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Kapitel 2 Institutionalisierung und Ordnung öffentlicher Kommunikation
ОглавлениеDieses Kapitel soll die zuvor formulierte These begründen, dass Religion ein wichtiges und wachsendes Feld der öffentlichen Kommunikation im republikanischen Rom war. Die hier vorgenommene Analyse will das Ausmaß und die Grenzen von Rationalisierungsprozessen ausloten. Ich möchte mich dabei auf Systematisierung als historischen Prozess und als Form der Rationalisierung konzentrieren. Systematisierung wird deutlich vor allem in der wachsenden Anzahl von expliziten Regulierungsmaßnahmen – also als Institutionalisierung – von Orten öffentlicher, und im besonderen religiöser Kommunikation. In jedem Schritt der Planung solcher Anlässe wurden Notizen und Protokolle durch Senatoren und Pontifices niedergeschrieben – und auch, was entscheidend ist, Aufzeichnungen vorgenommen nicht durch jene Magistrate, die die Spiele organisierten, sondern durch die Schauspielertruppen, die die Aufführungen bestritten.1 Der unkomplizierte Charakter dieser Kommunikation zwischen römischen Magistraten und ausländischen Fachleuten für die Organisation von Ritualen, die bereits in der Mitte des dritten Jahrhunderts sehr gut entwickelt war, ist eines der erstaunlichsten Merkmale instrumenteller Rationalisierung. Um die Götter zufrieden zu stellen, akzeptierte man große strukturelle Veränderungen der öffentlichen Kommunikation, während Veränderungen bei der politischen Beteiligung bereits zu Beginn des Jahrhunderts zu inneren Konflikten geführt hatten.
Wenn wir uns die Entwicklung in Rom vom Ende des vierten Jahrhunderts v. Chr. an anschauen, haben wir es mit einer komplexen Gesellschaft zu tun, die ein vielfältiges System von Kommunikationsräumen, zu denen sowohl Bankette der Oberschicht2 als auch professionelle und nachbarschaftliche Vereine,3 dionysische Kultgemeinschaften,4 spezielle Organisationen für Plebejer und Patrizier und auch Familien- und Klientelverbünde gehörten.5 Mit dem schrittweisen Ausgleich von Patriziern und Plebejern brachte die zweite Hälfte des vierten Jahrhunderts eine geeinte Aristokratie hervor, ein Ausgleich, der in der historischen Überlieferung vor allem in Verbindung mit den Licinisch-Sextischen Gesetzen und dem patrizisch-plebejischen Konsulat gebracht wurde.
Die Formulierung von Werten und insbesondere die außenpolitische Orientierung dieser geeinten Aristokratie – aristokratischer Konkurrenzkampf wurde nun in intensive und umfangreiche imperialistische Aktionen geleitet – führte zu erhöhter Dynamik in den gesamten Prozessen historischen Wandels6 und schlug sich in vermehrter Expansion, zunehmender innerer Differenzierung und ansteigendem Reichtum nieder. Mit dem Ersten Punischen Krieg (264–241 v. Chr.) erhob sich Rom von einer Regionalmacht zur dominierenden Macht des Mittelmeeres. Diese Rolle wurde im Zweiten Punischen Krieg (218–202) in Frage gestellt, aber der Angriff Karthagos war nicht erfolgreich. Genau dieser Prozess legte die Rahmenbedingungen fest, in denen die anschließend analysierten Wandlungsprozesse stattfanden.
Die nächsten drei Kapitel werden die Veränderungen in Kommunikationsräumen und Funktionen von Ritualen detailliert betrachten. Wie wir sehen werden, werden wir nicht nur mit Ritualen konfrontiert, die schrittweise oder plötzlich verändert wurden. Zusätzlich – und wichtiger – beobachten wir ihre Ausbreitung und die Schaffung neuer Rituale. Solche Prozesse von Ritualisierung,7 das heißt, Handlungen in stabile Formen öffentlicher Räume zu zwingen, war eine Art der sozialen Kontrolle, und genau diesem Aspekt gilt es in der weiteren Untersuchung nachzugehen. Allerdings kompliziert die Beteiligung von Göttern die Funktion des Rituals als Kontrollmechanismus. Mit anderen Worten kann Religion die Ausübung sozialer Macht verbergen, aber jede solche Verschleierung kann auch darin resultieren, dass sie aufgeweicht und in Frage gestellt wird. Am Ende dieses langen historischen Prozesses – nicht zu Beginn – war es für manche antike Beobachter und Beteiligte wichtig, Religion als eigene Sphäre oder Phänomen zu betrachten. Vorerst jedoch soll das Hauptaugenmerk auf der Öffentlichkeit und den Entwicklungen außerhalb der religiösen Rituale liegen.