Читать книгу Die Blutfinca - Jorge de la Piscina - Страница 12

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Auf einer Straße in Cala Pi

30. April, gegen 23 Uhr

Die Frau ging mit beschwingtem Schritt die Straße entlang. Grillen zirpten leise, der heiße Asphalt der Straße strahlte noch die Hitze des Tages ab. Links neben ihr, hinter der Steilküste, ging die Sonne langsam unter und der Horizont brannte förmlich, in rötlichen Widerschein getaucht. Ein leichter Wind wehte durch die Büsche, ließ die Blätter der Palmen rascheln und fuhr ihr erfrischend durch die Kleider. Sie wirkte trotzdem müde und unkonzentriert. Plötzlich knackte ein Zweig. Die Frau drehte sich um – doch da war nichts zu sehen. Oder war das ein Schatten? Sie wusste es nicht. Und die Stille, die gerade noch so beruhigend war, war mit einem Mal bedrückend und angsteinflößend. Weit und breit kein Mensch. Sie beschleunigte instinktiv ihre Schritte – sobald sie in ihrer Ferienwohnung war, würde sie sich sicherer fühlen. Jetzt bereute sie, dass sie darauf bestanden hatte, alleine zu laufen. Mittlerweile war sie fast einen Kilometer gelaufen, das Ziel war nicht mehr fern. Sie hörte Schritte hinter sich. Drehte sich blitzartig um. Doch da war niemand. Sie hastete weiter. Dann zwang sie sich, langsamer zu gehen, weil sie sich sagte, dass ihre Angst völlig unbegründet war. Sie passierte eines der vielen flachen Häuser, die verstreut an der Straße lagen, und bog ab in den Feldweg, der zu ihrer Ferienwohnung führte. Von weitem konnte sie schon die Finca sehen, an der sie jeden Morgen vorbeiging. Ein schönes, geräumiges Haus mit Natursteinmauern und einem Garten voller Olivenbäume. Sie hörte wieder knirschende Schritte hinter sich. Griff in ihre Handtasche und umklammerte das Einzige, was sich halbwegs als Waffe benutzen ließ: eine Nagelfeile. Dann drehte sie sich ruckartig um.

Sie lachte nervös, als sie erkannte, wer vor ihr stand. Sie zog unauffällig die Hand aus der Handtasche, damit sie sich nicht lächerlich machte und winkte. „Jetzt haben Sie mich aber erschreckt! Ich habe Sie gar nicht kommen sehen. Wohnen Sie auch hier?“ Dann ging alles sehr schnell. Der Mann vor ihr schnellte nach vorne, holte mit der Hand aus und schlug ihr etwas gegen den Kopf. Die Frau hatte nicht einmal mehr Zeit zu schreien. Mit einem dumpfen Aufprall schlug sie auf den Boden und blieb liegen. Über ihr ragte eine kleine Gestalt auf, die einen Totschläger in der Hand hielt. Ruhig betrachtete er sein am Boden liegendes Opfer. Sein Gesicht verzog sich, als hätte er Schmerzen. Für einige Augenblicke schien es, als wolle er einfach weitergehen und die Frau liegen lassen. Dann packte er sie, hob sie schnaufend hoch und lud sie auf seine Schulter. Danach verschwand er im Gebüsch.

Als die Frau wieder wach wurde, konnte sie sich nicht rühren. Und um sie herum war es dunkel. Einzelne Sterne blitzten unheilvoll am Himmel auf und der Mond tauchte den Olivenhain in ein fahles Licht. Sie versuchte zu schreien, nur um festzustellen, dass ein Knebel in ihrem Mund steckte. Sie zerrte an ihren Fesseln und realisierte langsam, dass sie mit weit ausgestreckten und gespreizten Armen und Beinen an irgendetwas festgebunden war. Sie hörte Schritte und, wie jemand in einer seltsamen Sprache einen Singsang intonierte. Der Gesang waberte im Kreis um sie herum, nach einer Weile begriff sie, dass der Mann sie umkreiste. Dann verstummte ihr Angreifer plötzlich. Es raschelte neben ihrem Ohr, dann hörte sie, wie der Mann sich neben sie kniete. Sie wollte schreien, fragen, wieso er ihr das antat. Was sie ihm getan hatte! Doch aus ihrem Mund drang nur ein unförmiges, gutturales Stöhnen. Plötzlich spürte sie, wie etwas Kaltes sie berührte. Dann setzte ein furchtbar brennender Schmerz ein, als eine Klinge sie ritze. Der Mann arbeitete schnell und präzise mit seinem Messer. Nach wenigen Minuten wurde der Frau schwarz vor Augen, ihr schwanden langsam die Sinne und sie fiel in eine gnädige Ohnmacht.

Die Blutfinca

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