Читать книгу Die Göttliche Komödie - Jona Tomke - Страница 6

Das Tor Nachdem Dante erfahren hat, dass es Beatrices Wunsch ist, verfliegen seine Zweifel, und er betritt das Inferno. Der finstere Fährmann will Dante, weil er noch lebt, nicht mit über den Grenzfluss in die Unterwelt nehmen.

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Es neigte sich der Tag; und Dämmerung

enthob die Lebewesen auf der Erde

all ihrer Mühen. Und nur ich allein

Macht’ mich bereit, das Ringen zu bestehen

des schweren Wegs, wie auch des Herzens Mitleid,

was künden wird mein Geist ohn’ alles Wanken.

Doch kaum hatte sich Dante in seinem Traum auf den Weg gemacht, da befielen ihn auch schon Zweifel.

Er verlor den Mut.

Was, wenn er der Falsche für so eine außerordentliche Reise durch die Ewigkeit war? Vielleicht lag ja eine Verwechslung vor. War einer wie er nicht viel zu unbedeutend, um so einem berühmten römischen Dichter zu folgen? Viel zu rasch hatte er hier wahrscheinlich zu einem Abenteuer voll unbekannter Gefahren Ja gesagt.

Richtig dumm kam er sich auf einmal vor, auch nur im Traum daran gedacht zu haben, so eine Reise zu wagen. Und je öfter er es sich durch den Kopf gehen ließ, desto geringer wurde seine Entschlossenheit, Vergil zu folgen:

… dran denkend, gab ich auf das Unternehmen,

und war doch erst so rasch dazu entschlossen.

Vergil merkte, dass niemand mehr hinter ihm war, und kehrte um.

Er musste nichts unternehmen, um sich Gehör zu verschaffen, denn Dante spürte, dass er gleich etwas über Beatrice erfahren würde.

»Bevor ich dir zur Hilfe kam«, sagte Vergil, »war ich in meiner Unterweltwohnung, in der ich eine sanfte Stimme vernahm. Ich drehte mich zur Seite und erblickte eine strahlende junge Frau. Ihre Augen leuchteten heller als der Morgenstern. Sie bat mich, ihrem Freund zur Hilfe zu eilen. Er habe sich in einem schrecklichen Wald verirrt, sagte sie, wo ihn wilde Tiere belagern würden. Sie hatte Angst, dass ihr Hilfegesuch vielleicht schon zu spät war. ›Beeil dich, um ihn vor einem schlimmen Schicksal zu retten‹, sagte sie. ›Nur so kann ich wieder Ruhe finden; denn es ist Beatrice, die um deine Hilfe bittet. Wenn du sie mir gewährst, wird dein Name nicht von meinen Lippen weichen, wenn ich am Fuß des Throns unseres Herrgotts sitze.‹ Danach wandte sie schüchtern den Blick ab, und Tränen glänzten in ihren Sternenaugen. Ich kam daraufhin schleunigst zu dir, um ihren Wunsch zu erfüllen. Habe ich dich nicht vor den Bestien gerettet? Was zögerst du also, mir nun zu folgen? Macht es dir gar keinen Mut, dass sich eine herrliche Frau wie Beatrice so um dich sorgt?«

Da kehrte der Mut in Dante zurück. Die himmlische Beatrice hatte seiner gedacht, einen Helfer nach ihm in der Not geschickt! Was sollte sein Herz da noch fürchten?

Und er sagte zu Vergil: »Beatrice ist in Sorge um mich, und du besitzt Mitgefühl, mir gleich so zu helfen. Keine Befürchtung hält mich jetzt noch zurück. Führe mich, Meister, ich folge deinen Schritten.«

Frohen Mutes ging Dante nun hinter Vergil den steilen, rauen Weg hinunter.

Bald kamen sie zu einem großen Tor, über dem etwas geschrieben stand. Dante blieb stehen, um es zu lesen.

DIE IHR HIER EINTRETET, LASST ALLE HOFFNUNG FAHREN.

Er ließ die drohenden Worte auf sich wirken und blickte schüchtern zu Vergil. Wollte er die beiden etwa durch dieses schreckliche Tor führen?

»Dies«, sagte Vergil, »ist der Eingang zum Inferno.« Inferno, musst du wissen, ist das italienische Wort für Hölle.

»Meister«, sagte Dante, »das sind schlimme Worte, die über dem Tor stehen.«

Vergil erkannte, wie die Furcht aus Dantes Herz bleich in seine Wangen kroch, und er antwortete: »Hier darfst du nicht mehr zaghaft sein.«

Er warf Dante einen ermutigenden Blick zu und reichte ihm seine Hand. So führte er ihn in das Inferno.

Kaum hatten sie das Tor durchschritten, erfüllten Stöhnen und Schreie die Luft. So schrecklich waren die Klagen, dass Dante selbst aus lauter Mitleid weinen musste. Um ihn drängte sich eine Menge zerstochener Geister, die ihre Hände rangen und laut zusammen klatschten.

»Was sind denn das für welche?«, fragte Dante, entsetzt von dem Gekreische, das um ihn tönte.

»Das sind die Seelen von Menschen«, erklärte Vergil, »die ihr Leben lang unentschlossen gewesen sind. Sie haben in all den Jahren auf der Welt nur an sich selbst gedacht und weder Gott noch dem Teufel gedient. Deswegen will weder der Himmel noch die Hölle jetzt etwas mit ihnen zu tun haben und sie müssen hier – am Rand der Hölle – ewige Not leiden.«

Dante sah sie gleich mit weniger Mitleid an und wurde sogar ein bisschen ärgerlich, als er beobachtete, wie alle nach einer Fahne schnappten, die im Wind hin und her flatterte. Genauso wie diese Fahne waren sie im Leben gewesen.

Einen der heulenden Geister erkannte Dante sogar. Er war ein einfacher Priester gewesen, bis ihn die Leute zum Papst gemacht hatten. Aber Coelestin, so hieß er, waren die Pflichten und Gefahren des Papstseins zu hart. Da gab er es aus Faulheit wieder auf und kehrte in sein unentschlossenes Leben zurück.

Vergil wollte nicht länger hier am Rand der Hölle bleiben. Er schob durch die jammernden Seelen der Drückeberger voran, bis Dante und er ans Ufer eines Flusses kamen, der Acheron hieß.

Am Ufer dort wartete schon die nächste Schar Geister und hielt Ausschau. Dante tat es ihnen gleich. Es dauerte nicht lange, bis er ein Boot auf sie zukommen sah, in dem ein Fährmann stand. Dieser war alt und ruppig, und sein Name war Charon. Seine Aufgabe hörte niemals auf. Immer und immer wieder musste er seinen Kahn von einem Ufer des Unterweltflusses zum anderen fahren.

Als Charon sich näherte, drängten sich die niedergeschlagenen, wartenden Geister zusammen.

Dann machte sich der alte Fährmann auch noch mit groben Worten über sie lustig. Er sagte, er werde sie in ein Land auf der anderen Seite des Flusses transportieren, aus dem sie nie wieder zurückkehren würden. Und sie sollten bloß nicht denken, dass da drüben die Sonne scheint. Von jetzt an würden sie in der Dunkelheit verharren, in der es sehr heiß oder sehr kalt sein würde.

Die elende Menge jammerte, als sie Charons Worte hörte. Dann kletterten sie in das Boot, das inzwischen angelegt hatte.

Alle beeilten sich, da sie wussten, dass der alte Fährmann jeden Nachzügler mit seinem Ruder ins Boot prügeln würde.

Charon erblickte Dante. Als er merkte, dass Dante gar keine elende Seele war, sondern noch einen lebendigen Körper hatte, wurde er furchtbar wütend. Dante solle sich davonmachen! Sein Fährboot brachte ausschließlich verdammte Seelen über den Fluss.

Dante bewegte sich zitternd nicht von der Stelle, während Charon weiterhin schrie, dass er sich davonmachen solle.

»Auf anderen Wegen, durch andere Häfen, nicht hier, kommst du zur Überfahrt ans Ufer«, erklärte er. »Dich muss ein leichterer Kahn hinübertragen.«

»Charon«, sagte Vergil, der jetzt zum ersten Mal seinen Mund öffnete, »hör auf, dich zu ärgern. Weiter oben möchte man, dass du diesen Wanderer auf die andere Seite des Ufers mitnimmst.«

Mürrisch machte der Alte, als er den himmlischen Befehl vernahm, Platz für Dante und Vergil in seinem Kahn. Dann begann er mit dem Rudern – hinüber zum anderen Ufer.

»Sohn«, sagte Vergil zu Dante, »wundere dich nicht über die rauen Worte des Fährmanns. Niemals zuvor hat ein reiner Geist wie deiner diesen Fluss überquert. Deswegen gefällt es Charon nicht, dich in seinem Kahn zu haben.«

Als Vergil mit dem Sprechen aufhörte, erhellte ein Blitz die schwermütige Gegend, und der Grund unter ihnen fing gewaltig an zu beben. Überwältigt von der Angst sank Dante ohnmächtig auf den Boden des Kahns.

Bald bekam er nichts weiter von der Überfahrt mit.

Als ein schrecklicher Donner ihn der Länge nach durchrüttelte, war er nicht mehr in dem Kahn, sondern stand am Rand eines Abgrunds.

Das Grenzland zur Unterwelt, in das er nun hinabblickte, hieß Limbus. Dante sah hier die merkwürdigsten Sachen und hörte die erstaunlichsten Stimmen.

Die Göttliche Komödie

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