Читать книгу Haftungsrisiken des automatisierten und autonomen Fahrens - Jonathan Hinze - Страница 14

I. Chancen 1. Verkehrssicherheit

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Zentraler Aspekt und deshalb das wohl am häufigsten genannte Argument für einen autonomen Verkehr ist die Reduzierung der Unfallzahlen und damit die Minimierung der im Straßenverkehr verletzten oder getöteten Personen.90 Auch die von der Bundesregierung eingesetzte Ethik-Kommission stellt klar, dass „der Schutz der Menschen Vorrang vor allen anderen Nützlichkeitserwägungen hat.“91 Aktuell sind etwa 90 Prozent der Unfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen, nur ein Prozent dagegen haben ihre Ursache in einem technischen Defekt.92 Natürlich wird sich der Anteil maschinell bedingter Unfälle mit zunehmender Automatisierung verhältnismäßig erhöhen, weil auch autonome Fahrzeuge nicht völlig unfallfrei fahren werden und die „Vision Zero“, also die Reduzierung der Unfallopfer auf 0, wohl eine Vision bleiben wird. Die Technik macht aber berechtigterweise Hoffnung auf eine signifikante Verringerung der absoluten Opferzahlen, auch wenn dies aus heutiger Sicht nur sehr vage prognostiziert werden kann.93 Das Meinungsbild der Öffentlichkeit zu diesem Thema ist zwiespältig: So ergaben internationale Studien, dass ca. 40 Prozent der Autofahrer glauben, dass autonome Fahrzeuge in Zukunft sicherer fahren werden als menschlich gesteuerte.94 Es gibt allerdings große Differenzen bei Herkunft, Alter und Geschlecht der Befragten. Männer sind optimistischer als Frauen, junge Menschen optimistischer als ältere.95 Die technische Umsetzung steht dabei vor der Herausforderung eines Spagates zwischen einer möglichst sicheren, also defensiven und vorausschauenden Fahrweise,96 und einer dennoch praktikablen Lösung. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, welchen Einfluss die Insassen autonomer Fahrzeuge auf Parameter wie Geschwindigkeit oder Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug haben sollten.

Ebenfalls diskutiert wird eine Verpflichtung zur Nutzung automatisierter und autonomer Systeme im Straßenverkehr.97 Technologische Voraussetzung dieser Debatte ist sicherlich, dass sich die Technik tatsächlich als wesentlich sicherer erweist und der Schutz der Verkehrsteilnehmer deshalb durch einen flächendeckenden Einsatz autonomer Systeme wesentlich besser gewährleistet werden kann. Es kommt dann zu einer Divergenz zwischen staatlichem Schutzauftrag und der Privatautonomie des Einzelnen (in diesem Fall also das Recht, kein autonomes Fahrzeug zu nutzen). Verfassungsrechtlich lässt sich strikt mit der allgemeinen Handlungsfreiheit argumentieren.98 Problematisch ist allerdings, inwieweit nicht ein Eingriff in Art. 2 I GG verfassungsmäßig gerechtfertigt sein kann. Stender-Vorwachs und Steege führen hier die Vergleichbarkeit dieser Frage mit den Gurt- bzw. Helmpflicht-Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts an,99 in denen den Belangen der Allgemeinheit der Vorrang gegenüber den Individualinteressen der Gurt- oder Helmgegner gewährt wurde.100 Wenn der Schutz der Allgemeinheit sogar Vorrang gegenüber dem Bedürfnis hat, ohne Helm oder Gurt zu fahren, dann hat er erst Recht Vorrang gegenüber dem Bedürfnis, ein Fahrzeug mit manueller Steuerung zu führen; schließlich würde ein solches Verhalten die Allgemeinheit weitaus mehr gefährden als der Verzicht auf einen Helm oder Gurt.

Gesetzt den Fall, dass die Technik tatsächlich signifikant sicherer ist als der menschliche Fahrer, wäre die zulassungsrechtliche Beschränkung auf autonome Fahrzeuge in (ferner) Zukunft also durchaus ein zulässiges Mittel.

Haftungsrisiken des automatisierten und autonomen Fahrens

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