Читать книгу Catharsis - Schatten und Wahn - Jonas Eideloth - Страница 12
***
ОглавлениеRemus schlich leise auf die leicht geöffnete Wohnungstüre zu, neben der auf einem Schild `Valen Gahl` stand.
Ein Maunzen war daraus zu vernehmen, das rasch zu einem Fauchen wurde und schließlich verstummte. Dann folgten ein paar erstickte Geräusche und Knarzen.
Vorsichtig schaute Remus durch den schmalen Türspalt in die Wohnung.
Inmitten des Raums stand eine weiße Couch neben einer umgeworfenen Stehlampe. Dahinter hatte der andere Jäger gerade einen Sack über einen Kopf gestülpt, der vermutlich zu Herrn Gahl gehörte, während er in der anderen Hand eine Spritze hielt.
Also entführte diese Person wohl tatsächlich gerne Leute, dachte sich Remus. Ob Valen Gahl allerdings mit der Stahlfirma in Verbindung stand, wusste er nicht.
In aller Ruhe sah Remus zu, wie Herr Gahl unter der Wirkung der Spritze zusammensank. Er würde ausharren und abwarten, was der Mann als Nächstes tat.
Urplötzlich richteten sich die stechenden Augen des anderen Jägers auf den Türspalt und direkt auf Remus. In einer einzigen, flüssigen Bewegung ließ der Mann den Beamten fallen, griff unter sein Sakko und zog eine große Halbautomatik hervor.
Scheiße, dachte Remus und hechtete zur Seite, als schon die Tür hinter ihm in einem Regen aus Holzsplittern zu explodieren schien.
Immerhin hatte er einen würdigen Gegner gefunden. Herausforderungen stimmten ihn stets freudig, doch seine schöne Selbstmordinszenierung konnte er jetzt wohl vergessen.
Remus riss seine Waffe unter dem Mantel hervor, stieß sich von einer Wand ab und schlitterte flach über den kalten Fliesenboden auf den Treppenabsatz zu.
Er prallte ein paar Mal unsanft auf den Stufen auf, bevor er mit seiner Vollautomatik Sig Sauer MPX-K knapp über den Boden des Stockwerks in Richtung Wohnungstür zielte.
Die Türe lag zum größten Teil zertrümmert am Boden und der Rest hing schief in den Angeln.
Remus konnte Valen Gahl erkennen, wie er regungslos und zusammengesunken auf der Couch hing, von der Spritze ausgeschaltet.
Wo war der Andere?
Remus beruhigte seinen Puls und begann, flach zu atmen, konzentriert beobachtete er die Türöffnung.
Langsam wurde am rechten unteren Rand ein kleines, schwarzes Gerät vorsichtig nach vorne geschoben.
Er zielte auf die behandschuhte Hand, welche das Gerät hielt und schoss.
Die Sig Sauer spuckte ihre Ladung aus und einer der Finger verschwand in einer kleinen, roten Explosion.
Ein lautes Fluchen erklang und die Hand wurde schnell weggezogen.
Remus beobachtete, wie einzelne Blutstropfen langsam am Türrahmen herabrannen. Es würde eine dreckige Sache werden.
Klackend wurde etwas aus der Tür gerollt.
Remus duckte sich. Dichter Rauch quoll über den obersten Treppenabsatz und stürzte zunächst wasserfallartig herab, bevor sich der weiße Dunst verteilte und ihm die Sicht nahm.
Verdammt.
Remus zog sich langsam und leise auf der Treppe zurück, die Waffe im Anschlag. Er war sich bewusst, dass er nur ein Ersatzmagazin in seinem Mantel hatte und nicht gewappnet war für eine Auseinandersetzung mit jemandem, der sich darauf vorbereitet hatte.
Der Nebel hüllte ihn noch immer ein, als er mit seinem Fuß die letzte Treppenstufe ertastete.
Er beobachtete, wie sich im Rauch ein etwas dunklerer Schatten zu bewegen schien und schoss, ohne zu zögern, zweimal. Die Schüsse hallten laut durch das Treppenhaus, es würde sicher nicht lange dauern, bis die Polizei hier war.
Plötzlich warf sich ein weiterer dunkler Schatten aus dem wabernden Weiß auf ihn. Mit einem glänzenden Messer in seiner Hand zielte er direkt auf Remus´ Kehle.
Er drehte sich zur Seite weg und trat gleichzeitig mit dem Fuß zu, wodurch der Mann zurück in die Schwaden geworfen wurde. Zwei Schüsse aus der Sig Sauer setzte er direkt nach, doch er konnte nur Einschläge in die Fliesen wahrnehmen.
Wieder nichts.
Remus sprang mit einem Satz den nächsten Treppenabschnitt hinab. Hier unten ließ der Rauch etwas nach und er konnte wieder mehr sehen.
Eine gespenstische Stille machte sich nach den verhallenden Schüssen im Haus breit. Die Menschen schienen sich verängstigt in ihren Wohnungen zu verbarrikadieren. Nur der heulende Wind war von draußen leise zu vernehmen.
Remus drückte sich in einen Wohnungseingang und ging in die Hocke, um ein kleineres Ziel abzugeben.
Ein Schuss peitschte von oben herab und ein scharfer Schmerz zuckte durch Remus Schulter.
Reflexartig hob er seine Waffe und schoss zurück. Ein knurrendes Aufkeuchen war zu vernehmen, im gleichen Moment schlug eine weitere Kugeln in Remus Schulter ein.
Er rollte sich schnell über den Boden, um im gegenüberliegenden Türeingang Schutz vor dem Schützen zu bekommen.
Remus genoss das Pulsieren von Adrenalin in seinen Adern und gleichzeitig nervte ihn diese unsaubere Arbeitsweise.
Er richtete sich vorsichtig im toten Winkel der Türe auf und spähte nach oben.
Mehrere Schüsse stanzten Löcher in die hintere Wand des Treppenhauses.
Seine Schulter brannte nur leicht, das würde sich später ändern. Immerhin schien nichts Wichtiges verletzt worden zu sein.
Remus riskierte noch einen kurzen Blick, seine Zielperson war als Schatten vor dem oberen großen Fenster zu sehen.
Gleich darauf wurde wieder pulverisierter Beton gegen ihn geschleudert, als eine ganze Kugelsalve in die Mauer hinter ihm gejagt wurde.
Zeit, es zu Ende zu bringen, dachte Remus.
Plötzlich öffnete sich die Türe direkt neben ihm und ein älterer Mann, dessen Hörgerät offenbar eine Fehlfunktion hatte, stand in einem karierten Morgenmantel vor ihm.
Wenn schon unsauber, dann richtig, sagte sich Remus und packte den entsetzt schauenden Mann.
Ohne weiter darüber nachzudenken warf er ihn ins Treppenhaus, um direkt danach hervor zu treten und eine Kugel nach der anderen auf den Schattenriss zu feuern.
Der ältere Mann wurde augenblicklich von mehreren Kugeln durchschossen. Blut strich die zersiebte Wand hinter ihm neu.
Das Fenster hinter dem Schattenriss ging zu Bruch und der andere Jäger warf sich rückwärts hinaus.
Halbe Höhe dritter Stock, Remus war sich nicht sicher wie oft er getroffen hatte. Eigentlich sollte der andere erledigt sein, doch je nachdem welcher Gattung er angehörte…
Remus sprang auf das Treppengeländer, legte die Arme eng an seinen Körper und machte einen kleinen Schritt nach vorn. Er raste durch die Stockwerke nach unten. Kurz vor dem Erdboden griff er nach einer Stufenkante über sich und schwang sich in den Eingangsbereich.
Mit einem gewaltigen Tritt öffnete er die Haustüre und trat nach allen Seiten sichernd auf die Straße.
Er konnte gerade noch sehen, wie zwei Männer eine im Scherbenhaufen liegende Person in einen schwarzen Lieferwagen zerrten, der direkt darauf mit quietschenden Reifen davonfuhr. Das Nummernschild leuchtete im Licht einer Laterne kurz auf, das reichte Remus.
Sirenen ertönten in der Ferne und in einer Straßenschlucht an der nächsten Kreuzung leuchtete es immer wieder blau auf.
Interessant, dachte Remus. Was es mit all dem wohl auf sich hatte? Es ärgerte ihn nur, dass ihm seine Zielperson entkommen war. Dieser Auftrag schien doch aufwendiger zu werden. Nochmal hatte er sicher nicht solches Glück, dass ihm sein Opfer direkt vor die Nase lief.
Ein erster Polizeimannschaftswagen kam auf der Kreuzung schlitternd um die Kurve gebogen.
Remus traf seine Entscheidung. Er würde Valen Gahl mitnehmen, er war womöglich eine Spur zur Zielperson.
Er drehte sich um, sprintete das Treppenhaus hinauf, sprang über den alten Mann hinweg, dem die Polizei sicherlich nicht mehr helfen konnte, und erreichte das Stockwerk von Gahl. Der Rauch hatte sich inzwischen verzogen.
Remus lief in die Wohnung mit der lädierten Tür und packte den bewusstlosen Mann. Mit einem Ruck riss er ihm noch den schwarzen Sack vom Kopf, bevor er ihn sich über die Schulter warf, was von dort mit einem heißen Stechen quittiert wurde. Aus der Schusswunde lief Blut an seinem zerfetzten Ärmel hinab und ließ seine Hände langsam klebrig werden.
Es maunzte.
Eine Katze kam hervor und schmiegte sich an seine Beine.
„Erklär du das der Polizei“, sagte Remus zu ihr und ging mit seiner Last ins Treppenhaus.
Unten sah er die hektischen Lichter von Taschenlampen und hörte aufgeregte Stimmen, untermalt von rasch höher kommendem, schnellen Stiefelgetrappel.
Remus stieg, leicht gebeugt unter dem Beamtenkörper, schnell die Stufen hinauf in Richtung Dach.
Oben konnte er die Tür ohne Probleme öffnen und trat hinaus in die Nacht. Der Boden des flachen Daches war mit Schotter bedeckt, die gegenüberliegende Hauswand wurde von dem blitzenden Blau der Polizeiwagen hektisch flackernd beleuchtet.
Remus konnte hinter einigen Fenstern neugierige Gesichter erkennen.
Er legte Gahl ab und suchte nach etwas, um zumindest für kurze Zeit die obere Tür verschlossen zu halten. Er wurde schnell fündig und verkeilte ein Gitterrost unter dem Griff.
„Zeit zu verschwinden“, sagte Remus zu dem Ohnmächtigen und warf ihn sich über die Schultern, um ihre Reise über die Dächer anzutreten.