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Der Senat
ОглавлениеDer Mittelpunkt der politischen Kommunikation war der Senat, eine Versammlung der dreihundert führenden Männer – alter Männer, wenn man der antiken Ableitung des Begriffes senes glaubt. Auch wenn die Institution alt war, erlangte sie ihre Stabilität, die sie zum Eckstein des republikanischen Entscheidungsprozesses und zum effizienten Gegenpart der mächtigen Magistraten machte, um das Jahr 300 v. Chr. herum. Diese Stabilität wurde durch Regeln zur Mitgliedschaft erreicht, die einen lebenslangen Platz für frühere Amtsinhaber oberhalb eines gewissen Ranges garantierte und so eine soziale Struktur hervorbrachte, in der das Senioritätsprinzip das Rederecht und die Reihenfolge der Stimmabgabe komplett dominierte.8
Die Zentralisierung des öffentlichen Lebens der Oberschicht in diesem Komitee wird in der schriftlichen Überlieferung mit der Zensur des Appius Claudius Caecus im Jahre 312 in Verbindung gebracht, der konsequent die Regeln zur Zulassung in den Senat anwandte, die sich zuvor entwickelt hatten. Sein Widerstand gegen die Ausweitung der Priesterkollegien gemäß dem Proporz von Patriziern und Plebejern lässt vermuten, dass er anderweitig organisierte Öffentlichkeiten fürchtete. Die Veröffentlichung einer Liste von Tagen, die für Gerichtstermine geeignet war (fasti, siehe Kapitel 7) und deren Regelung auch in den Zuständigkeitsbereich der Pontifices fiel, sollte wohl dem gleichen Zweck dienen.9 Die generelle Verfügbarkeit von Informationen verkleinerte den Einfluss von mächtigen Institutionen. Schreiben ist das Medium der Veröffentlichung.
Ein weiterer früher innovativer Nutzen des Schreibens wird ebenfalls mit dem Namen von Appius Claudius in Verbindung gebracht. Seine Rede gegen den Frieden mit Pyrrhos aus dem Jahre 280 wird schon lange als die älteste überlieferte römische Rede angesehen.10 Dies ist mehr als nur ein Stück belanglosen historischen Detailwissens. Ein Vierteljahrhundert nach seiner Konsulherrschaft muss Claudius einer der am längsten dienenden und hochrangigen Senatoren gewesen sein. Die schriftliche Verbreitung seiner Rede – es eine „private Veröffentlichung“ zu nennen, würde ein falsches Bild auf die Anzahl der sich im Umlauf befindlichen Kopien werfen – hebt seinen Widerstand gegen das Ergebnis der Überlegung des Senats, nämlich die Entscheidung, ein Friedensangebot des Siegers Pyrrhus anzunehmen, hervor. Die Publikation brachte eine „Öffentlichkeit“ hervor, egal wie klein und verstreut, die außerhalb der Normen senatorischer Konsensfindung angesiedelt war. Ohne den Inhalt der Publikation zu kennen, ist es uns nicht möglich herauszufinden, ob Appius seine Argumente oder seine eigene Person stärken wollte. Was wir hier sehen, ist ein Bruch mit der Tradition, aber noch kein Trend.11
Vermutlich in den folgenden Jahrzehnten begannen die römischen pontifices maximi nicht nur damit, schriftliche Protokolle zu verfassen, sondern auch damit, Auszüge aus diesen auf geweißten Holzbrettern zu veröffentlichen.12 Dokumentationsprozeduren im Senat waren vermutlich das Vorbild für solche geschriebenen Protokolle, aber dies bleibt Spekulation, da wir keine Belege über diese Textarten für diese Zeit haben. Erneut ist „Publikation“ ein Begriff, der hier mit Bedacht genutzt werden sollte, da wir weder wissen, welche Leserschaft angestrebt wurde, noch welche diese tatsächlich las. Tatsächlich mag es die Geste der Veröffentlichung – die Unterstellung von Lesefähigkeit und das Ansprechen einer Öffentlichkeit unbestimmter Größe – gewesen sein, die entscheidend war: In der Öffentlichkeit agierend ist die Form des Ansprechens der Öffentlichkeit das, was institutionelle Unabhängigkeit und Bedeutung sicherte.
Diese Praktiken der Veröffentlichung müssen unter der zeitgenössischen Nutzung von Schriftlichkeit betrachtet werden. Die zentrale politische Nutzung bestand darin, offizielle Beschlüsse auf Bronzekopien festzuhalten und so zu platzieren, dass jeder Zugang dazu hatte. Dies war angeblich bereits bei der Verschriftlichung des Zwölftafelgesetzes der Fall. In welchem Ausmaß spätere kanonische Texte die Traditionen des fünften Jahrhunderts korrekt widergeben oder ein Ergebnis von Sammlung und Kommentierung sind, bleibt hier eine offene Frage.13 Über und entgegen diese wenigen Zeugnisse für die Verbreitung von Schrift in der Öffentlichkeit muss der weitaus größere Umfang mündlicher Kommunikation gestellt werden. Wenn ein öffentliches Publikum tatsächlich gewollt war, war es notwendig, ein zahlreiches Auditorium zu haben. Dies trifft sowohl für das „Hundertmännergericht“ zu, das in historischer Zeit aus jeweils drei Personen aus jeder der fünfunddreißig römischen tribus14 bestand, als auch für das Quorum von mindestens 100 Senatoren, die für die Verwaltungsprozesse in den senatorischen Regelungen für die Bacchanalien vorgeschrieben waren.15