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II. Christozentrische Spiritualität 45

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Die dominikanische Spiritualität ist keine spezifisch auf den Gründer bezogene Spiritualität, sondern eine christozentrische, eine Spiritualität der Nachfolge Christi46:

„Dominikus hat seine ersten Gefährten nicht aufgefordert, ihm nachzufolgen, sondern vielmehr Jesus, dem Modell und Vorbild jeglicher christlicher Erfahrung. ... Wie bei den meisten Ordensgründern der Fall, strahlt auch Dominikus durch die Praxis aus und zeigt mit seinem Leben, was es bedeutet, Jesus nachzufolgen, und wie man dies treu und radikal tun kann.“47

Dominikus wandte sich gegen Tendenzen im Christentum, die durch den dualistischen Manichäismus des häretischen Umfelds noch verstärkt wurden und in Versuchung führten, spirituelles Leben (oder Kontemplation) und praktische Tätigkeit (Aktion) zu trennen, um in der Weltflucht („fuga mundi“) den einzig richtigen Weg zu sehen.48

Eine Häresie, gegen die auch Tauler predigte, das freigeistige Denken49, deutete die Welt pantheistisch: Das Universum sei eine Emanation Gottes, der im Sein dessen lebe, der sich ihm schweigend und liebend öffne. Die Seele werde dann Gott selbst. Nicht die Gnade Gottes erlöse demzufolge den Menschen, sondern er befreie sich selbst durch Bewusstwerdung der eigenen Göttlichkeit. Wenn sich der Mensch derart vergottet habe, lebe er wie im unschuldigen Zustand des Paradieses, und er könne, da er Gott sei, nicht mehr sündigen. Er brauche deshalb weder ein Tugendleben zu führen noch Verantwortung für die Mitmenschen zu übernehmen; er bedürfe auch keiner Kirche.50 Einer solchen dualistischen Welt- und Verantwortungsverneinung begegnet Dominikus mit einer „Spiritualität der Menschwerdung“51:

„Der Christus des Dominikus ist kein Christkönig oder ein romanischer Pantokrator, dem menschlichen Drama gegenüber fremd und empfindungslos. Vielmehr ist er ein gotischer Christus, feinfühlig und geduldig, leidend und gekreuzigt, der die Tiefgründigkeit menschlichen Dramas verinnerlicht. ... Denn es handelt sich um eine Spiritualität der Menschwerdung, welche die eigene und fremde ´conditio humana´ erkennt und aufgreift.“52

Die dominikanische Spiritualität ist also nicht das Resultat einer Weltflucht, sondern der Menschwerdung Christi und seiner Verflechtung in die Welt. Dabei wird für Dominikus die leidende Menschheit zum Weg, „sich auf eine Spiritualität der Menschwerdung einzulassen und das Geheimnis der Menschwerdung und der Passion Christi zu entdecken.“53 Zur leidenden Menschheit gehören nicht nur die Armen und Geknechteten, sondern ebenso die Ketzer in Südfrankreich bzw. die heidnischen Kumanen in Norddeutschland und Ungarn. Für Dominikus gilt:

„Man muss der Menschheit nicht den Rücken kehren, um Gott zu finden; im Gegenteil, man muss sie verinnerlichen, um Gott zu erfahren und um leibhaft die Kraft seines heilenden Willens zu spüren.“54

Seine Spiritualität ist eine, die man in der Begegnung mit der leidenden Menschheit erlernt und anwendet. Für Dominikus offenbart sich in der Menschwerdung Christi Gottes liebevolles Angesicht; im menschlichen Schmerz und im Leiden aber enthüllt sich der gekreuzigte Christus. Das Geheimnis der Menschwerdung mündet im Geheimnis des Kreuzes. Die Spiritualität des hl. Dominikus ist also zugleich eine Spiritualität der Menschwerdung und der Passion.

„Die Berührung mit der leidenden Menschheit ist die Quelle der religiösen Erfahrung, der Spiritualität, der christlichen und apostolischen Berufung des Dominikus ...: die Lasten der leidenden Menschheit auf sich zu nehmen und sich in christlichem Mitleid zu üben.“55

Vom Kreuz und der Passion der Menschheit her richtet Dominikus schließlich seinen Blick auf das Erlösungsgeheimnis:

„Dominikus glaubt fest an den Heilsplan Gottes für die Menschheit und verkündet ihn mit Hingabe. Er ist kein Prophet der Ungnade, Verdammnis und Zerstörung. Er verkündet keine schlechten Nachrichten. Er ist Prediger der guten Nachricht.“56

Diese christozentrischen und passiozentrischen Züge seiner Spiritualität zeigen sich – an erster Stelle – in der Wertschätzung der evangelischen Armut, die im Geheimnis der Menschwerdung ihren Ursprung hat, sich aus der Kenosis Christi57 ableitet, „der Selbstentäußerung, des Abstiegs aus den Höhen der Göttlichkeit in die Niederungen der Menschheit“58 und sich in der Passion und im Tod vollendet. Gott greift selbst in die Schöpfung und in die Natur des Menschen ein, indem er selbst Teil der Natur und Teil der Menschheit wird und sogar Erniedrigung und Tod auf sich nimmt. Diesem Vorbild Christi in der Selbstentäußerung will Dominikus mit seiner Armutspraxis nachfolgen: „Wer den armen Christus predigen will, muss in seinem Leben den armen Christus nachahmen.“59 Die Armut wird somit zu mehr als nur zu einem Verzicht auf materielle Güter. Sie wird zu einer Anklage gegen jede Form des Götzendienstes und gegen menschliche Habgier, die die Rechte des Mitmenschen unterdrückt. Sie betont dagegen das Mitleid und Mitgefühl, sodann den Vorrang des Reiches Gottes und das alleinige Vertrauen in seine Gnade:

„Eine Spiritualität der Armut ist notwendigerweise eine Spiritualität des Vertrauens auf die Vorsehung, die Glückseligkeit und geschwisterliche communio.“60

Mit Worten aus den Ordenskonstitutionen wollen wir diesen Abschnitt zusammenfassen:

„Da wir also an der apostolischen Mission teilhaben, übernehmen wir auch die Lebensweise der Apostel in der Form, die der heilige Dominikus herausgebildet hat. Wir führen einmütig das gemeinsame Leben, wir verhalten uns treu zu den evangelischen Räten, wir pflegen mit Freude die gemeinsame Feier der Liturgie, vor allem der Eucharistie und des Stundengebetes, und das persönliche Gebet, wir widmen uns intensivem Studium, wir stehen zu den klösterlichen Lebensformen. All diese Dinge fördern nicht nur die Ehre Gottes und unsere Heiligung, sie dienen auch direkt dem Heil der Menschen, da sie übereinstimmend auf die Predigt vorbereiten und zu ihr hinführen, sie prägen und ihrerseits von ihr geprägt werden. Diese verschiedenen Elemente, die miteinander in engem Zusammenhang stehen, aufeinander abgestimmt sind und sich gegenseitig befruchten, machen als Ganzes das Besondere des Ordens aus, d.h. ein im vollen Sinne apostolisches Leben, in dem Predigt und Lehrtätigkeit aus der Fülle der Kontemplation fließen müssen.“61

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