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Robin
ОглавлениеRobin Gibb war nicht der Robin Gibb, den man sofort mit seinem Namen assoziierte. Er war weder Sänger bei den Bee Gees, noch sonst irgendwie berühmt. Er war Grafikdesigner und betrieb eine kleine Zwei-Mann-Agentur, die er sich gemeinsam mit seinem Kompagnon Dean aufgebaut hatte. Sie hatte ihren Sitz in Robins Apartment im zweiten Stock der Blaneystreet neunundsiebzig, für die Robin das Wohnzimmer zu einem Büro umfunktioniert hatte.
»Und, wie sieht sie aus?«, fragte Dean Yeun neugierig.
Robin sah von seinem Mac auf. »Wie sieht wer aus?«
»Na, die neue aus dem Dachgeschoss?«
Robin zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, hab sie noch nicht zu Gesicht bekommen.« Ein Gähnen überkam ihn und er hielt sich die Hand vor den Mund.
»Wieder spät geworden gestern, was?«
Robin nickte.
»Mila?«
Dean Yeun erhielt ein neuerliches Nicken als Antwort und schnalzte mit der Zunge.
»Dass ihr immer noch so oft zusammen hängt.«
»Wir verstehen uns eben. Man kann echt gut quatschen mit ihr.«
Der junge Asiate überlegte kurz und vollführte dann eine schwungvolle Drehung mit seinem Bürostuhl.
»Vielleicht ist sie ja so ein Modeltyp. Was meinst du?«
Robin sah ihn spöttisch an. »Mila?«
Dean lachte. »Quatsch. Die neue.«
»Keine Ahnung. Vielleicht sieht sie aber auch aus wie du. Die Arme«, entgegnete sein Gegenüber grinsend.
Dean hob die Hand. »Hey! Ich habe ein klassisches Profil, mein Lieber«, konterte er mit gespielter Verärgerung.
»Klassisches Pfannkuchengesicht, vielleicht.«
»Keine Diskriminierung bitte, ja?«
Robin setzte eine ernste Miene auf. »Können wir vielleicht jetzt weiterarbeiten? Diese Website für Headmans & Sprouse baut sich nicht von alleine.«
Doch sein Gegenüber ließ nicht locker. Irgendwie war sein Kompagnon Dean an diesem Tag aufgedrehter als sonst. Ob vielleicht ein Mädchen dahinter steckte? Dann fiel es Robin ein:
»Warum eigentlich dieses Interesse an der Neuen? Hattest du nicht gerade neulich erst angedeutet, da würde was mit einer aus der Nachbarschaft laufen?«
Dean seufzte. »Das zieht sich wie Kaugummi. Sie sieht im Moment in mir nur den Seelentröster.«
»Das tut mir ja so leid für dich, ehrlich«, entgegnete Robin sarkastisch.
Dean stand auf und setzte sich dann auf Robins Schreibtischkante. Dieser bemerkte jetzt erst den strengen Nikotingeruch, den seine Klamotten, wieder einmal, verströmten und verzog das Gesicht.
»Dein Besuch ist immer noch da, wie ich rieche.«
»Ja. Scheiße, der qualmt echt viel«, entgegnete Dean. »Kann ich ihm aber nicht verübeln. Ich hatte dir ja schon gesagt, dass er viel Stress gehabt hat, in letzter Zeit. Aber Kumpel ist Kumpel.« Er beugte sich etwas vor und drängte sein Gesicht grinsend in Robins Sichtfeld. »Ich will alles über sie wissen okay? Wie sie aussieht, ob sie einen Freund hat, und so weiter.«
Robin schaute bereits wieder auf den noch mit Syntaxfehlern behafteten HTML-Code auf dem Monitor vor sich, als er antwortete:
»Du scheinst es ja wirklich dringend nötig zu haben!«
»Naja, über fünf Wochen kein Sex mehr. Da wird man halt ein bisschen hibbelig.«
»Und wohl auch weniger wählerisch, was? Es könnte genauso gut eine siebzigjährige Oma sein, die in die Wohnung gezogen ist.«
Dean verzog das Gesicht. »Quatsch! Welche siebzigjährige Oma zieht denn freiwillig in den obersten Stock? Es war doch die Dachwohnung, oder?«
»Ja. Dean, bitte, ich muss hier fertig werden!« Robins Ton wurde bestimmter.
Das Telefon klingelte und beide schwangen sich zur Tischmitte, um abzunehmen. Dean war schneller und grinste frech.
»Zu langsam, alter Mann«, flüsterte er, die Hand über die Sprechmuschel haltend. Dann begrüßte er den Anrufer.
Dem einseitigen Gespräch, das folgte, konnte Robin entnehmen, dass es einer ihrer Kunden war. Er wollte sich gerade wieder seiner Arbeit widmen, als es an der Wohnungstür läutete. Einen leisen Seufzer ausstoßend, sprang er auf. Als er die Tür öffnete, schaute er in das freundlich lächelnde Gesicht einer jungen, blonden und gut gebauten Frau. Sie trug eine Latzhose aus Jeansstoff, darunter ein weißes Shirt mit ausgefransten Ärmeln.
»Ja?«
»Hallo. Ich bin Jessica Walsh, ihre neue Nachbarin von ganz oben.« Sie deutete mit dem Finger zur Decke.
»Hi. Robin Gibb.«
Sie gaben sich die Hand. Jessica Walshs Händedruck war sanft und weich. Sie schaute ihn leicht verdutzt an.
»Ja, ich weiß. Aber ich bin's nicht, wie man sieht«, entgegnete Robin locker. Er war belustigte Blicke und dumme Kommentare wegen seines Namens gewöhnt.
Jessica Walsh lachte fröhlich. »Aha, ok. Ich wollte Sie eigentlich einladen, ganz spontan. Für heute Abend. Ich gebe eine kleine Einweihungsparty bei mir.«
»Oh.«
»Wenn Sie Lust haben, zu kommen? Gerne auch mit Begleitung. So ab sieben.«
»Klingt gut. Ich komme gerne«, sagte Robin und überlegte, ob er es riskieren sollte, seinem Kumpel Dean davon zu erzählen.
»Na, dann sieht man sich. Ich freue mich. Bis dann.«
Sie machte kehrt und lief die Treppe mit sportlichen Schritten wieder hinauf. Robin sah ihr noch einen Moment gedankenversunken nach, wobei sein Blick an ihrem Po hängen blieb, der selbst durch die etwas zu weite Latzhose einen guten Eindruck machte. Dann schloss er die Tür.
»War was?«, fragte ihn Dean, als er wieder das Büro betrat. Sein Freund hatte inzwischen das Telefonat beendet.
Robin sah ihn grinsend an. »Ich habe gute Neuigkeiten für dich«, sagte er.