Читать книгу Catharsis - Schatten und Wahn - Jonas Eideloth - Страница 8
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ОглавлениеValen war froh, als er die Grenzen des Schattenviertels endlich hinter sich ließ.
Ein verlassen wirkendes Industriegelände diente als äußeres Tor. Hinter eingeschlagenen Scheiben und schwarz gähnenden Öffnungen, nur notdürftig mit flatternder Folie abgedeckt, machte er immer wieder Bewegungen aus.
Niemals schlafende Augen beobachteten ihn und wachten darüber, dass kein Unbefugter sich Zutritt verschaffte.
Mit einem erleichterten Ausatmen trat Valen auf die Straße und ging zur nächsten Haltestation der Straßenbahn.
Er musste nur kurz im zunehmend auffrischenden Wind warten, bis ratternd und quietschend eine Bahn hielt, um ihn in die Innenstadt zu bringen.
Valen fühlte sich nicht ganz wohl, während er einstieg und sich auf einen der dreckigen Sitze niederließ. Der Blick aus dem Fenster wurde ihm durch Graffitischmierereien verwehrt. Der Abend war durch und durch miserabel gelaufen. Zum einen die unausgefüllten Formulare, die ihn aufgebracht aus seiner Aktentasche aus anzuschreien schienen und dann auch noch diese vollkommen schief gelaufene Sache mit der Kellnerin.
Warum hatte er sie nur nach ihrem Namen fragen müssen? Er wusste selbst nicht, was ihn geritten hatte, er war sonst nicht so. Es lag vielleicht an dem allgegenwärtigen Zigarrenrauch, der ganz und gar nicht nach normalen Zigarren gerochen hatte. Daran lag es sicherlich.
Überhaupt würde er in Zukunft solchen Rauch meiden und diese Bar auch.
Als die Kellnerin ihn nach seinem plumpen Versuch, ihren Namen zu erfahren ausgelacht hatte, war er zuerst in Richtung Toilette verschwunden, von wo er keinen anderen Ausweg sah, als sein Äußeres in das eines alten Mannes zu wandeln und dann schnellstmöglich zu gehen.
Er meinte noch immer, die spöttischen Blicke von zwei Gästen auf Barhockern in seinem Nacken zu spüren, doch die Blamage war nun endgültig vorbei.
Er würde sich noch etwas zu Essen besorgen und dann zu seiner Wohnung in die Kraskaustraße gehen. Danach hätte er das Wochenende frei, um es gemütlich zuhause mit einem Buch und heißem Gewürztee zu verbringen.
Er spürte immer noch die Blicke in seinem Nacken.
Valen drehte sein altes, bärtiges Gesicht um, doch hinter ihm in der Straßenbahn saß niemand mehr. Die dreckigen und beschmierten Sitze lagen verlassen da. Von einem war die Lehne abgerissen worden, auf einem anderen lag eine zerfledderte Zeitschrift, sonst war nichts zu sehen, was ihn ein wenig beruhigte.
Die Bahn ratterte um einen Kurve und Valen hörte den Wind pfeifen. Erste Regentropfen prasselten gegen die Scheiben.
Es würde ein gutes Wochenende zum Lesen werden.
Mit einem Ruckeln und Klingeln hielt die Bahn in der Gostrowstraße. Zeit, auszusteigen.
Draußen ließ der Wind seinen langen, weißen Bart wehen und er musste seinen Hut mit einem schnellen Griff vor dem Davonwirbeln bewahren.
Er stand an der Kreuzung zu seiner Straße. An der einen Ecke erhoben sich Altbaugebäude, während sich in einer anderen Straße moderne Betonklötze mit vielen verglasten Geschäftsfassaden im Erdgeschoss aneinander reihten.
Valen ging gebückt durch die Straße, um weiter den alten Mann zu mimen und folgte dem Geruch von Pizza in ein gut besuchtes Restaurant.
Schnell verschwand er auf die Toilette, wo er zum Glück ganz alleine war.
In der kleinen Ecke mit dem Waschbecken blieb er stehen und nahm seinen Hut ab. Valen richtete seinen Blick konzentriert auf den runden Spiegel. Die Barthaare schienen sich in sein Gesicht zurück zu ziehen, die Haut glättete sich und auch die Knochenstruktur verschob sich etwas.
Geschafft.
Er klemmte sich seinen Hut unter den Arm und ging zurück ins Restaurant. Der Duft von frischer Pizza und Pasta ließ seinen Magen knurren.
Ohne lange zu überlegen ging er zum Tresen und bestellte eine Pizza Margherita zum Mitnehmen. Während er wartete, holte er sein Handy aus der Tasche und rief beim Amt an.
Die Aussage des Jägers hatte nicht viel gebracht, aber er würde die Formulare und den Text am Montag ordentlich abgeben und dann vermutlich zu den Akten legen.
Ein Pizzakarton landete vor ihm auf dem Tisch. Er bezahlte und freute sich auf zuhause.
Plötzlich breitete sich ein nervöses Kribbeln auf seinem Rücken aus und Valen fuhr herum.
Diesmal wurde er tatsächlich beobachtet.
Draußen vor der regennassen Scheibe stand ein dunkler Schattenriss direkt vor dem schwachen Licht einer Straßenlaterne. Die schwach erleuchteten Augen starrten ihn direkt an.