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VI
Piper

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Am nächsten Morgen erwache ich vor Aufregung schon, als es noch dunkel ist; Andy erwartet mich erst in zwei Stunden. Verzweifelt greife ich in das Regal über mir und ziehe ein Buch heraus – Jack London: Wolfsblut. Ein bedrohlicher Wolf knurrt mich an und seine gelben Augen leuchten angriffslustig. Erschrocken werfe ich es auf den Boden. Jetzt wäre mir Black Beauty lieber gewesen, wo ich doch sowieso den ganzen Tag an die Pferde denke ...

Ich springe aus dem Bett und suche in meinem Schrank etwas zum Anziehen. Es muss praktisch sein, aber auch ganz gut aussehen – schließlich will ich Robin und Andy gefallen. Bei dem Gedanken schlägt mein Herz schneller; ich kann es kaum erwarten.

Einen Pullover unterm Arm – für den Fall dass es windig ist in der Prärie – schleiche ich die Treppe hinunter. Ich schreibe einen Zettel für meine Mom und überlasse es ihr, Danny zu erklären, was ich mache. Es geht ihn ja auch gar nichts an.

Ich schlüpfe in meine Stiefel und dann unbemerkt aus dem Haus. Aus der Scheune hole ich das alte Fahrrad, das mir Allie angeboten hat. Dann folge ich wieder gedankenverloren den tiefen Pickup-Furchen.

* * *

Als ich auf der Ranch ankomme und mein Rad abstelle, fährt Robin gerade eine Schubkarre aus dem Stall. Als er mich sieht, lächelt er charmant und kommt mir entgegen.

„¡Buenos Dias, Belleza!“, begrüßt er mich und küsst mich auf die Wange. „Hast du schon gefrühstückt?“

Erst jetzt fällt mir auf, dass ich ganz vergessen habe, irgendetwas zu essen, und ich nehme sein Angebot dankend an.

Die Familie Davis sitzt in der Küche und freut sich, mich zu sehen. Andys Mutter Celeste ist schwanger, trotzdem steht sie auf und bietet mir gleich einen Platz an.

„Setz dich, mein Kind“, verlangt sie. Ich danke ihr mit einem Lächeln und nehme zwischen den beiden Brüdern Platz, die mir sofort Kaffee anbieten. Ich trinke zwar eigentlich keinen, aber ich bedanke mich trotzdem und nehme mir eines der süßen Brötchen aus dem Korb.

Señor Davis bestreicht Toast mit Erdnussbutter und versucht, ein Gespräch zu beginnen. „Du versorgst die Caballos? Heute, mit den Chicos?“

Durch seinen Akzent erkenne ich nicht sofort, dass er es als Frage meint, aber dann nicke ich eifrig. „Oh ja, ich freue mich schon darauf. Wie viele Pferde haben Sie denn?“

„Hier im Stall zwanzig, in der Prärie – wer weiß, fünfzig oder siebzig…“

„Wissen Sie das nicht genau?“

„No. Dreimal treiben wir sie zusammen, im Jahr. Ein Hengst ist in der Herde und wir haben immer Fohlen. Vielleicht kannst du helfen, im Sommer ...“

„Oh, das wäre toll!“

Er lächelt und auch Andy und Robin grinsen. Die Stimmung ist ganz anders als bei uns, denke ich zerknirscht. Aber dann erzählen sie mir, was wir heute alles vorhaben und meine Gedanken werden abgelenkt.

* * *

Wenig später folge ich Andy und Robin in den Stall. Wir lassen die Pferde raus und machen danach die Boxen sauber.

„Wie kommt es, dass ihr so gut englisch sprecht“, frage ich Andy, als er in der Box neben mir arbeitet, „wo eure Familia doch aus México kommt?“

„Wir sind beide hier geboren worden.“ Er grinst mich an. „Willst du Spanisch lernen? Ich bin sicher, Robin bringt es dir bei!“

„Aber Claro, Señorita!“, bestätigt er sofort und wirft mir einen vielsagenden Blick zu. „Ich bringe dir alles bei, was du willst.“

Andy bremst ihn mit einem ermahnenden Blick. „Unser Vater spricht eigentlich auch sehr gut – immerhin ist er schon lange genug hier – aber er liebt einfach diesen Akzent, mit dem er die Sprachen kombinieren kann. Ich glaube, beim Pferdehandel nutzt er es gern aus, wenn die Leute ihn unterschätzen.“

Ich denke einen Moment darüber nach. Unterschätzt zu werden ist wahrscheinlich gar nicht so schlecht, dann kann man nur positiv überraschen und muss niemanden enttäuschen. Ich selbst erwarte auch lieber das Schlimmste, dann kann es nur besser werden – obwohl meine Mutter mich für diese Einstellung oft tadelt. Aber mit ihr tauschen möchte ich trotzdem nicht.

„Und wie lange reitest du schon?“, fragt mich Andy beiläufig, doch mir ist bewusst, dass ich seine eigene Erfahrung niemals überbieten kann. Ich muss wieder an gestern denken, daran, wie er in der Sonne mit seinem Pferd verschmolzen über den Reitplatz tanzte. Es war ein Bild der reinen Harmonie, der erste Eindruck von ihm, den ich vielleicht nie mehr vergesse.

„Ach, seit ein paar Jahren“, antworte ich lahm, „aber immer nur im Unterricht.“

„Im Unterricht? Was heißt das, in der Reithalle?“

„Genau.“

„Also bist du noch nie ausgeritten?“

„Nein, noch nie.“ Verlegen senke ich den Kopf. Ist das etwa schlimm? Als er nicht reagiert, sehe ich zu ihm auf und geradewegs in die dunklen Augen, die auf mir ruhen. Wie wunderschön sie sind! Sein Blick raubt mir den Atem; einige Sekunden sehen wir uns so an, aus Faszination und vielleicht auch, um zu sehen, wer zuerst wegschaut. Dann lehnt sich Robin zwischen uns über die Boxenwand und beobachtet uns kopfschüttelnd.

„Braucht ihr noch einen Moment?“, fragt er. „Oder seid ihr hier fertig?“

„Wir sind fertig“, antworte ich schnell und wende den Blick ab.

„Holen wir die Pferde!“, ergänzt Andy und ist schon auf halbem Weg nach draußen. Ich blicke den beiden hinterher und spüre ein aufregendes Kribbeln im Bauch. Na das kann ja was werden, denke ich und bin überrascht über mich selbst.

Ich nehme ebenfalls ein Halfter von einem Haken an der Wand und folge ihnen. Andy weist mir eine kleine Fuchsstute zu, die Alba heißt; er erklärt mir, dass das Morgendämmerung bedeutet. Mir gefällt der Name und ich führe das Pferd in den Stall, wo Robin gerade eine dunkelgraue Stute anbindet.

„Ist das eins von den jungen Pferden?“, frage ich ihn, während ich beginne, Alba zu putzen.

„Das hier ist Estrella, sie ist drei Jahre alt, ich bilde sie aus. Dein Pferd ist schon ein bisschen älter, sie soll bald verkauft werden.“

Eigentlich schade, denke ich, als ich in Albas freundliche Augen blicke; aber gleichzeitig wittere ich meine Chance: Ich brauche unbedingt bald ein Pferd – hier sind die Entfernungen so groß, dass ich ansonsten dauernd Fahrrad fahren muss.

Andy holt Dragón und schlägt vor, einen kleinen Ausritt zu machen; er behauptet, mir das Land zeigen zu wollen, aber schon wieder liegt ein freches Grinsen in seinen Zügen.

„Alba ist brav, für den ersten Ausritt genau richtig“, erklärt er.

„Na danke!“, beschwere ich mich, bevor ich nachdenken kann. „Ich meine, ich bin auch schon mit weniger braven Pferden zurechtgekommen.“

„Das glaube ich dir sofort!“, grinst Robin und wirft seinem Bruder einen vielsagenden Blick zu. Als ich die beiden beobachte, wie sie routiniert ihre Pferde satteln, ergreift mich tiefer Respekt und ich bereue meine übereilte Behauptung. Es gehört schon viel Mut und Können dazu, junge Pferde selbst einzureiten. Wieder zweifle ich daran, dass ich ihnen wirklich eine Hilfe sein kann.

„Ihr habt doch auch Pferde, oder?“, fragt Andy unvermittelt.

„Ja, drei, aber die gehören Dannys Verwandtschaft, die brauchen mich nicht im Stall.“ Und sie wollen mich auch nicht, füge ich in Gedanken hinzu.

Er weiß nicht so recht, was er darauf antworten soll, und macht nur: „Hm, das kann ich mir vorstellen.“

„Was soll's!“, sage ich unbeschwert. „Ich will dich nicht mit meinen Problemen nerven! Willst du dir vielleicht erst mal ansehen, wie ich reite?“ Ich deute auf Alba, die inzwischen gesattelt und aufgezäumt in der Stallgasse bereit steht. Robin verschwindet mit Estrella auf dem Reitplatz.

Andy winkt ab. „Das können wir unterwegs machen, außerdem bin ich überzeugt, dass du es kannst.“ Wieder dieses Lächeln.

Ich erwidere es nur allzu gern und folge ihm mit meinem Pferd nach draußen. Als ich sicher im Sattel sitze, beobachte ich fasziniert, wie Andy seinen Cowboy-Hut zurechtrückt. Er bemerkt meinen Blick und erklärt: „Du solltest dir auch einen anschaffen, bei den Temperaturen, die wir hier im Sommer haben, reitet es sich nicht gut ohne Kopfbedeckung.“

Ich gebe ihm Recht und füge hinzu: „In Goldvalley musste ich eigentlich immer eine Reitkappe tragen. Aber ich habe gesehen, dass es in der Nähe einen kleinen Wald gibt, da wäre es zumindest ein bisschen schattiger…“

Einen Moment scheint er nach Worten zu suchen. Dann findet er sein gewinnendes Lächeln wieder und schlägt vor: „Vielleicht das nächstes Mal, ich kenne einen schönen Platz, wo man manchmal die Wildpferde sehen kann!“ Dann tippt er an seine Krempe und fragt: „Was sagst du? Reiten wir um die Wette?“

Die Krieger des Horns - Feuermond

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