter kommen, wie sie über dies Haus dachte. Sie hatte nichts dagegen gesagt und schien, soweit es Bosinney betraf, sogar sehr freundlich dafür gestimmt.

Vom Fenster seines Ankleidezimmers aus konnte er die beiden unten in dem kleinen Hof mit einander plaudern sehen.

Er beeilte sich mit dem Rasieren und schnitt sich zweimal dabei ins Kinn. Er hörte sie lachen und dachte im stillen: »Sie werden jedenfalls ganz gut miteinander fertig!«

Wie er erwartet hatte, war Bosinney gekommen, um ihn zur Besichtigung der Pläne abzuholen.

Er nahm seinen Hut und ging mit hinüber.

Die Pläne lagen ausgebreitet auf dem Eichentisch in Bosinneys Bureau, und Soames stand blaß, gelassen und forschend lange über sie gebeugt, ohne zu sprechen.

Schließlich sagte er unsicher:

»Das ist ja ein sehr merkwürdiges Haus!«

Die Zeichnung stellte ein rechtwinkliges, zweistöckiges Haus dar, das einen viereckigen Lichthof umschloß. Dieser war in der Höhe des oberen Stockwerks von einer Galerie umgeben und mit einem von acht Säulen getragenen Glasdach überdeckt, die vom Boden emporstiegen.

Für die Augen eines Forsyte war es allerdings ein merkwürdiges Haus.

»Es ist eine Menge Raum verschwendet,« fuhr Soames fort.

Bosinney fing an auf und ab zu gehen, und Soames gefiel der Ausdruck in seinem Gesicht nicht.

»Der Hauptzweck dieses Hauses,« sagte der Architekt, »ist, Ihnen Raum zum Atmen zu schaffen – wie es sich für einen Gentleman gehört!«

Soames spreizte Zeigefinger und Daumen, wie um den Umfang der Vornehmheit zu messen, die er erlangen würde, und erwiderte:

»Jawohl; ich verstehe!«

Ein eigentümlicher Ausdruck, der seinen ganzen Enthusiasmus verriet, kam in Bosinneys Gesicht.

»Ich habe versucht, Ihnen hier den Plan eines Hauses von einer gewissen Eigenart zu zeichnen. Wenn es Ihnen nicht gefällt, sagen Sie es lieber gleich. Allerdings ist es ja – wenn jemand Eigenart von seinem Hause verlangt – das letzte, worauf es ankommt, ob man irgendwo noch einen Toiletteraum hineinzwängen kann!« Er zeigte mit dem Finger plötzlich auf den linken Teil des mittleren Rechtecks: »Hier haben Sie Raum sich zu bewegen. Das ist für Ihre Bilder, durch Vorhänge vom Hof getrennt; wenn man sie zurückzieht, entsteht ein Raum von einundfünfzig, zu dreiundzwanzig Fuß. Dieser zweiseitige Ofen in der Mitte hier, geht mit einer Seite auf den Hof und mit der andern auf den Bildersaal; diese Wand besteht ganz aus Fenstern, durch sie fällt das Licht von Südosten, und Nordlicht kommt vom Hof her. Die übrigen Bilder können Sie oben rund um die Galerie aufhängen oder in den andern Zimmern. In der Architektur,« fuhr er fort und schien Soames nicht zu sehen, obwohl sein Blick auf ihn gerichtet war, was diesem ein unbehagliches Gefühl bereitete – »wie im Leben gibt es keine Eigenart ohne Regelmäßigkeit. Man wird Ihnen sagen, daß das altmodisch ist. Jedenfalls scheint es sonderbar, daß es uns niemals in den Sinn kommt, das Hauptprinzip des Lebens in unsern Bauten zu verkörpern; wir überladen unsere Häuser mit Verzierungen, Krimskrams, Erkern und allerlei, was das Auge abzieht. Das Auge soll im Gegenteil Ruhe finden; man muß mit wenigen starken Linien eine Wirkung erzielen. Wovon alles abhängt, das ist Regelmäßigkeit – ohne die gibt es keine Eigenart!«

Mit unbewußtem Spott heftete Soames seinen Blick auf Bosinneys Krawatte, die durchaus nicht schnurgerade herabhing; er war auch unrasiert und sein Anzug zeichnete sich nicht gerade durch Ordnung aus. Die Architektur schien seine ganze Regelmäßigkeit erschöpft zu haben.

»Wird es nicht wie eine Kaserne aussehen?«

Er erhielt nicht sogleich eine Antwort.

»Ich verstehe schon,« sagte Bosinney, »Sie wollen eins von Littlemasters Häusern – eins jener hübschen, bequemen, wo die Dienstboten in Dachstuben wohnen und die Haustür tiefer liegt, so daß man gleich zu steigen hat. Gehen Sie doch ja zu Littlemaster, er ist ein vortrefflicher Mensch, ich kenne ihn seit lange!«

Soames erschrak. Die Pläne hatten wirklich Eindruck auf ihn gemacht und er hatte seine Befriedigung nur ganz instinktiv verheimlicht. Es wurde ihm schwer, seine Anerkennung auszusprechen. Er verachtete Leute, die freigebig mit ihrem Lobe waren.

Nun befand er sich in der peinlichen Lage, ein Kompliment aussprechen zu müssen, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, etwas Vorteilhaftes zu verlieren. Bosinney war ganz der Mann dazu, die Pläne zu zerreißen und sich zu weigern, weiter für ihn zu arbeiten; er war wie ein großes Kind!

Dieses Wesen eines großen Kindes, dem gegenüber er sich so überlegen fühlte, übte auf Soames eine merkwürdige, beinahe magnetische Wirkung aus, denn er hatte niemals etwas Ähnliches in sich gefühlt.

»Ja,« stotterte er endlich, »es ist – es ist jedenfalls originell!«

Er empfand ein geheimes Mißtrauen, ja, sogar eine solche Abneigung gegen das Wort ›originell‹, daß er das Gefühl hatte, sich mit dieser Bemerkung eigentlich nichts zu vergeben.

Bosinney schien erfreut. So etwas mußte einen Menschen wie ihn natürlich freuen! Und Soames ermutigte dieser Erfolg.

»Es ist – ein großes Haus,« sagte er.

»Raum, Licht und Luft,« hörte er Bosinney murmeln, »in Littlemasters Häusern kann man nicht wie ein Gentleman leben – er baut für Fabrikanten.«

Soames machte eine abbittende Bewegung; er war mit einem Gentleman auf eine Stufe gestellt worden; um keinen Preis hätte er sich jetzt noch zu den Fabrikanten rechnen lassen mögen. Doch sein angeborenes Mißtrauen gegen allgemeine Prinzipien erwachte aufs neue. Was zum Teufel hatte es für einen Zweck über Regelmäßigkeit und Eigenart zu reden? Er hatte den Eindruck, als würde das Haus kalt sein.

»Irene verträgt keine Kälte!« sagte er.

»So!« sagte Bosinney sarkastisch. »Ihre Frau? Sie liebt die Kälte nicht? Das lassen Sie meine Sorge sein; sie wird nicht frieren. Sehen Sie hier!« er wies auf vier Zeichen in regelmäßigen Abständen an den Wänden des Hofes. »Ich habe hier Wasserheizung in Aluminiumkörpern vorgesehen; man bekommt sie in sehr hübschen Formen.«

Mißtrauisch betrachtete Soames diese Zeichen.

»Das ist alles sehr gut und schön,« sagte er, »aber was wird es kosten?«

Der Architekt zog einen Bogen Papier aus der Tasche.

»Das Haus müßte eigentlich ganz in Stein gebaut werden, da ich aber annahm, daß es Ihnen zu teuer sein würde, habe ich mich für eine Verblendung entschlossen. Es sollte ein kupfernes Dach haben, aber ich habe statt dessen grünen Schiefer genommen. Im Ganzen, einschließlich der Metallarbeiten, wird es Sie achttausend fünfhundert Pfund kosten.«

»Achttausend fünfhundert?« sagte Soames. »Aber ich habe Ihnen doch achttausend als äußerste Grenze genannt!«

»Unmöglich für einen Groschen weniger,« erwiderte Bosinney kühl. »Sie müssen sich dazu entschließen oder es ganz aufgeben!«

Dies war vielleicht die einzige Art, in der man Soames einen solchen Vorschlag machen konnte. Er war in die Enge getrieben. Eine innere Stimme riet ihm, die ganze Sache fallen zu lassen. Aber die Zeichnung war gut, das wußte er – und es lag eine gewisse Würde über allem, nichts fehlte; selbst die Räume für die Dienstboten waren ausgezeichnet. Sein Kredit würde steigen, wenn er in einem Hause wohnte, das ein so eigenartiges Aussehen hatte und doch so vorzüglich eingerichtet war.

Er vertiefte sich wieder in die Pläne, während Bosinney in sein Schlafzimmer ging, um sich zu rasieren und anzukleiden.

Schweigend gingen die beiden zurück zum Montpellier Square, wobei Soames ihn mit einem Seitenblick beobachtete.

Der Bukanier ist eigentlich ein hübscher Mensch – dachte er – wenn er anständig angezogen ist.

Irene stand über ihre Blumen gebeugt, als die beiden Herren eintraten.

Sie sprach davon, June herüber holen zu lassen.

»Nein, nein,« sagte Soames, »wir haben noch Geschäftliches zu besprechen.«

Beim Lunch war er fast herzlich und nötigte Bosinney fortwährend zum Essen. Er freute sich, ihn in so guter Laune zu sehen und ließ ihn den Nachmittag über mit Irene allein, während er, seiner sonntäglichen Gewohnheit nach, seinen Bildern verstohlen einen Besuch abstattete. Zur Teezeit ging er ins Wohnzimmer hinunter und fand sie in einer Unterhaltung, die wie er es ausdrückte, vom Hundertsten ins Tausendste ging.

Er stand unbemerkt in der Tür und beglückwünschte sich dazu, daß alles ins richtige Geleis gekommen war. Ein Glück, daß sie und Bosinney gut mit einander standen; sie schien anzufangen, sich mit der Idee des neuen Hauses zu befreunden.

Bei ruhiger Überlegung unter seinen Bildern hatte er beschlossen, die fünfhundert Pfund noch zuzuschießen, wenn es notwendig war, aber er hoffte, daß der Nachmittag Bosinneys Kostenanschlag vielleicht herabgemindert hatte. Es war ihm sicher ein Leichtes die Sache zu ändern; es mußte doch mehr als einen Weg geben die Kosten zu verringern, ohne die Wirkung zu beeinträchtigen.

Er wartete darum eine gelegene Zeit ab, bis Irene dem Architekten die erste Tasse Tee reichte. Ein Sonnenstrahl, der durch die Spitzen des Fenstervorhangs fiel, wärmte ihre Wange, leuchtete im Gold ihres Haares und in ihren sanften Augen. Derselbe Strahl vielleicht erhöhte auch Bosinneys Farbe und gab seinem Gesicht diesen fast bestürzten Ausdruck.

Soames war Sonnenschein verhaßt, darum stand er sofort auf und zog die Vorhänge zu. Darauf nahm er seine Tasse Tee aus den Händen seiner Frau und sagte in kühlerem Ton als er beabsichtigt hatte:

»Gibt es keine Möglichkeit, es doch für achttausend zu machen? Sie könnten gewiß eine Menge Kleinigkeiten ändern?«

Bosinney trank seine Tasse in einem Zuge aus und antwortete:

»Nicht eine!«

Soames sah, daß seine Frage einen ungreifbaren Punkt seiner persönlichen Eitelkeit getroffen hatte.

»Gut,« erwiderte er in verdrießlicher Nachgiebigkeit, »es muß wohl alles nach Ihrem Willen gehen.«

Wenige Minuten später erhob Bosinney sich um zu gehen, und Soames stand ebenfalls auf, um ihn hinauszubegleiten. Der Architekt schien in unglaublich guter Laune zu sein. Nachdem er ihn mit raschen Schritten hatte fortgehen sehen, kehrte Soames verstimmt ins Wohnzimmer zurück, wo Irene die Noten wegräumte, und fragte in einem Anfall unwiderstehlicher Neugierde:

»Na, wie findest du denn den Bukanier?«

Er sah auf den Teppich, während er auf ihre Antwort wartete, und die ließ eine ganze Weile auf sich warten.

»Ich weiß nicht,« sagte sie schließlich.

»Findest du, daß er gut aussieht?«

Irene lächelte. Und Soames hatte die Empfindung, daß sie sich über ihn lustig mache.

»Ja,« erwiderte sie, »sehr!«

Die Forsyte-Saga (Buch 1-3)

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