Читать книгу Die Göttliche Komödie - Jona Tomke - Страница 5

Dantes Klartraum Dante verirrt sich in einem dunklen Wald und kann den hellen Berg darüber nicht erreichen. Da kommt der Dichter Vergil und verspricht, Dante aus der Finsternis zu führen. Dafür müssen sie aber einen Umweg machen.

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Wa s du im Schlaf siehst, scheint dir alles echt. Kinder wissen das und Erwachsene auch. Träume kommen einem, wenn man sie hat, vollkommen wirklich vor. Man wandert darin umher, sieht und hört die Dinge und erfährt sie wie am eigenen Leib.

Auch Dante hat geträumt. Einmal aber ist ihn dabei aus dem Abgrund des Schlafens ein so unglaubliches Erlebnis überkommen, dass er alles zu einem gewaltigen Gedicht niedergeschrieben hat.

Darin erzählt er von einem dunklen, entsetzlichen Wald. Wie er sich da hineingeträumt hat, hat er nicht gewusst, bloß dass er vollkommen vom Weg abgekommen ist.

Da stand er nun – inmitten von dunklen Bäumen, Sträuchern und undurchdringlichem Unterholz. Durch das Blätterdach drang kein bisschen Licht. Kein Pfad war zu erkennen, der herausführte.

Dante beschreibt den Wald, lange nachdem er davon geträumt hat, immer noch mit Entsetzen in seinem Gedicht:

Oh, schwer wird mir zu sagen, wie er war,

der wilde Wald, so finster und so rau.

Angst fasst aufs Neue mich, wenn ich dran denke,

So schmerzlich, dass der Tod kaum bitt’rer ist.

In seinem Traum stocherte Dante herum, nach hier, nach dort, um einen Weg aus dem Gestrüpp zu finden. Und während er blind herumwühlte, zerkratzte herunterhängendes Strauchwerk sein Gesicht und verletzte seine Hände. Knorrige Wurzeln umschlangen seine Füße, er stolperte und fiel hin.

Er rappelte sich auf, strauchelte weiter, nur um von noch mehr Dornen zerstochen und von Nesseln verbrannt zu werden.

Endlich erreichte er den Rand des Waldes. Er befand sich jetzt am Fuß eines steilen Berges. Die Sonne war gerade aufgegangen und schien auf seine Hänge. Der helle Gipfel machte Dante Hoffnung, nachdem er den schrecklichen Wald hinter sich gelassen hatte. Er ruhte sich nur noch ein bisschen von seinem Kampf mit dem stechenden Strauchwerk und Unterholz aus.

Dann wollte er ins strahlende Lichtnach oben klettern.

Aber kaum ging er los, tauchten neue Gefahren auf. Vor ihm schlich plötzlich ein Leopard herum. Erst dachte sich Dante nichts und bewunderte sogar den geschmeidigen Gang, das schön gefleckte Fell des Tieres. Dann aber versperrte es ihm den Weg.

Einen Schritt nach dem anderen wich Dante zurück. Die Raubkatze brachte ihn in Bedrängnis. Wollte sie denn nicht, dass er emporstieg?

Aber die Sonne weiter oben schien, die Bergspitze funkelte so hell, und die Luft war so voller Freude und Frühlingsdüfte, dass Dante den Leopard vergaß und frischen Mut schöpfte. Sollte er jetzt etwa umkehren? Zurück in den schrecklichen Wald? Auf keinen Fall!

Also begann er wieder, den Berg hinaufzusteigen.

Sein frischer Mut ließ erneut nach, als dort ein Löwe auftauchte und mit hungrig aufgerissenem Maul auf ihn zukam. Selbst die Sonne schien vor dem Gebrüll zu verblassen, ihr Licht wurde weniger. Und das war noch nicht alles, denn hinter dem Löwen schlich jetzt eine Wölfin. Ganz dürr war sie bis auf die Knochen und hatte nichts im Magen.

Immer weiter wurde Dante von den wilden Tieren zurückgedrängt, bis er wieder am Rand des Waldes stand. Die Bergspitze funkelte zwar immer noch, aber nicht einer der Strahlen reichte in seinen dunklen Winkel.

Was blieb ihm noch übrig? Wie sollte er zum Licht gelangen, wenn er den Berg nicht hinaufsteigen konnte?

Dante kam es so vor, als ob sich die Schatten verdichteten und ihn in den fürchterlichen Wald zurückziehen wollten. Da aber erblickte er – durch den Nebel – eine Gestalt. Sie kam näher!

»Hab Mitleid mit mir!«, rief sie. »Hab Mitleid, wer immer du bist, ob Mensch oder Geist.«

Aus dem dunklen Zwielicht kam eine merkwürdige Stimme. Sie klang, als ob sie sehr lange nichts gesagt hatte.

»Ich bin Vergil!«

Als Dante diesen Namen hörte, machte sein Herz einen freudigen Sprung.

Vergil, der große römische Dichter! Es gab niemanden, wirklich niemanden außer Beatrice, den Dante lieber gesehen hätte.

Natürlich war Vergil schon viele Jahre tot. Trotzdem kannte Dante ihn wie einen guten Freund. Denn er hatte alles gelesen und studiert, was Vergil je geschrieben hatte, bis die ganze Weisheit des Meisters in seine Seele übergegangen war. Deswegen nannte Dante ihn auch Meister. Und für den Meister hatte er nichts als Verehrung und Liebe.

In der Welt des Traums muss man sich nicht wundern, wenn jemand aus einer Zeit auftaucht, die schon lange zurückliegt.

Mit schüchterner Freude begrüßte Dante Vergil und bat ihn gleich um Hilfe:

Du siehst das Tier, vor dem ich fliehen musste.

Errette mich vor ihm, oh großer Weiser,

es lässt mein Blut in allen Adern beben.

Vergil war wirklich erschienen, um Dante Beistand zu leisten, wie wir noch sehen werden. Denn Beatrice hatte, als sie Dante im Traum verirrt sah, ihren Sitz im Paradies verlassen, um Vergil zu bitten, dass er ihrem Freund zur Hilfe kam.

Die wilden Tiere allerdings wollte Vergil nicht vertreiben. Stattdessen schlug er eine Alternative vor. »Wenn du mir folgst«, sagte er zu Dante, »werde ich dir einen anderen Weg zum Licht zeigen. Er wird dich durch die Welt der Geister führen.«

Vergils Umweg sollte erst durch die Unterwelt gehen, von dort aufwärts – über den Fegeberg – ins ewige Licht. In der Unterwelt büßten die Seelen für ihre Sünden. Auf dem Fegeberg bereiteten sie sich darauf vor, in den Himmel zu steigen. Bis dahin, fügte Vergil hinzu, könnte er Dante persönlich beistehen. An der Schwelle zum Licht aber würde Beatrice ihn ablösen und Dante vor den Thron Gottes begleiten.

Dante hörte ehrfürchtig die Worte des Meisters. Als Vergil fertig war, sagte er:

Dichter, geh du voran, ich folge dir.

Etwas anderes konnte er auch kaum hoffen, um dem schrecklichen Ort, der ihn im Traum gefangen hielt, noch zu entkommen.

Die Göttliche Komödie

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