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2. DER GUTE ZWECK
ОглавлениеEs war in der Vorweihnachtszeit 2014, als ich mich zum ersten Mal mit dem Gedanken beschäftigte, mein persönliches Vorhaben vielleicht mit einem guten Zweck zu verbinden. Für mich schien es geradezu folgerichtig, diese größere und sicherlich etwas ungewöhnliche Wanderung mit einem gemeinnützigen Projekt zu verbinden. Nun hat es mir schon immer Spaß gemacht, über zuweilen unkonventionelle Dinge zu brüten, kleine Feste oder Veranstaltungen zu planen, zu organisieren und schließlich auch zu moderieren. Warum dann nicht auch in einem solchen Bezug, wo ich gleichzeitig mir und aber auch Dritten etwas Gutes tun kann.
Die Überlegung lautete, möglichst viele der zu laufenden Kilometer abzuverkaufen. Nicht, dass ich diese dann nicht laufen müsste, sondern um zwei Effekte zu erzielen. Erstens würde mich jeder von Spendern übernommene Kilometer in meiner Motivation der Wanderung bestärken, zweitens ginge dieses Geld dann 1:1 an den oder die Begünstigten. Ob des „Verkaufspreises“ gab es im Kreis der involvierten Personen unterschiedliche Meinungen. Die einen tendierten zu einem Euro pro Kilometer, um damit möglichst viele Menschen zu erreichen. Ich persönlich war dagegen überzeugt, einen Preis von 10 Euro erzielen zu können. Zum einen war bei der Beschwerlichkeit der Gesamtstrecke jeder Kilometer schwer verdient, zum anderen gibt es in meinem Freundes-, Bekannten- und Kollegenkreis durchaus die finanziellen Möglichkeiten, auch etwas mehr beisteuern zu können. Und so entschied ich es dann auch recht schnell: Der Kilometer kostet 10 Euro. Sofern, und das war irgendwann natürlich mein geheimes Ziel, die gesamte Strecke von 1.000 Kilometern von fleißigen Spendern übernommen sein sollte, würden 10.000 Euro zusammenkommen.
Nach kurzer Zeit der Überlegung und wenigen Recherchen hatte ich mir drei Vereine der Kinder- und Jugendhilfe ausgesucht, für welche ich mit meiner Wanderung Spenden sammeln wollte.
Zum einen handelte es sich dabei um die Kinderarche Sachsen, welche jungen Menschen und Familien Halt und Hilfe gibt, diese bei Alltagsproblemen begleitet und fördert. Der Verein betreut in über 40 Wohn- und Tagesgruppen, Mutter-Kind-Häusern, Familienhilfen und Kindertagesstätten über 1.500 Kinder und Jugendliche, die zum Teil aus hoch belasteten Lebensverhältnissen kommen. Ziel der täglichen Arbeit der Kinderarche Sachsen sind starke und gesunde Kinder, die selbstbewusst durchs Leben gehen.
Weiterhin hatte ich mir das Kinderhospiz Bärenherz ausgesucht. Dieser Verein betreibt ein stationäres Kinderhospiz in Markkleeberg bei Leipzig, leistet einen ambulanten Kinderhospizdienst und unterbreitet pädagogische Angebote für die erkrankten Kinder sowie ihre Eltern und Geschwisterkinder. Darüber hinaus stellt auch die Trauerbegleitung einen wichtigen Teil der Arbeit des Kinderhospizes Bärenherz dar.
Und letztlich noch der Kinder- und Jugendclub Leipzig-Holzhausen, mit welchem ich seit vielen Jahren in meiner damaligen Funktion als Mitglied des Ortschaftsrates zusammengearbeitet habe und mit den Leitern Jana S. und Andre L. freundschaftlich verbunden bin. Dieser Verein hat sich die individuelle Förderung und soziale Integration von jungen Menschen auf die Fahne geschrieben, dient als Ansprechpartner bei sozialen, emotionalen und psychischen Problemlagen von Kindern sowie Jugendlichen und bietet sich als Unterstützer bei schulischen und arbeitsweltbezogenen Herausforderungen an.
Im Januar 2015 kontaktierte ich schließlich alle drei Vereine telefonisch, stellte mein Projekt vor und fragte, ob sie dieses als Spendenbegünstigte begleiten würden. Ich dachte mir schon, dass dies wohl keiner verneinen würde. Die ersten Reaktionen waren jedoch ziemlich einheitlich: eine Mischung aus Freude und Begeisterung, aber auch Skepsis und Hinterfragen. Ich vereinbarte mit den jeweiligen Ansprechpartnern persönliche Termine, um weitere Details zu besprechen.
Diese Begegnungen waren sehr herzlich und ich lernte dabei viel über haupt- und ehrenamtliches Engagement im Bereich der Kinder- und Jugendpflege und konnte mir ein genaueres Bild davon machen, wohin die Spendengelder fließen würden. Besonders bewegend war für mich der Besuch des Kinderhospizes in Markkleeberg. Wer einmal in einem Hospiz war, weiß, was die tägliche Arbeit mit und für schwerstkranke Menschen und ihre Familien bedeutet, zumal wenn es sich hier um Kinder und Jugendliche handelt. Ich bin aus diesem Termin anders hinaus- als hineingegangen. Dabei war es nicht nur die bewegende Konfrontation mit dem Tod, sondern vielmehr ein Gefühl der Dankbarkeit und des Trostes, dass es heute Einrichtungen gibt, welche sich für die Patienten und ihre Angehörigen hochgradig engagieren, um die verbleibende Zeit bestmöglich zu gestalten.
Und alle drei Vereine sind ganz wesentlich auf die Unterstützung von Dritten, insbesondere auf Spendengelder angewiesen, um auch künftig ihre Arbeit an und für Kinder und Jugendliche erbringen zu können.
Nachdem nun Reiseziel und Reisezeitraum feststanden, war noch die Frage des Reisebudgets zu klären. Einen Versuch, ganz ohne Geld auszukommen und mich gänzlich auf die Gastfreundschaft der Deutschen zu verlassen, verwarf ich schon im Moment der Überlegung. Das Gegenteil, nämlich jeden Abend im 5-Sterne-Hotel mit 4-Gänge-Menü zu nächtigen, schien mir aber genauso unangebracht. Schließlich fand ich die Verbindung zwischen meinem ureigensten Wanderprojekt und dem daran gekoppelten guten Zweck. Ich beschloss, dass mein Wanderbudget maximal zehn Prozent der Spendenzusagen betragen darf. Natürlich würde ich dieses Geld für Übernachtung, Verpflegung und sonstige anfallenden Kosten aus meinem eigenem Portemonnaie finanzieren, hätte damit aber einen großen Anreiz, schon im Vorfeld der Wanderung möglichst viele Spendenzusagen einzuwerben. Schließlich würde das Wissen um ein Dach über dem Kopf und einer warmen Mahlzeit am Tag das ganze Vorhaben etwas entspannter gestalten. Dies bedeutete, dass ich bei Spendenzusagen von 3.000 Euro ein Budget von 300 Euro, bei Spenden von 10.000 Euro ein Budget von 1.000 Euro zur Verfügung hätte. Eine reizvolle Herausforderung, wie ich fand, und ein selbstauferlegtes Reglement, welches mich während der ganzen Reise begleiten sollte.
Auf das zweiseitige Vorhaben, der Erfüllung eines Traums in Form der Deutschlandwanderung für mich einerseits und der damit verbundenen Spendenaktion andererseits, sollte schließlich noch ein passender Projektname aufmerksam machen. Der Slogan „Ich geh stiften“ kam mir irgendwann im Frühjahr 2015 tatsächlich beim Zähneputzen und sollte unbedingt doppeldeutig verstanden werden.