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II
Gillian

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„Gillian!“, ruft mein Bruder durch das ganze Haus. „Kann ich fernsehen?“

Ich rolle mit den Augen, obwohl er es nicht sehen kann. Zum Glück ist Kevin aus dem Alter raus, als er noch eine Gute-Nacht-Geschichte hören wollte. Aber ehrlich, so ein Abend allein mit kleinem Bruder kann einen schon ganz schön fertig machen! Warum haben wir bloß kein Kindermädchen, so wie die amerikanischen Familien im Film?

Aber Gott sei Dank gehen meine Eltern ja nicht jeden Tag essen. Apropos essen, jetzt brauch ich erst mal was zwischen die Zähne. Also runter in die Küche.

Ich schiebe eine Pizza in die Mikrowelle. Fünf Minuten, schreit die blinkende Anzeige – mein Magen protestiert. Während ich warte, beschließe ich, meine Freundin Sophy anzurufen, sie hat mir auf der letzten Party irgendwie Sorgen gemacht.

Sophy ist eigentlich wahnsinnig hübsch, mit ihrem schwarzen Haar und den blauen Augen. Wenn sie nur nicht immer so ernst gucken und so düstere Sachen erzählen würde ... Ich bin mir sicher, wäre sie etwas freundlicher, könnte sie jeden Typen haben. Aber so bleibt uns einfachen Menschen wenigstens auch noch eine Chance. Na ja, so ganz stimmt das ja nicht ...

Und eigentlich bin ich mit meinem Aussehen auch ganz zufrieden. Während ich im Flur Sophys Nummer hervorkrame, blicke ich den Spiegel. Alle beneiden mich immer für meine blonden Locken, also lasse ich sie wachsen und trage sie meistens offen. Und meine Augen sind viel dunkler als die von Kevin, aber das liegt daran, dass wir nicht richtig verwandt sind.

Als Sophy den Hörer abhebt, frage ich sie sofort nach seltsamen Vorkommnissen.

„Irgendwelche Geister, Vampire oder Werwölfe in letzter Zeit?“

Ich spüre sogar durch die Leitung, wie sich ihr Blick verfinstert.

„Nein“, sagt sie, „aber du hast dich mit Joice getroffen, nicht wahr?“

Ich halte einen Moment inne und betrachte mich wieder im Spiegel. Joice ... Ich schwärme für ihn seit ich ihn das erste Mal gesehen habe. Es ist sein Blick, der mich immer in seinen Bann zieht. Seine Augen sind eisblau. Und wenn ich ihn sehe, kommt es mir vor, als könnte er meine Gedanken erraten – dabei dachte ich immer, ich wäre die einzige, die das kann ...

„Lass lieber die Finger von ihm, Gillian, er ist mir nicht geheuer.“

„Ach was!“ Ich winke ab und versuche, entschlossener zu klingen. „Ich habe ihn heute zu meinem Geburtstag eingeladen – hey, du kommst doch auch, oder?“

Ich höre, wie sie mit den Zähnen knirscht.

Im selben Moment piept die Mikrowelle, und ich sage: „Ich muss Schluss machen, meine Pizza ruft! Aber du kommst vorbei, versprochen? Und halte mich auf dem Laufenden, wenn du etwas bemerkst!“

Sie brummelt etwas Unverständliches und legt auf.

Ich nehme meine Pizza heraus und gehe zufrieden wieder nach oben. Auf der Treppe begegne ich Kevin, barfuß auf dem Weg zum Fernseher.

„Ab ins Bett, junger Mann!“, kommandiere ich und nach einer kurzen Diskussion gelingt es mir endlich, einen Kompromiss bei einem Glas Milch und noch ein bisschen Musikhören zu finden. Ich hab ihn eigentlich ganz gut erzogen, meinen kleinen Bruder!

In meinem Zimmer schließe ich die Tür und stelle den Teller auf den Teppich. Ich hole den roten Kristall, der auf meinem Nachttisch steht, und kauere mich auf den Boden. Auch wenn er etwas enttäuschend ist, muss ich den Status sofort weitergeben: Immer noch keine Entdeckungen.

„Gillian!“, Kevin steht in der Tür, in der Hand sein Milchglas. „Du musst mir nochmal helfen! – Spielst du schon wieder mit deinem Diamant?“

Genervt verdrehe ich die Augen. „Das ist doch ein roter Stein, Kevin, Diamanten sind durchsichtig! Und wenn wir so einen großen Diamanten hätten, müssten Mom und Dad wahrscheinlich nicht mehr arbeiten ...“

„Aber du kannst damit Fernsehen!“, behauptet er. Ein einziges Mal hat er mich dabei erwischt. Ich muss in Zukunft wieder die Tür abschließen.

„So ähnlich“, wiegele ich ab. „Aber das Fernsehen hier ist erst für Leute ab sechzehn!“

„Aber das bist du doch auch noch nicht!“

Ich stemme die Hände in die Hüfte, um ihm klarzumachen, dass jetzt Schluss ist.

„Du weißt doch, dass bei uns einiges ein bisschen anders ist! Und jetzt geh bitte ins Bett, ich komme nachher noch einmal rüber.“

„Und warum darfst du fernsehen und ich nicht?“

„Weil ich sozusagen eine höhere Aufgabe habe, die du nicht verstehst! Und jetzt ab, oder es gibt keine Musik mehr!“

Maulend tapst er raus. Ich höre seine frustrierten Gedanken, als er seine Zimmertür zuschlägt. Aber dafür habe ich jetzt keine Zeit.

Die Krieger des Horns - Feuermond

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