Читать книгу Die Tränen haben nicht das letzte Wort - Josef Dirnbeck - Страница 9

Die Frage nach dem Sinn

Оглавление

Bei diesem Verkehrsunfall war eine offenbar besonders charismatische Person ums Leben gekommen. Eine Frau, die ein engagiertes Mitglied in ihrer Pfarrgemeinde gewesen war und die immerzu vor neuen Ideen sprühte. Eine Aktivistin, die von den Idealen des Zweiten Vatikanischen Konzils beseelt war und die bereits in jungen Jahren sehr viel Gutes für die Kirche gewirkt hatte. „Laienapostolat, wie man es sich als Priester nicht besser wünschen kann“, sagte Gutl.

Und diese Frau war nun „vom irdischen Leben in die ewige Heimat abberufen“ worden. So stand es auf der Traueranzeige geschrieben. Das provozierte die Frage, wie um alles in der Welt der liebe Gott auf die Idee gekommen sein mochte, ausgerechnet ein Talent wie dieses „abzuberufen“ – eine so mustergültige Gläubige, die er doch erst vor kurzer Zeit dazu berufen hatte, für ihn etwas zu tun, und zwar mit großem Erfolg.

Diese Tote, die nun auf dem Friedhof ruhte, hätte gut und gern noch ein paar Jahrzehnte lang segensreich in dieser Welt wirken können, um – biblisch gesprochen – am Aufbau des Reiches Gottes mitzuhelfen. Welchen tieferen Sinn sollte es haben, dass Gott gerade jemanden, der so hoch motiviert war, kurzerhand aus dem Verkehr zog?

„Kein Firmenchef, dem am Wohl seines Unternehmens etwas liegt, würde so etwas tun“, sagte Martin Gutl. „Wenn er schon gezwungen wäre, Personal zu entlassen, dann würde er doch nicht ausgerechnet bei seinen besten Mitarbeitern anfangen. Da wird man doch fragen dürfen, ja vielleicht sogar fragen müssen: Was soll das?“

Der Text, den wir damals aus gegebenem Anlass geschrieben haben und der dann später in unserem ersten gemeinsamen Buch abgedruckt worden ist, umfasst nur wenige Zeilen. Aber es hat lange gedauert, bis das Manuskript fertig war. Wir haben eine respektable Menge an Papier verbraucht. Immer wieder wurde ein neues Blatt in die Schreibmaschine gezogen und munter drauflosgehämmert. Wir haben nicht gezählt, wie viele Fassungen wir geschrieben und wieder verworfen haben. Manche davon waren drei oder vier Seiten lang. Dann wurde wieder gekürzt, gestrichen, komplett neu begonnen. Nur der Anfang blieb gleich – die Schilderung des Vorfalls, der so war, wie er war. Daran gab es nichts zu rütteln. Aber was sollte man zu diesem Unglücksfall sagen? Was waren die geeigneten Worte, um dazu Stellung zu nehmen?

Nicht, dass uns nichts eingefallen wäre. Im Gegenteil, es ist uns viel zu viel eingefallen! Wir haben uns eine halbe Nacht lang die Köpfe heißgeredet und die einschlägigen Erklärungsmuster durchexerziert.

Die Tränen haben nicht das letzte Wort

Подняться наверх